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Ärztebewertungen im Internet

Published/Copyright: November 16, 2016
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Dr. Thomas K. Heinz, Frankfurt/M.Ärztebewertungen im InternetDr. Thomas K. Heinz, FAMedR, ist Rechtsanwalt in der Büroge-meinschaft Mekat Mittelacher Wolicki in Frankfurt/M.Bewertungsplattformen für Ärzte oder Krankenhäuserim Internet sind ein geläufiges Phänomen. Grundsätzlichsind Bewertungssysteme durchaus sinnvoll, als Werbungoder um dem Patienten eine gewisse Transparenz hin-sichtlich seines Arztes zu gewähren. Positive Bewertun-gen haben einen hohen Stellenwert. Negative Bewertun-gen können geschäftsschädigend sein. Nicht wenige Ärz-te möchten überhaupt nicht in ein Portal aufgenommenwerden. Manche Ärzteportale zahlen für die Vermittlungvon Anschriften von Ärztinnen und Ärzten Kopfgelderund veräußern deren Adressen zu Werbezwecken an diePharmaindustrie. Gerichtliche Streitigkeiten deswegennehmen zu. Im März dieses Jahres hat der BGH diePflichten des Betreibers eines Bewertungsportals erst-mals konkretisiert und damit die letzten rechtlichen Fra-gen für die Praxis beantwortet.I. GrundsätzeIn zwei Entscheidungen11 BGH, Urt. v. 23.9.2014 – VI ZR 358/13, GesR 2014, 759; BGH,Urt. v. 1.7.2014 – VI ZR 345/13 = GesR 2014, 538.hat die höchstrichterlicheRechtsprechung zum Anspruch eines Arztes aufAus-kunft, UnterlassungundLöschung seiner Datenauseinem Bewertungsportal Stellung genommen und damitdie Rechtsprechung der Instanzengerichte abschließendbestätigt. Im Einzelnen:Die Rechtsprechung hält personenbezogene Bewertungs-portale für zulässig. Einzelne Ärzte dürfen gegen ihrenWillen nur dann in ein Bewertungsportal aufgenommenwerden, wenn dies mit ihrem allgemeinen Persönlich-keitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ver-einbar ist. Das Grundrecht schützt die Selbstbestimmungund -darstellung des Arztes.Deshalb kann das Grundrecht dem Betroffenen ermög-lichen, unerwünschte Darstellungen der eigenen Personin der Öffentlichkeit zu unterbinden. Wie weit dieserSchutz reicht, entscheidet der Einzelfall. Im Bereich derSozialsphäre, das heißt im beruflichen Bereich, die imVergleich zur Intim- und Privatsphäre nicht gleicherma-ßen geschützt ist, sieht die Rechtsprechung bei einer Ne-gativbewertung das Persönlichkeitsrecht zwar regelmä-ßig als betroffen an, jedoch überwiegt „ ... zumeist dasRecht auf freie Meinungsäußerung, da nur eine Verlet-zung im Rahmen der Sozialsphäre gegeben ist“22 So zuletzt LG Kiel, Urt. v. 6.12.2013 – 5 O 372/13..Äußerungen im Rahmen der Sozialsphäre dürfen deshalbnur im Falleschwerwiegender Auswirkungen auf dasPersönlichkeitsrechtmit negativen Sanktionen verknüpftwerden, so etwa dann, wenn eine Stigmatisierung, sozia-le Ausgrenzung oder Prangerwirkung vorliegen.33 BGH, Urt. v. 23.6.2009 – VI ZR 196/08, NJW 2009, 2888; LG Düs-seldorf, Urt. v. 9.4.2013 – 5 O 141/12.Dafür geltenstrenge Maßstäbe.Erst dann, wenn beieiner Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung inder Sache, sondern dieHerabsetzung der Personim Vor-dergrund steht, diese gleichsam an den Pranger gestelltwerden soll, nimmt die Äußerung den Charakter einerunzulässigen Schmähung an44 BGH, Urt. v. 22.9.2009 – VI ZR 19/08, NJW 2009, 3580.. Eine reine Notenbewer-tung des Arztes beispielsweise erfüllt diese Kriterienmeist nicht, wenn sich aus dem dazugehörigen Kommen-tar die Gründe für die Benotung ergeben.55 LG München I, Urt. v. 28.5.2013 – 25 O 9554/13.In jedem Fall schützt das allgemeine Persönlichkeitsrechtvor entstellenden, verfälschenden sowie vor solchen Dar-stellungen, welche die Persönlichkeitsentfaltung erheb-lich beeinträchtigen können.66 Zuletzt BVerfG, Beschl. v. 13.6.2007 – 1 BvR 1783/05.Umgekehrt verleiht dasGrundrecht keinen Anspruch darauf, nur so in der Öf-fentlichkeit dargestellt zu werden, wie es dem eigenenSelbstbild entspricht. Denn dem Persönlichkeitsrechtsteht die Meinungsäußerungsfreiheit desjenigen gegen-über, der die Beurteilung abgegeben hat. Beide Grund-rechte müssen im Einzelfall gegeneinander abgewogenwerden. Werturteile sind zulässig, solange sie die Grenzezur Schmähkritik nicht überschreiten.77 So schon OLG Frankfurt, Urt. v. 8.3.2012 – 16 U 125/11.In einer Entscheidung des OLG München88 OLG München, Beschl. v. 17.10.2014 – 18 W 1933/14, zitiert nachDeutsches Ärzteblatt vom 17.11.2014, http://www.aerzteblatt.de.bekam einHNO-Arzt Recht, der gegen das Bewertungsportal „Ja-meda“ geklagt hatte. Ein Patient hatte im Kommentar-feld des Portals behauptet, der Arzt habe sich währendeines Hörtestes mit seiner Sprechstundenhilfe unterhal-ten, unter der Überschrift „kein guter Arzt“ den Ablaufder Behandlung geschildert und als „kurz“ bewertet. Inder Benotung hatte der Patient zudem die Kategorien Be-handlung, Vertrauensverhältnis und Betreuung mit derNote 6 und die Aufklärung und die genommene Zeitebenfalls mit der Note 5 bewertet.Nachdem der Arzt belegen konnte, dass es sich bei derÄußerung zum Hörtest um eine unwahre Tatsachenbe-hauptung handelte und die Darstellung des Behand-lungsablaufs unvollständig wiedergegeben worden war,verpflichtete sich „Jameda“, den Kommentar zu löschen.Das OLG wertete dabei die Schilderung unter der Über-schrift „Kein guter Arzt“ als unwahre Tatsachenbehaup-tung und untersagte die darauf beruhende Bewertungmit Noten. Dabei handele es sich zwar zweifelsfrei umMeinungsäußerungen, die grundgesetzlich geschützt sei-en, so der Senat. Dies gelte jedoch nicht unbeschränkt.Vielmehr sei eine Abwägung im Einzelfall geboten. Dievorliegende Meinungsäußerung sei zwar keine Schmäh-kritik, dennoch rechtswidrig, weil sie aufunwahren Tat-sachenbehauptungenberuhe. Erschwerend kommt ausSicht des Gerichts hinzu, dass die Negativbewertungnicht nur das Persönlichkeitsrecht des Arztes verletzt,sondern auch seine berufliche Existenz gefährden kann.Für die Ärzteschaft bedeutet das Urteil, dass sie sichkünftig nicht nur gegenfalsche, sondern auch gegenun-vollständige Tatsachenbehauptungenwehren kann.II. Ansprüche gegen den Bewertenden(Portalnutzer)Bewertungen werden anonym oder pseudonym abgege-ben. Dieser Umstand erschwert es dem betroffenen Arzt,HeinzÄrztebewertungen im Internet678GesR 11/2016
Published Online: 2016-11-16
Published in Print: 2016-11-01

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