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Aufrechnungsverbot auch bei Unternehmen unwirksam?

Published/Copyright: February 2, 2019
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AGReportRechts-ReportAnlegerschutzAufrechnungsverbot auch bei Unternehmenunwirk-sam?Anm. zu BGH v. 20.3.2018XI ZR 309/16 und BGH v. 4.7.2017XI ZR 562/15Die Allgemeinen Geschäftsbedingungender Banken sehen unterZiff. 4Grenzen der Aufrechnungsbefugnis des Kundenvor, dass derKunde gegen Forderungen der Bank nur aufrechnen kann, wenn sei-ne Forderungen unbestritten oder rechtskräftig festgestelltsind.uUrteil des BGH zur AufrechnungsklauselDer BGH hat mit Urteil vom 20.3.2018 festgestellt, dass eine vergleich-bare Klausel in den AGB-Sparkassen unwirksam ist (BGH v. 20.3.2018XI ZR 309/16). Die Klausel hat der Inhaltskontrolle gem.§307 Abs. 1Satz 1, Abs.Nr. 1BGB nicht stand gehalten.Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirk-sam, wenn sie den Vertragspartnerdes Verwenders entgegen denGebotenvon Treu und Glauben unangemessen benachteiligen(§307Abs.1Satz1BGB). Eine unangemesseneBenachteiligung ist im Zwei-fel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grund-gedanken der gesetzlichen Regelung,vonder abgewichen wird,nichtzu vereinbarenist (§ 307 Abs.2Nr. 1BGB).Nach§361 Abs.2Satz1BGB darf von den gesetzlichen Regelungenüber die Rechtsfolgen des Widerrufs (§§ 355 Abs.3Satz 1, 357aBGB),soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht zum Nachteil des Ver-brauchers abgewichen werden. Bei den gesetzlichen Vorgaben fürdas Widerrufsrecht handelt es sich damit um halbzwingendes Rechtzugunsten des Verbrauchers. AllgemeineGeschäftsbedingungen, diezum Nachteil des Kundengegen (halb-)zwingendesRecht verstoßen,benachteiligendiesen mit der Folge ihrer Unwirksamkeit unange-messen i.S.d.§307 Abs.1Satz1BGB.Ausgehend von diesem Maßstab führe die angegriffene Klauselzuei-ner unangemessenen Benachteiligung von Verbrauchern. Die Klauselerfasseaufgrund ihrer offenen Formulierungauch solcheForderun-gen, die dem Verbraucher im Rahmen des von §§ 355 Abs.3Satz 1,357a BGB geregelten Rückabwicklungsverhältnisses erwachsenundmit denen er gegen Ansprüche der Bank aufrechnenkann. Hierin lie-ge eine unzulässige Erschwerung des Widerrufsrechts, die sich wedermit dem Schutz von Kreditinstituten gegen die Aufrechnung mit er-dichteten oder sonstigen unbegründeten Gegenforderungen durchzahlungsunfähige oder unwillige Kunden noch mit möglichen Ver-pflichtungen der Bank im Verhältnis zur Deutschen Bundesbankrechtfertigen lässt.Das Urteil erging allerdingszueinem Verbrauchervertrag. Somit stelltsich die Frage, ob das Urteil entsprechend auf Unternehmen übertra-gen werden kann. Hier kann man sich am Urteil des BGH zu Bearbei-tungsgebühren orientieren.uUrteildes BGH zu BearbeitungsgebührenBei der Unwirksamkeit von Bearbeitungsgebühren hat der BGH seineRechtsprechung zu Verbrauchern auch auf Unternehmen übertra-gen.Mit Urteil vom 4.7.2017(BGH v. 4.7.2018XI ZR 562/15) hat der BGHfestgestellt, dass die in den beidenUrteilen vom 13.5.2014(BGH v.13.5.2014XI ZR 405/12; BGH v. 13.5.2014XI ZR 170/13) zur Beurtei-lung von Entgeltklauseln in Verbraucherkreditverträgen entwickeltenGrundsätze ebenso für Darlehensverträge gelten, die mit Unterneh-merngeschlossenwerden.Die angegriffeneKlausel unterliege auch bei Verwendung gegenübereinem Unternehmer nach§307 Abs.3Satz1BGB der Inhaltskontrol-le. Die als Preisnebenabrede einzuordnende Klausel hielt der Inhalt-skontrolle nicht stand. Die Klausel seiunwirksam, weildie Erhebungeines laufzeitunabhängigen Entgelts auch für die Bearbeitung einesUnternehmerdarlehens mit wesentlichen Grundgedanken der gesetz-lichenRegelung unvereinbar ist und die Kunden der Bank entgegenden Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt(§ 307 Abs.1Satz 1, Abs.2Nr. 1BGB). Das vom Kunden zu leistendeEntgelt war laufzeitunabhängig ausgestaltet und wich daher vom ge-setzlichenLeitbild des§488 Abs.1Satz2BGB ab, das ein laufzeit-abhängigesEntgelt für die Darlehensgewährung vorsieht. Außerdemhat die Bank damit Kosten auf den Kunden abgewälzt, die für die Er-füllung ihrer Hauptleistungspflicht anfallen.Durchdiese Abweichungen von wesentlichen Grundgedanken der ge-setzlichenRegelung wird eine unangemessene Benachteiligung desVertragspartners indiziert. Diese gesetzlicheUnwirksamkeitsver-mutung gilt, wie sich aus§310 Abs.1BGB ergibt,auch für Verträgemit Unternehmern. Die Vermutung des§307 Abs.2Nr. 1BGB warauch nicht widerlegt,weil die Klausel auf der Grundlageeiner umfas-senden Interessenabwägung den Kunden unangemessen benachtei-ligt. Die Abweichung vom gesetzlichen Leitbild war weder sachlichgerechtfertigt noch der gesetzlicheSchutzzweck auf andere Weise si-chergestellt.uÜbertragung auf Unternehmeneher unwahrscheinlichDer BGH stellt also darauf ab, ob die maßgeblichen Vorschriften, vondenendurch die Klausel abgewichen wird, gleichermaßen für Unter-nehmen gelten. Bei den Bearbeitungsgebührenwar das§488 Abs. 1Satz2BGB, der zweifelsohne auch für Unternehmen gilt. Beim Auf-R240AG17/2018
Published Online: 2019-02-02
Published in Print: 2018-09-01

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