Regelungsautonomie der Sportverbände vs. Kartellverbot – Zum Anwendungsbereich der Meca-Medina-Ausnahme
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Florian Bien
Zusammenfassung
Dieser Beitrag klärt das Verhältnis zwischen sportverbandlicher Regelungsautonomie und Kartellverbot. Ausgangspunkte sind das grundlegende Urteil des EuGH in der Rechtssache Meca-Medina und die Anwendung der vom Gerichtshof in Meca-Medina aufgestellten Grundsätze durch das EuG im Fall ISU. Der Beitrag weist nach, dass die vom Gerichtshof judizierte Einschränkung des Kartellverbots im Fall „rein sportlicher Regelwerke“ ihre Grundlage in der verfassungsrechtlich geschützten Vereinigungsfreiheit und der daraus resultierenden Regelungsautonomie der Verbände hat. Vor diesem Hintergrund lässt sich die vom EuGH in Meca-Medina durchgeführte Verhältnismäßigkeitsprüfung dogmatisch als Versuch deuten, praktische Konkordanz zwischen Verbandsautonomie und Wettbewerbsschutz herzustellen (II.5.). Angesichts der zentralen Bedeutung, die dem Grundrecht der Vereinigungsfreiheit als Bezugspunkt der Meca-Medina-Ausnahme zukommt, wird die sachliche und persönliche Reichweite der Meca-Medina-Ausnahme aufgefächert und abgegrenzt (III.1., III.2.). Unterschieden werden vier Grundtypen verbandlicher Regelwerke (I.2.). Es zeigt sich, dass Sportausübungsregeln im engeren und im weiteren Sinne sowie interne Organisationsregeln (Verbandsregeln des Typs 1 und 2) in den Schutzbereich der Verbandsautonomie fallen, weshalb hier eine Einschränkung des Kartellverbots aufgrund der Verhältnismäßigkeitsprüfung in Betracht kommt. Der darüberhinausgehende Versuch von Sportverbänden, das wettbewerbliche Verhalten von Verbandsmitgliedern gegenüber verbandsexternen Dritten oder gar von verbandsexternen Dritten selbst zu reglementieren (Regelungen des Typs 3 und 4) erfährt demgegenüber keine Privilegierung im Hinblick auf das Kartellverbot.
Abstract
The Autonomy of Sports Associations and the Prohibition of Restrictive Agreements – Application of the Meca-Medina Principles
The article clarifies the relationship between the autonomy of sports associations and the prohibition of restrictive agreements (Article 101 TFEU) in the light of the ECJ’s landmark judgement in the Meca-Medina case and the application of the Meca-Medina principles by the General Court in the recent ISU case. It is shown that the restriction of the general prohibition of restrictive agreements in the case of "purely sporting rules" as judged by the Court of Justice has its basis in the constitutional principle of association autonomy. In this context, the proportionality test applied by the ECJ in Meca-Medina can be interpreted dogmatically as an attempt to rightly balance the conflicting principles of autonomy of associations on the one hand and the protection of competition on the other. Considering the key importance of the fundamental right of autonomy of associations as a benchmark for the Meca-Medina exception, its factual and personal scope is elaborated and defined. A differentiation is to be made between four types of associational regulations. It is shown that sports rules in the narrower and broader sense as well as internal organisational rules (association rules of type 1 and 2) fall within the scope of protection of autonomy of associations, which is why the autonomy of association might restrict the conflicting principle of prohibition of restrictive practices. In contrast, attempts by sports associations to regulate the competitive behaviour of its members vis-à-vis third parties outside the association or even the competitive behaviour of third parties themselves (type 3 and 4 rules) do not enjoy any privilege regarding the prohibition of restrictive practices.
© 2021 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Aachener Str. 222, 50931 Köln.
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