Home History 16. Kapitel: Die schwierigen 70er Jahre
Chapter
Licensed
Unlicensed Requires Authentication

16. Kapitel: Die schwierigen 70er Jahre

Become an author with De Gruyter Brill
16.1 Chronologie der KriseDas „goldene Zeitalter“ der Aluminiumindustrie hatte sich zum Ende der 60er Jahremit neuen Produktions- und Absatzrekorden verabschiedet, die alles bisher Erreichte inden Schatten stellten. 1969 legte der Aluminiumverbrauch in der westlichen Welt nocheinmal fast zehn Prozent zu, nachdem im Vorjahr bereits ein Zuwachs von über sech-zehn Prozent erreicht worden war. Schon bald nach Beginn des Jahres 1970 war jedochzu erkennen, dass sich der weltweite Boom, der das wirtschaftliche Geschehen seit 1968bestimmte, seinem Ende zuneigte. In den meisten Industrieländern waren die Regierun-gen und Zentralbanken schon in der zweiten Hälfte der 60er Jahre zu einer restriktivenGeld- und Wirtschaftspolitik übergegangen, um der überschäumenden Konjunktur Herrzu werden. In der Bundesrepublik hatte die Bundesbank den Diskontsatz im Laufe desJahres 1969 in mehreren Stufen von drei auf sechs Prozent angehoben. Zur Förderungder Einfuhren wurde eine 4 %ige Importprämie eingeführt, in deren Genuss auch dieImporteure von Aluminium und Aluminiumprodukten kamen. Für einen noch stärke-ren Importdruck sorgte die Aufwertung der D-Mark im September 1969, die die Ein-fuhren aus dem Ausland um rund neun Prozent verbilligte. Seit Beginn des Jahres 1970zeigten die staatlichen Maßnahmen zur Dämpfung der Konjunktur zunehmend Wir-kung und führten bald auch auf den Aluminiummärkten zu einer deutlichen Entspan-nung. In der Bundesrepublik stagnierte der Aluminiumverbrauch praktisch auf Vorjah-resniveau und auch in den anderen Ländern der westlichen Welt war 1970 nur noch einschwacher Anstieg zu verzeichnen. In den Konzernzentralen der Aluminiumgesellschaf-ten reagierte man auf diese Entwicklung zunächst mit Gelassenheit. Man ging voneiner vorübergehenden Absatzstockung aus und hielt bis in das Jahr 1971 hinein an deroptimistischen Einschätzung der Lage fest1. Dazu mag beigetragen haben, dass sich derAluminiumabsatz trotz der weltweiten Konjunkturabkühlung auf einem bemerkenswerthohen Niveau hielt. Das volle Ausmaß der Krise wurde erst deutlich, als die zwischen-zeitlich fertiggestellten neuen Hütten mit ihrer Produktion auf den Markt drängten.Wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, nahmen die Hüttenkapazitäten in derwestlichen Welt in der ersten Hälfte der 70er Jahre um mehr als fünfzig Prozent zu16.KapitelDie schwierigen 70er Jahre

16.1 Chronologie der KriseDas „goldene Zeitalter“ der Aluminiumindustrie hatte sich zum Ende der 60er Jahremit neuen Produktions- und Absatzrekorden verabschiedet, die alles bisher Erreichte inden Schatten stellten. 1969 legte der Aluminiumverbrauch in der westlichen Welt nocheinmal fast zehn Prozent zu, nachdem im Vorjahr bereits ein Zuwachs von über sech-zehn Prozent erreicht worden war. Schon bald nach Beginn des Jahres 1970 war jedochzu erkennen, dass sich der weltweite Boom, der das wirtschaftliche Geschehen seit 1968bestimmte, seinem Ende zuneigte. In den meisten Industrieländern waren die Regierun-gen und Zentralbanken schon in der zweiten Hälfte der 60er Jahre zu einer restriktivenGeld- und Wirtschaftspolitik übergegangen, um der überschäumenden Konjunktur Herrzu werden. In der Bundesrepublik hatte die Bundesbank den Diskontsatz im Laufe desJahres 1969 in mehreren Stufen von drei auf sechs Prozent angehoben. Zur Förderungder Einfuhren wurde eine 4 %ige Importprämie eingeführt, in deren Genuss auch dieImporteure von Aluminium und Aluminiumprodukten kamen. Für einen noch stärke-ren Importdruck sorgte die Aufwertung der D-Mark im September 1969, die die Ein-fuhren aus dem Ausland um rund neun Prozent verbilligte. Seit Beginn des Jahres 1970zeigten die staatlichen Maßnahmen zur Dämpfung der Konjunktur zunehmend Wir-kung und führten bald auch auf den Aluminiummärkten zu einer deutlichen Entspan-nung. In der Bundesrepublik stagnierte der Aluminiumverbrauch praktisch auf Vorjah-resniveau und auch in den anderen Ländern der westlichen Welt war 1970 nur noch einschwacher Anstieg zu verzeichnen. In den Konzernzentralen der Aluminiumgesellschaf-ten reagierte man auf diese Entwicklung zunächst mit Gelassenheit. Man ging voneiner vorübergehenden Absatzstockung aus und hielt bis in das Jahr 1971 hinein an deroptimistischen Einschätzung der Lage fest1. Dazu mag beigetragen haben, dass sich derAluminiumabsatz trotz der weltweiten Konjunkturabkühlung auf einem bemerkenswerthohen Niveau hielt. Das volle Ausmaß der Krise wurde erst deutlich, als die zwischen-zeitlich fertiggestellten neuen Hütten mit ihrer Produktion auf den Markt drängten.Wie wir im vorigen Kapitel gesehen haben, nahmen die Hüttenkapazitäten in derwestlichen Welt in der ersten Hälfte der 70er Jahre um mehr als fünfzig Prozent zu16.KapitelDie schwierigen 70er Jahre

Chapters in this book

  1. Frontmatter 1
  2. Inhaltsverzeichnis 5
  3. Vorwort 9
  4. Teil I. Turbulente Jugendjahre – von der Erfindung der Schmelzflusselektrolyse bis zur Weltwirtschaftskrise (1886–1933)
  5. 1. Kapitel: Die Erfindung der Schmelzflusselektrolyse und ihre Bedeutung für die Entstehung der Aluminiumindustrie 15
  6. 2. Kapitel: Die Anfänge der deutschen Aluminiumindustrie in der Zeit bis zum Ersten Weltkrieg 23
  7. 3. Kapitel: Die deutsche Aluminiumhüttenindustrie – ein Kind des Ersten Weltkrieges 59
  8. 4. Kapitel: Bewährungsprobe – Die deutsche Aluminiumhüttenindustrie in den 20er Jahren 85
  9. 5. Kapitel: Die Aluminium verarbeitende Industrie in der Nachkriegszeit 111
  10. 6. Kapitel: Die Aluminiumindustrie in der Zeit der Weltwirtschaftskrise 139
  11. Teil II. Aufstieg und tiefer Fall: Die deutsche Aluminiumindustrie im Dritten Reich (1933–1945)
  12. 7. Kapitel: Die Rolle der Aluminiumindustrie in der Rüstungs- und Autarkiepolitik des Naziregimes 155
  13. 8. Kapitel: Der Ausbau der Kapazitäten 171
  14. 9. Kapitel: Der Krieg und das bittere Ende 203
  15. Teil III. Das goldene Zeitalter der Aluminiumindustrie (1945–1974)
  16. 10. Kapitel: Vom Kriegsmetall zum Gebrauchsmetall – die Eroberung der zivilen Absatzmärkte 235
  17. 11. Kapitel: Ein schwieriger Neubeginn. Die Aufholjagd der deutschen Aluminiumindustrie 257
  18. 12. Kapitel: Die Aluminiumwalzwerksindustrie in der Nachkriegszeit 279
  19. 13. Kapitel: Presser, Gießer und Folienhersteller 305
  20. 14. Kapitel: Die Rohstoffversorgung der deutschen Aluminiumindustrie 327
  21. 15. Kapitel: Der Hüttenboom am Ende der 60er Jahre 351
  22. Teil IV. Zeit der Reife (1970–1986)
  23. 16. Kapitel: Die schwierigen 70er Jahre 383
  24. 17. Kapitel: Die Aluminiumindustrie im Wandel 413
  25. 18. Kapitel: Bewährung in einer veränderten Welt 439
  26. Anhang Die Aluminiumindustrie in der ehemaligen DDR (1945–1990) 475
  27. Quellenverzeichnis 481
  28. Bildquellen 489
  29. Personenregister 491
  30. Firmen- und Organisationsregister 493
Downloaded on 19.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1524/9783110351385.383/html?licenseType=restricted&srsltid=AfmBOoooPzFTJCVhveMlUrTz126vS3qCJyEHEClpBkUmBIrBjVg2hWvy
Scroll to top button