Startseite Wie entsteht „Flow“ in einem Unternehmen?
Artikel Öffentlich zugänglich

Wie entsteht „Flow“ in einem Unternehmen?

Teil 3: Anforderungen an die Strategie- und Führungsarbeit
  • Andreas Wendt

    Prof. Dr.-Ing. Andreas Wendt studierte nach einer Ausbildung an der Bayerischen Staatslehranstalt für Fotografie Allgemeinen Maschinenbau an der TU München. Er promovierte über „Qualitätssicherung in flexibel automatisierten Montagesystemen“. Bei der Robert Bosch GmbH durchlief er verschiedene Führungsfunktionen im Produktionsbereich, zuletzt war er Werkleiter des Bremsenwerks in Barcelona. Bei der BMW AG führte er zunächst als Leiter Strategieentwicklung des Produktionsressorts das Wertschöpfungsorientierte Produktionssystem (WPS) ein. Danach wurde er Leiter Produktion „Fahrwerks- und Antriebskomponenten“, Geschäftsführer der BMW Motoren GmbH in Steyr und Leiter der BMW Group Werke Regensburg und Dingolfing. 2018 wurde er in den Vorstand der BMW AG für Einkauf und Lieferantennetzwerk berufen. Als Chairman der European Foundation for Quality Management (EFQM) setzte sich Dr. Wendt von 2013 bis 2018 für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und Organisationen ein und brachte das Streben nach Business-Excellence maßgeblich voran. Seit 2023 ist Dr. Wendt u. a. Vorsitzender des Aufsichtsrats der Ingenics AG. 2024 wurde er zum Honorarprofessor der TU München für Unternehmensführung bestellt.

    EMAIL logo
Veröffentlicht/Copyright: 30. April 2025
Veröffentlichen auch Sie bei De Gruyter Brill

Abstract

Wie entsteht Leidenschaft in einem Unternehmen? Nach der Vorstellung eines ganzheitlichen Modells für Unternehmensexzellenz (Teil 1) und der Verankerung von Qualitäts- und Effizienzstreben in der Prozessebene (Teil 2) sollen nun im dritten Teil dieser Beitragsserie Anforderungen an die Strategie- und Führungsarbeit der Leitungsebene untersucht werden. Diese muss ebenso strukturiert gestaltet und kritisch reflektiert werden wie auch alle anderen Prozesse des Unternehmens. Auf der Basis exzellenter Abläufe im Kernwertschöpfungsprozess entstehen Freiräume, diese Anforderungen zu erfüllen.

Abstract

How do you generate passion at a company? After presenting a holistic model for corporate excellence (part 1) and anchoring quality and efficiency efforts at process level (part 2), part 3 will now investigate requirements relating to strategy and leadership work at management level. This requires just as much structure and critical reflection as any other process in the company. Excellent procedures in the core value creation process are a sound basis for creating the freedom to meet these requirements.

Einordnung und Prämissen

Im ersten Teil dieser Beitragsreihe wurde anhand des dreidimensionalen Modells für Unternehmensexzellenz aufgezeigt, dass die Leistungsfähigkeit des Kernwertschöpfungsprozesses wesentlich von der Wirksamkeit eines ganzheitlichen und systemischen Vorgehens in Operative und Strategie (rationale Achse) sowie von Führung und Werten (emotionale Achse) abhängt [1]. Nur wenn alle diese Themen genauso strukturiert, systematisch und konsequent gestaltet, verbessert und reflektiert werden wie das Vorgehen in der physischen Welt der Prozesse (Teil 2) [2], entsteht die Chance einer umfassenden, dauerhaften und nachhaltigen Persönlichkeitsentwicklung eines Unternehmens.

Die Verantwortung für Strategie, Führung und Werte obliegt im Kern der Leitungsebene des Unternehmens. Im Zusammenspiel mit der eigenverantwortlichen Umsetzung der strategischen Vorgaben durch Führungskräfte und Mitarbeitende der Operative entsteht eine gemeinsame Verantwortung aller Beteiligten für das Unternehmen. Dies ist die Voraussetzung für die Erzeugung von Flow, die dann im vierten und letzten Teil der Veröffentlichung untersucht werden soll.

Zielerarbeitung (Strategie, Führung, Werte) und Zielumsetzung (Prozesse, Geschäftsergebnisse, Eigenverantwortung, Haltung) bedingen sich gegenseitig. Es besteht aber auch ein kapazitiver Zusammenhang dieser beiden Welten: Strategiearbeit erfordert zeitliche Souveränität der Unternehmensleitung, über welche diese nur verfügt, wenn sie die operativen Herausforderungen des Unternehmens im Griff hat. Vereinfacht gesagt: Wer bis Mittwochabend seine operativen Hausaufgaben erledigt hat, kann am Donnerstag und Freitag an seiner Strategie arbeiten. Wer sich jedoch auch noch am Wochenende mit ungelösten Prozessproblemen herumschlägt, hat dafür keine Zeit. Es geht also um die Erzeugung von Freiräumen durch gezielt gesteigertes Qualitäts- und Effizienzstreben in der Operative und die Nutzung dieser Kapazität zur weiteren Verbesserung der strategischen Aufstellung und Führung des Unternehmens. Dies kann wiederum in weiteren operativen Vortrieb umgesetzt werden [3]. Im Folgenden sollen am Beispiel des BMW-Werks Regensburg Ansatzpunkte für eine strukturierte, effiziente und nachhaltig wirksame Strategie- und Führungsarbeit aufgezeigt werden.

Gedankenspiele und die Arbeit am Zielbild als Groborientierung

„Wer sind wir? Wo wollen wir hin? Wer wollen wir sein?“ sind Fragen, die auch für die Persönlichkeitsentwicklung eines Unternehmens von zentraler Bedeutung sind. Durch eine Loslösung von aktuellen und gewohnten Ansatzpunkten kann es gelingen, Chancen zu entwickeln und Risiken zu erkennen, bevor sie eintreten. Soll sich ein seit Jahrzehnten etabliertes Automobilwerk mit seinen milliardenschweren physischen und personellen Investitionen „neu denken“, bedarf es erheblicher Führungsimpulse. „Geistig freigeschnitten“ als eigenständiges Unternehmen (vgl. Teil 1) [1] kann der Vergleich mit einem unabhängigen Produktionsdienstleister ein erster Ansatz sein.

Das Gedankenspiel eines Management-Buyouts kann die unternehmerische Perspektive verstärken. Ein vehementeres Szenario wie zum Beispiel ein Meteoriteneinschlag würde die Frage aufwerfen, ob und unter welchen Voraussetzungen überhaupt wieder ein Werk in der Oberpfalz errichtet würde. Solche mentalen „Verrückungen“ ermöglichen es, überfällige Veränderungsbedarfe zu erkennen und Ansprüche zu radikalisieren – was einen offenen und strukturierten Diskurs, Überzeugungskraft und Integrität voraussetzt.

In regelmäßigen und strukturierten Strategiegesprächen erarbeitete der Werkleitungskreis die Eckpunkte einer Zukunftsperspektive: absolut fehlerfreie Produkte, effizientestes Automobilwerk unternehmensweit und im Vergleich mit externen Volumenherstellern, völlig „geräuschlose“ Fahrzeuganläufe sowie begeisterte Kunden und Mitarbeiter.

Dieses „neue“ Unternehmen wurde mit wenigen „radikalisierten“ Kennzahlen grundlegend beschrieben, um die veränderte Leistungsfähigkeit in den folgenden drei bis fünf Jahren messbar zu machen. Die Ziele wurden so angespannt, dass sie mit einem engagierten „weiter so wie heute“ keinesfalls erreichbar waren. Dennoch durfte eine Erreichung nicht unmöglich sein.

Immer wieder wurde hinterfragt, ob die qualitativen und quantitativen Ziele hinreichend vollständig und anspruchsvoll genug sind, um zwingend zum gewünschten Gesamtzustand und zu einer dauerhaften Formung des Verhaltens der Organisation zu führen.

Der Blick zurück aus der Perspektive der Zielerreichung zeigte auf, welche Schritte pro Jahr gegangen werden müssen, um das Gesamtziel konsistent zu erreichen. Nicht alles wurde bis ins letzte Detail ausformuliert. Es ging darum, die Möglichkeit einer „anderen Welt“ im Denken aller realistisch zu verankern und dann loszulegen – und nicht nur darüber zu reden [4].

Ein weiterer Schritt war, alle direkten und insbesondere indirekten Prozesse und Ressourcen dieses neuen Unternehmens vom perfektionierten Kernwertschöpfungsprozess ausgehend, von „innen nach außen“, neu und minimalistisch zu denken und zu definieren [5].

Arbeit am Kriterienmodell als Feinorientierung

Nach der grundlegenden Beschreibung des Unternehmensziels war der Vergleich mit den Kriterien eines ganzheitlichen Exzellenzmodells ein weiterführender Schritt. Das EFQM-Modell [6] bietet hier einen umfangreichen und pragmatischen Kriterienkatalog aller Aspekte und Wirkzusammenhänge.

Zu den acht fundamentalen Konzepten (vgl. Teil 1) [1] werden 55, zu den Kategorien Führung, Strategie, Mitarbeiter, Partnerschaften, Ressourcen, Prozesse, Produkte/Dienstleistungen und Ergebnisse 147 bestmögliche Ausprägungen als Thesen postuliert, an denen man sich im Strategieprozess kritisch hinterfragen und „reiben“ kann.

Sie lauten beispielsweise: Exzellente Organisationen …

  1. vergleichen ihre Leistung mit relevanten besten Organisationen und lernen von deren Stärken und Verbesserungsmöglichkeiten, um optimalen Kundennutzen zu schaffen;

  2. bewerten und entwickeln das Technologieportfolio zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit von Prozessen, Projekten und der Organisation;

  3. inspirieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch ihre Handlungen, ihr Verhalten und ihre Erfahrung und schaffen eine Kultur der Einbeziehung, der Zuständigkeit, der Ermächtigung, der Verbesserung und der Verantwortlichkeit;

  4. zeigen positive Trends oder anhaltend gute Schlüsselergebnisse über die letzten drei Jahre.

Die Anwendung dieser „Exzellenzsprache“ diente zudem der Diskursfähigkeit des Managements sowie einer Vergleichsmöglichkeit mit anderen Unternehmen, die sich auf ihrem Geschäftsfeld ebenfalls einem strukturierten Veränderungsprozess unterziehen.

Zielverankerung

Bei der Verankerung der definierten Ziele in der gesamten Organisation galt es mehrere Aspekte sicherzustellen:

  1. Auf jeder Ebene der Hierarchie müssen die Beiträge zum Unternehmensziel vollständig, nachvollziehbar und in sich logisch verknüpft ankommen. Dazu müssen die Zielgrößen in die Arbeitsrealität der jeweiligen Ebenen und Bereiche übersetzt werden und dort Handlungsspielräume ermöglichen. Ein Vorarbeiter kann in seinem Bandabschnitt mit „parts per million (ppm)“ als Kennwert für Qualität wenig anfangen. Mit „Fehlerrückmeldungen aus dem Finish-Bereich je Arbeitstag“ hingegen sehr viel (vgl. Teil 2) [2].

  2. Bewährt hat sich die Vereinbarung der Ziele im „Drei-Ebenen-Verfahren“. Um sicherzustellen, dass der Gesamthintergrund der Veränderungen nicht verloren geht, ist die übergeordnete Führungskraft bei der Zielvereinbarung zwischen Vorgesetzten und nachgeordneten Führungskräften stets dabei und kann Missverständnisse oder Übertragungsverluste korrigieren.

  3. Dieser „vertikale Zieleprozess“ funktioniert üblicherweise routiniert. Schwieriger gestaltet sich der „horizontale Zieleabgleich“ in der Prozesskette. Ganzheitlich wirksame Zielentfaltung im Unternehmen kann nur entstehen, wenn die Ziele aller Prozesskettenpartner widerspruchsfrei aufeinander abgestimmt sind. Schon innerhalb der eigenen Organisation eines Werkes gibt es hier viel zu tun; umso mehr, wenn der Abgleich zwischen verschiedenen Unternehmensbereichen erfolgen soll [7].

Balance und Verknüpfung von Befähigern und Ergebnissen

Ziele und Ergebnisse können nur erreicht werden, wenn zielführende Maßnahmen erarbeitet werden, die im EFQM-Modell als „Befähiger“ bezeichnet werden. Es gilt: „Kein Ergebnis ohne Befähiger“, genauso aber auch: „Kein Befähiger ohne Ergebnis“. Eine Qualitätsinitiative ist nur sinnvoll, wenn überprüft wird, ob sich die Qualitätskennzahlen auch tatsächlich verbessern. Das klingt logisch, dennoch findet man in Unternehmensleitungen häufig völlig entkoppelte Diskussionen vor. So werden einerseits im Monatsrhythmus Kennzahlen ohne tiefere Ursachenbetrachtung diskutiert und andererseits auf jährlichen Strategietagen beherzte Veränderungsinitiativen ohne klaren Ergebnisbezug gestartet.

In Regensburg wurde deshalb eine „Ergebnis-Befähiger-Matrix“ (Bild 1) entwickelt, in der alle Ergebnisgrößen auf der einen Achse und alle Projekte, Befähiger und Initiativen auf der anderen Achse dargestellt wurden. Dann wurde versucht, den Befähigern eindeutige und messbare Ergebnisbeiträge zuzuordnen sowie die geforderten Ergebnisverbesserungen auf eindeutige Befähiger zurückzuführen.

Bild 1 Ergebnis-Befähiger-Matrix
Bild 1

Ergebnis-Befähiger-Matrix

Erste Korrelationsversuche verliefen ernüchternd: Nur in wenigen Fällen konnten – wenn überhaupt – klare Bezüge hergestellt werden. Der daraus entstehende Diskurs war aber äußerst fruchtbar und verbesserte die Logik des Vorgehens schrittweise. Durch eine kritische Überprüfung der Leistbarkeit der Vielzahl geplanter Initiativen konnte zudem eine erhebliche Verbesserung der Wirksamkeit erreicht werden.

Diese Matrix etablierte sich als wesentlicher Bestandteil der jährlichen Zielvereinbarung mit dem Vorstand und als flächiges Steuerungselement bis zur Vorarbeiterebene. Sie stellte eine elementare Voraussetzung für ein logisch schlüssiges und inhaltlich koordiniertes manageriales Vorgehen dar und führte maßgeblich zur ganzheitlichen Zielerreichung und zu gemeinsamen Erfolgserlebnissen.

Innerjährige Zielverfolgung und mehrjähriger Strategiekreislauf

Eine wirksame unternehmerische Veränderung kann nur gelingen, wenn über etliche Jahre hinweg ein strategischer Weg nachhaltig verfolgt wird. Hierzu ist es notwendig, die mehrjährige Strategieumsetzung und die innerjährige Zielerreichung in Regelkreise zu überführen und beide Kreisläufe zu verknüpfen (Bild 2). Dies erfolgte in einem jährlichen Strategie-Review, bei dem die reale Zielerreichung des abgelaufenen Jahres kritisch analysiert und gleichzeitig die Auswirkung von Unternehmensvorgaben und Erkenntnisse aus Benchmarks, Kunden- und Mitarbeiterbefragungen in die Strategie eingearbeitet wurden. Daraus wurde ein Zielvorschlag für das kommende Jahr erarbeitet, der nach der finalen Zielvereinbarung dann die „Scorecard“ für die monatliche Zielverfolgung im neuen Jahr ergab.

Bild 2 Zwei Kreisläufe der Strategiearbeit
Bild 2

Zwei Kreisläufe der Strategiearbeit

Die kritische Reflexion der obersten Unternehmensleitung über die Umsetzung und Relevanz der von ihr selbst vorgegebenen Strategie stellt höchste Ansprüche an ihre Souveränität. Eine Uminterpretation von Rückmeldungen oder ein Verweis auf das Unvermögen nachfolgender Führungsebenen oder Prozesspartner sind Warnsignale eines falschen Rollen- und Verantwortungsverständnisses und unbedingt zu unterbinden.

Im Werk Regensburg wurde der geschilderte Prozess über acht Jahre hinweg konsequent umgesetzt. Er führte zu nachweislichen und dauerhaften Erfolgen in allen Schlüsselkenngrößen und zur nachhaltigen Formung einer Unternehmenspersönlichkeit, die bis heute spürbar ist.

Mit zunehmendem Fortschritt wuchs die Freude am Vergleich insbesondere auch in Exzellenzwettbewerben. Hierzu war eine umfangreiche Beschreibung des eigenen Vorgehens gegenüber externen Assessoren notwendig, die äußerst erhellend und hilfreich war. Viele Abläufe, die in der Innensicht vernünftig und bewährt erschienen, ließen sich externen Führungskräften anderer Branchen nicht logisch plausibel erklären und ergaben neue Ansatzpunkte. Die in systematisch strukturierten Feedbackberichten erhaltenen Hinweise auf mögliche Potenziale stellten sich zu etwa 70 Prozent als zielführend heraus. Dennoch erzeugten manche Hinweise Enttäuschung, weil man sich schon weiter geglaubt hatte oder falsch verstanden fühlte. Doch wie bei jedem Feedback waren zunächst als schmerzhaft empfundene Hinweise oft die auf lange Sicht lohnendsten Rückmeldungen. Die umsichtige Begleitung der Führungsmannschaft in diesem Prozess war eine wichtige Führungsaufgabe.

Führung und Werte

Ebenso strukturiert wie der Strategieprozess wurde der Führungsprozess bearbeitet. Er war geleitet von der Frage, für welche Werte die oberste Leitung steht, was diese Werte konkret bedeuten und an welchen Kriterien die oberste Leitung und die nachfolgenden Führungsebenen ihre Führungsleistung messen lassen wollen.

Elf Ansprüche an die eigene Führungsleistung wurden formuliert (Bild 3):

Bild 3 Führungskriterien und Ausprägungen mit jährlichen Bewertungsverläufen
Bild 3

Führungskriterien und Ausprägungen mit jährlichen Bewertungsverläufen

  1. Sinn geben

  2. Vertrauen schaffen

  3. Vorbild sein

  4. Menschen einschätzen, fordern und fördern

  5. Wertschätzung zeigen

  6. sich positionieren

  7. sich der eigenen Rolle bewusst sein

  8. eigenes Verhalten und Handeln reflektieren

  9. Treiber und Vordenker sein

  10. organisationsübergreifend zusammenarbeiten

  11. kompetent sein.

Wesentlich war eine detaillierte Beschreibung der Kriterien und ihrer konkreten Ausprägung, beispielsweise „Vertrauen schaffen“

  1. ehrlich und offen sein

  2. für Mitarbeiter einschätzbar und verlässlich sein

  3. Reden und Handeln in Übereinstimmung bringen

  4. Handlungsspielräume ermöglichen

  5. Mitarbeitern den Rücken stärken

oder „Sich positionieren“

  1. Erwartungen klar äußern

  2. Positives wie Negatives klar rückmelden

  3. eigene Meinung mutig vertreten

  4. klare Entscheidungen treffen und vertreten

  5. konsequent zu Beschlüssen und Abmachungen stehen.

Nach der Verabschiedung dieser Kriterien und Auslegungen im Werkleitungskreis wurde den nächsten Führungsebenen die Möglichkeit gegeben, diese zu reflektieren und ihren Gegebenheiten anzupassen. Die Grundkonzeption war jedoch gesetzt und wurde auch nie in Frage gestellt. Auf der Meister- und Vorarbeiterebene wurden die elf Kriterien auf fünf verdichtet.

Es stellte sich zudem heraus, dass die erarbeiteten Kriterien sehr gut mit dem bei BMW eingeführten Bewertungsschema für Führungskräfte korrelieren, das gleichgewichtet zum einen die Zielerreichung und zum anderen drei Führungsaspekte betrachtet: Managing Business, Leading People und Leading Yourself.

Nachdem nun ein vertiefter Anspruch an Führung definiert und in der gesamten Organisation etabliert war, galt es, diesen auch zur Richtschnur für die Bewertung und kontinuierliche Verbesserung der Führungsleistung aller Führungskräfte – insbesondere der Werkleitung selbst – zu machen.

Ein wesentlicher Schritt dazu war eine jährliche Veranstaltung mit allen 350 Führungskräften des Werkes bis auf Meisterebene, in der diese die Führungsleistung des Werkleitungskreises im abgelaufenen Jahr anhand der elf Kriterien in einem fünfstufigen Bewertungsschema (1 = schwach, 5 = stark) beurteilen konnten (Bild 4). Diese Rückmeldung wurde in einem Spinnendiagramm eingetragen und dort mit dem Selbstbild der Werkleitung verglichen. Danach folgte eine Diskussion zu Stärken und Schwächen sowie zu Abweichungen in der Wahrnehmung. In dieser etwa einstündigen offenen und respektvollen Aussprache kristallisierten sich jedes Jahr etwa drei Themen mit Verbesserungschancen heraus. Diese wurden im Laufe des Jahres in einer strukturierten Abfolge von Arbeitsgesprächen in hierarchisch und bereichsmäßig gemischten Teams vertieft und Ansatzpunkte zur Verbesserung erarbeitet und umgesetzt. Der „Proof of the Pudding“ erfolgte wiederum in der nächsten Jahresveranstaltung, in deren Verlauf die Veränderungen der Rückmeldungen deutlich wurden.

Bild 4 Jährliche Bewertung der Führungsleistung der Werkleitung durch 350 Führungskräfte
Bild 4

Jährliche Bewertung der Führungsleistung der Werkleitung durch 350 Führungskräfte

Während der achtjährigen Leitungstätigkeit des Autors in Regensburg konnte parallel zu einer steten Verbesserung aller unternehmerischen Schlüsselergebnisse eine ebenso kontinuierliche Verbesserung der Führungsleistung nachgewiesen werden.

Wirklich verändernd und vertrauensbildend war aber die Tatsache, dass sich die Werkleitung selbst überhaupt der kritischen Bewertung durch die Führungskräfte stellte, bevor sie ihrerseits die Führungsleistung der Führungskräfte bewertete. Auch die Führungskräfte stellten sich jährlich den Rückmeldungen ihrer Mitarbeiter. Dies war ein wesentlicher Schritt eines Kulturwandels im Sinne eines gegenseitigen Vertrauens und einer gemeinsamen Verantwortung für den Standort, der eine enorme Verantwortungsfreude und Leistungsbereitschaft freisetzte.

Wirkprinzipien

Zusammengefasst kann man folgende Wirkprinzipien erfolgreicher Strategie- und Führungsarbeit festhalten:

  1. Wirksame Strategiearbeit beginnt mit der Infragestellung bisheriger Prämissen und justiert den Geschäftszweck neu. Eigentlich geht es um den Sinn einer Organisation und ihren dienenden Beitrag zum Gesamtunternehmen und Kundennutzen.

  2. „Denkspiele“ als autarkes Unternehmen unterstützen diesen Prozess.

  3. Unternehmen hindern Teilbereiche selten daran, sich unternehmerisch eigenständig zu denken. Sie fordern sie allerdings auch nicht dazu auf. Wenn sich die Geschäftsergebnisse bei konsequent umgesetzter Strategiearbeit zügig verbessern, wird man kaum „zurückgepfiffen“.

  4. Die hinreichende Vollständigkeit aller behandelten Aspekte im Sinne eines ganzheitlichen Vorstellungsmodells (vgl. Teil 1) [1] ist eine wesentliche Voraussetzung für den Erfolg der Strategie. Das am schwächsten ausgearbeitete Teilelement definiert die Stärke der Strategie.

  5. Konsequent umgesetzte Strategiearbeit der obersten Leitung ist der Garant für die Zukunft des Unternehmens. Sie ist das Gegenstück zu unternehmerischem Handeln und Eigenverantwortung auf der Mitarbeiterebene. So entsteht die Vertrauensbasis für eine stabile und moderne Sozialpartnerschaft.

  6. Die Unternehmensleitung kann sich in diesem Prozess moderieren und unterstützen lassen. Für die Schürftiefe und die Ergebnisse in diesem Prozess ist sie allein verantwortlich.

  7. Wirksame Strategiearbeit erfordert inhaltliche Offenheit und konstruktiven Diskurs, Vertrauen und Verantwortungswillen sowie ein strukturiertes systemisches Vorgehen.

  8. Die offene Annahme von externem Feedback zum Beispiel in Assessments, Wettbewerben und Benchmarks kann wesentliche Erkenntnisse befördern. Dies erfordert allerdings eine umsichtige Begleitung der Führungskräfte durch die oberste Leitung, um klassische Abwehrreaktionen zu unterbinden.

  9. Strategien scheitern meist nicht am intellektuellen Gehalt ihres Ansatzes, sondern an inkonsequenter oder unvollständiger Umsetzung und mangelnder Resonanz in der Organisation.

  10. Die oberste Leitung ist in jeder Hinsicht und zu jedem Zeitpunkt stilbildend für das Denken und Handeln einer Organisation – im Guten wie im Schlechten. Mittlere Führungskräfte und Mitarbeiter spiegeln lediglich das Verhalten der obersten Leitung wider. Hart gesagt: Man hat die Mitwirkenden, die man verdient.

  11. Die oberste Leitung trägt die alleinige Verantwortung für die Werte in einem Unternehmen und hat das Primat der Wertesetzung.

  12. Werte einer Organisation sind keine humanistischen Manifeste. Es geht um konkrete Handlungs- und Wertevorgaben – für alle übersetzbar, verbindlich und erkennbar gültig in der Krise.

  13. Dysfunktionale Werte und fehlende Führung sind auch eine prägende Setzung.

  14. Führung erzeugt konstruktive Resonanz in der Organisation.

  15. Führung ist Zuhören und Senden. Kommunikation ist Dialog und nicht Beschallung.

  16. Führung ist zwar persönlich geprägt, aber keinesfalls ins Belieben von Führungskräften gestellt. Verbindliche Führung ist Voraussetzung für die Erreichung anspruchsvoller Unternehmensziele.

  17. Führung ist ein zentraler Punkt im Exzellenzstreben einer Organisation. Umgekehrt formt Exzellenzstreben auch eine konsistente Führungsstruktur.

  18. Wirksame Strategiearbeit und Führung erfordern Reflektion. Nur wer Feedback fordert und aushält, kann sich verbessern.

Der Philosoph und Wissenschaftstheoretiker Karl Popper hat es so formuliert: „In der bewussten Kritik, in der Selbstkritik (…) scheinen wir der Natur vielleicht etwas überlegen zu sein“ [8].

Ausblick

Im nächsten und letzten Teil werden Erfordernisse und Erfolgsfaktoren eines langjährigen Vorgehens einer Organisation auf dem Weg zum exzellenten Unternehmen aufgezeigt. Der fundamentale Anspruch an die Führungsleistung der obersten Leitung wird mit sieben Paradigmen geschärft. Den Abschluss stellt die Analogie der Unternehmensentwicklung zur Maslowschen Bedürfnispyramide dar.


Hinweis

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen von den Mitgliedern des ZWF-Advisory-Board wissenschaftlich begutachteten Fachaufsatz (Peer Review).


About the author

Prof. Dr.-Ing. Andreas Wendt

Prof. Dr.-Ing. Andreas Wendt studierte nach einer Ausbildung an der Bayerischen Staatslehranstalt für Fotografie Allgemeinen Maschinenbau an der TU München. Er promovierte über „Qualitätssicherung in flexibel automatisierten Montagesystemen“. Bei der Robert Bosch GmbH durchlief er verschiedene Führungsfunktionen im Produktionsbereich, zuletzt war er Werkleiter des Bremsenwerks in Barcelona. Bei der BMW AG führte er zunächst als Leiter Strategieentwicklung des Produktionsressorts das Wertschöpfungsorientierte Produktionssystem (WPS) ein. Danach wurde er Leiter Produktion „Fahrwerks- und Antriebskomponenten“, Geschäftsführer der BMW Motoren GmbH in Steyr und Leiter der BMW Group Werke Regensburg und Dingolfing. 2018 wurde er in den Vorstand der BMW AG für Einkauf und Lieferantennetzwerk berufen. Als Chairman der European Foundation for Quality Management (EFQM) setzte sich Dr. Wendt von 2013 bis 2018 für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen und Organisationen ein und brachte das Streben nach Business-Excellence maßgeblich voran. Seit 2023 ist Dr. Wendt u. a. Vorsitzender des Aufsichtsrats der Ingenics AG. 2024 wurde er zum Honorarprofessor der TU München für Unternehmensführung bestellt.

Literatur

1 Wendt, A.: Wie entsteht „Flow“ in einem Unternehmen? Teil 1: Ein ganzheitlicher und strukturierter Weg zur Unternehmensexzellenz. ZWF 120 (2025) 1–2, S. 49–53 DOI:10.1515/zwf-2025-101810.1515/zwf-2025-1018Suche in Google Scholar

2 Wendt, A.: Wie entsteht „Flow“ in einem Unternehmen? Teil 2: Qualitätsstreben und Durchlaufzeit – Lehrmeister für exzellente Prozesse. ZWF 120 (2025) 3, S. 169–174 DOI:10.1515/zwf-2025-103110.1515/zwf-2025-1031Suche in Google Scholar

3 Malik, F.: Führen, Leisten, Leben. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, München 2000Suche in Google Scholar

4 Jenewein, W.; Heidbrink, M.: High-Performance-Teams. Schäffer-Poeschel Verlag Stuttgart 2008. Online unter https://portal.dnb.de/opac/showFullRecord?currentResultId=%22High-Performance-Teams%22%26any&currentPosition=25 [Abruf am 20.03.2025]Suche in Google Scholar

5 Hammer, M.; Champy, J.: Business Reengineering. Die Radikalkur für das Unternehmen. 5. Aufl., Campus-Verlag, Frankfurt a. M., New York 1995Suche in Google Scholar

6 Deutsche Gesellschaft für Qualität: EFQM Excellence Modell 2013. Online unter https://www.dgq.de/wp-content/uploads/2018/06/EFQM-Excellence-Model-2013-Free-German-Partners.pdf [Abruf am 29.01.2025]Suche in Google Scholar

7 Hartwich, E.: Grundlagen Change Management. Richard Boorberg Verlag, Stuttgart 2011. Online unter https://portal.dnb.de/opac/showFullRecord?currentResultId=Grundlagen+and+Change+and+Management%26any&currentPosition=138 bzw. https://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=X9R2DwAAQBAJ&oi=fnd&pg=PA2&dq=(5)+Erich+Hartwich:+Grundlagen+Change+Management&ots=EjAbSNcwN-&sig=kCuKXJqWxmQqEKNE4x5sjYK0CQs#v=onepage&q&f=false [Abruf am 20.03.2025]Suche in Google Scholar

8 Popper, K. R.: Alles Leben ist Problemlösen – Über Erkenntnis, Geschichte und Politik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1991, S. 256–257Suche in Google Scholar

Published Online: 2025-04-30
Published in Print: 2025-04-20

© 2025 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Germany

Heruntergeladen am 2.12.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zwf-2025-1034/html?lang=de
Button zum nach oben scrollen