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Wer profitiert von den Korrekturmöglichkeiten in der Sekundarstufe?

Der Einfluss von Bildungsherkunft und Migrationshintergrund im Bildungsverlauf
  • Karin Kurz

    Karin Kurz, geb. 1959 in Homburg/Saar. Studium der Soziologie an der Universität Mannheim und der University of Wisconsin, Madison. Promotion an der Universität Mannheim, Habilitation an der Universität Bamberg. 2006–2008 Professorin für Soziologie an der Universität Leipzig, seit 2008 Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt „Empirische Sozialstrukturanalyse“ an der Universität Göttingen.

    Forschungsschwerpunkte: soziale Ungleichheit, Lebenslauf, Bildung, Arbeitsmarkt und Familie.

    Ausgewählte neuere Publikationen: Einkommensnachteile von Müttern im Vergleich zu kinderlosen Frauen in Deutschland. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 67 (4), 2015: 737–762 (mit P. Schmelzer und K. Schulze). Die Destandardisierung des Erwerbs- und Familienverlaufs, in: K. Jurczyk, A. Lange und B. Thiessen (Hg.): Doing Family. Warum Familienleben heute nicht mehr selbstverständlich ist. Weinheim/Basel: Beltz Juventa, 2014, S. 190–207. Coping with the Crisis: How have German Women Fared? In: About Gender (AG). International Journal of Gender Studies, Vol. 2 (4), 2013: 60–75 (mit I. Ostner und K. Schulze). Die späte Erwerbskarriere und der Übergang in den Ruhestand im Zeichen von Globalisierung und demografischer Alterung, in: C. Vogel und A. Motel-Klingebiel (Hg.), Altern im Sozialen Wandel: Die Rückkehr der Altersarmut?, Wiesbaden: VS-Verlag, 2013, S. 313–334 (mit S. Buchholz, A. Rinklake und H.-P. Blossfeld).

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    and Eileen Böhner-Taute

    Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Soziologie, Platz der Göttinger Sieben 3, 37073 Göttingen, E-Mail: eboehne@gwdg.de

    Eileen Böhner-Taute, geb. 1984 in Höxter. Studium der Soziologie in Göttingen. Von 2011 bis 2013 wissenschaftliche Hilfskraft und seit 2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Universität Göttingen.

    Forschungsschwerpunkte: Bildungssoziologie, soziale Ungleichheit, Sozialstrukturanalyse, quantitative Sozialforschung.

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Published/Copyright: December 1, 2016
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Zusammenfassung:

Im vorliegenden Beitrag werden nachträgliche Wechsel von Jugendlichen zu Schulformen, die die Hochschulreife ermöglichen, mittels SOEP-Daten untersucht. Dabei werden auch mögliche Unterschiede zwischen den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, die unterschiedlich offene Schulstrukturen aufweisen, geprüft. Die zentrale Frage ist, ob solche Aufstiegsprozesse zu einer Veränderung von Bildungsungleichheiten, die zu Beginn der Sekundarstufe I bestehen, beitragen und ob es darin Unterschiede zwischen den untersuchten Bundesländern gibt. Zur Untersuchung der Bildungsungleichheiten wird zwischen einer konditionalen und unkonditionalen Analyseperspektive unterschieden. Die empirischen Befunde zeigen, dass es im Bildungsverlauf nicht zu einer Verstärkung von sozialen Herkunftseffekten kommt und dass Jugendliche mit Migrationshintergrund ihre Nachteile tendenziell abbauen können. Die Bundesländer unterscheiden sich nur unwesentlich in den Herkunftseffekten; in Baden-Württemberg scheinen jedoch Jugendliche aus Familien mit niedriger Bildung bessere Aufstiegsmöglichkeiten zu haben als in den anderen untersuchten Bundesländern.

Abstract:

Based on SOEP (German Socio-Economic Panel) data this paper analyzes late student transfers to school types that lead to a university entrance qualification. In addition, possible variations between the states of Bavaria, Baden-Wuerttemberg, Lower Saxony, and North Rhine-Westphalia, which differ in the openness of their school structures, are examined. The central questions are whether greater educational opportunity leads to a lessening of the educational inequalities which were found to exist for these students at the beginning of secondary school and whether the school systems of the four states differ in this regard. The analysis of educational inequalities distinguishes between a conditional and an unconditional perspective. The empirical results show that there is no strengthening of the effects of social origin during the students’ school careers. In fact, young people with a migration background tend to be able to reduce their disadvantages. Overall, the four states differ only marginally with respect to origin effects. However, in general, young people in Baden-Wuerttemberg seem to enjoy better advancement opportunities than in the other states.

1 Einleitung

Das deutsche allgemeinbildende Schulsystem mit seiner frühen Stratifizierung (Allmendinger 1989; Müller & Shavit 1998) wird häufig als relativ rigide charakterisiert. Dabei wird angenommen, dass die im Anschluss an die Grundschule gewählte Schulart typischerweise den weiteren Bildungsweg vorbestimmt. Doch an der Rigiditätsthese sind Zweifel angebracht, denn in Deutschland gibt es in allen Bundesländern schulische Optionen, die auf eine Flexibilisierung des stratifizierten Schulsystems hinauslaufen. Über die Jahre hinweg ausgebaut wurde in der Folge des Hamburger Abkommens aus dem Jahr 1964 das Angebot an Aufbauschulen, die mit der Sekundarstufe II beginnen und es ermöglichen, basierend auf dem Realschulabschluss die Fachhochschulreife oder die allgemeine Hochschulreife zu erwerben (Drewek & Müller 1982, zit. in Henz 1997a: 54, Henz 1997b: 114). Die wichtigsten dieser Schulformen sind die Fachoberschulen und Fach- oder Berufsgymnasien; daneben gibt es Berufs- und technische Oberschulen und in Nordrhein-Westfalen (bis 1999) die Kollegschulen.[1] Die quantitative Bedeutung solcher Aufbauschulformen hat in den letzten Jahren stark zugenommen: Während in den 1970er Jahren weniger als 3 % der Schüler/-innen der berufsbildenden Schulen in der Sekundarstufe II Aufbauschulformen besuchten, stiegen die Anteile in den 1980er Jahren leicht und ab den 1990er Jahren stärker an. Im Schuljahr 1995/96 lag der Anteil der Schüler/-innen in Aufbauschulformen bei 7 %, 2005/06 bei 10 % und 2013/14 bei knapp 15 %[2]. Neben der Option, nach dem Realschulabschluss eine Aufbauschule anzuschließen, gibt es die Möglichkeit, schon während der Sekundarstufe I von der Haupt- oder Realschule[3] auf das traditionelle Gymnasium[4] zu wechseln. Wir vermuten, dass auch diese Wechsel über die vergangenen Jahrzehnte hinweg zugenommen haben; über ihren Umfang gibt es unseres Wissens jedoch bislang keine Daten.

Angesichts der zunehmenden Bedeutung von Aufbauschulen kann heute nicht mehr davon gesprochen werden, dass im deutschen stratifizierten Schulsystem mit dem Übergang nach der Grundschule praktisch endgültig die Weichen für den weiteren Bildungsweg gestellt sind. Das deutsche Bildungssystem ist offener geworden. Eine wichtige Frage ist jedoch, in welchem Umfang die beim ersten Übergang benachteiligten Gruppen von diesen zusätzlichen Optionen profitieren. Hierzu gibt es nur wenige Studien, die sich zudem nur auf Einflüsse der sozialen Herkunft konzentrieren und dabei zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen (vgl. Schindler 2015). Hingegen liegen zu möglichen Veränderungen des Einflusses der ethnischen Herkunft bislang keine Befunde vor. Darüber hinaus wissen wir bis heute nichts darüber, wie sich die bundeslandspezifische Ausgestaltung der Möglichkeiten eines Schulformwechsels während und nach der Sekundarstufe I auswirken.

Im vorliegenden Beitrag wollen wir deshalb untersuchen, wie sich die Korrekturmöglichkeiten während der Sekundarstufe auf die Bildungsungleichheiten zwischen Jugendlichen unterschiedlicher sozialer oder ethnischer Herkunft auswirken. Für unsere Analysen nutzen wir Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Im ersten Schritt konzentrieren wir uns auf Jugendliche, die zu Beginn der Sekundarstufe I eine Schulform unterhalb des Gymnasiums besuchen, und fragen, wie wahrscheinlich es in Abhängigkeit von sozialer Herkunft, Migrationshintergrund und Bundesland ist, dass sie bis zum Alter von ca. 18 Jahren auf eine Fachoberschule oder ein (Fach-)Gymnasium wechseln. Wir untersuchen also, wie sozial und ethnisch selektiv ein später Übergang zu einer Schulform, die zur (Fach-) Hochschulreife führt, ist. Damit können wir die Frage beantworten, ob sich die vielfach belegten schlechteren Bildungschancen von Kindern mit niedriger sozialer Herkunft oder mit Migrationshintergrund bei einem späteren Übergang fortsetzen oder ob umgekehrt die benachteiligten Jugendlichen die Aufstiegschancen in der Sekundarstufe überproportional wahrnehmen. Zusätzlich fragen wir, inwieweit es darin Unterschiede zwischen den Bundesländern mit ihrer unterschiedlichen Ausgestaltung der Korrekturmöglichkeiten während der Sekundarstufe gibt. Konkret: Sind offenere schulische Strukturen, in denen also Schulformwechsel relativ leicht möglich sind, oder aber restriktivere schulische Strukturen für die Übergangschancen von benachteiligten Jugendlichen vorteilhafter? Beim Bundesländervergleich konzentrieren wir uns exemplarisch auf Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, die sich darin unterscheiden, wie einfach es ist, den nach der Grundschule eingeschlagenen Bildungsweg im Laufe der Sekundarstufe in Richtung eines höheren Abschlusses zu korrigieren. In Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen ist eine solche Korrektur leichter möglich als in Baden-Württemberg; in Bayern ist sie am schwersten.[5]

Doch auch wenn die Frage beantwortet ist, ob Jugendliche der unteren Bildungsschichten oder mit Migrationshintergrund bei einem späteren Übergang zu einer Fachoberschule oder (Fach-)gymnasium profitieren, ist damit noch nicht geklärt, ob es insgesamt gesehen über den Bildungsverlauf zu einer Vergrößerung, einer Verkleinerung oder einem Gleichbleiben der Bildungsungleichheiten kommt (vgl. Schindler 2015; Hillmert & Jacob 2005a). Diese Frage kann nur beantwortet werden, wenn die Entwicklung der Bildungsungleichheiten für die Gesamtheit der Jugendlichen im Bildungsverlauf betrachtet wird. Deshalb konzentrieren wir uns im zweiten Schritt unserer Analysen auf alle Schüler/-innen und vergleichen, wie sich die sozialen und ethnischen Herkunftseffekte auf den Besuch eines Gymnasiums (bzw. einer Fachoberschule) zwischen der Sekundarstufe I und II verändern. Anhand dieser Ergebnisse kann beurteilt werden, inwieweit die Korrekturmöglichkeiten in der Sekundarstufe insgesamt zu einer Angleichung der Bildungschancen beitragen. Zusätzlich untersuchen wir, ob zwischen den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Unterschiede feststellbar sind, ob also ein möglicher Abbau von Ungleichheiten in den spezifischen Schulkontexten der Bundesländer unterschiedlich gut gelingt.

Unser Artikel ist wie folgt aufgebaut: Als Erstes stellen wir die relevanten institutionellen Charakteristika der Bildungssysteme der ausgewählten Bundesländer vor. Anschließend erläutern wir ausgehend von den beiden eben vorgestellten Untersuchungsschritten die zwei typischen Analyseperspektiven, die in der quantitativen Forschung zu Bildungsungleichheiten zu finden sind: die konditionale und die unkonditionale Sichtweise. Darauf aufbauend folgt ein Überblick über den bisherigen Forschungsstand sowie ein Kapitel zu den theoretischen Argumenten zur Wirkungsweise der Korrekturoptionen während der Sekundarstufe. Im Anschluss erläutern wir Daten und Methoden unserer Analysen und präsentieren schließlich unsere empirischen Befunde. Der Beitrag endet mit einem Fazit, in dem wir unsere Ergebnisse zusammenfassen sowie Probleme unserer Analysen und weitere Forschungsperspektiven aufzeigen.

2 Institutioneller Hintergrund

Das allgemeinbildende Schulsystem der Bundesrepublik Deutschland ist in den Primarbereich, die Sekundarstufe I und die Sekundarstufe II gegliedert, allerdings mit bundeslandspezifischer Ausgestaltung insbesondere im Sekundarschulbereich. Es gibt diese Unterschiede, da die Gesetzgebung und Administration im Schulwesen in Deutschland bei den Bundesländern liegt (Art. 30 u. 70, GG). Das bedeutet, dass sowohl die strukturelle Ausgestaltung als auch die inneren Angelegenheiten dezentral geregelt werden.[6] Trotz der Bemühungen, durch Reformen und Bildungsstandards die 16 bundesdeutschen Bildungssysteme einander anzugleichen, sind erhebliche Differenzen der bundeslandspezifischen Ausgestaltung dieser Systeme zu erkennen (Helbig & Nikolai 2015).

In den von uns untersuchten Bundesländern stellen im relevanten Zeitraum (ca. 1993–2009) die Hauptschule, die Realschule und das Gymnasium die drei wichtigsten Wahlmöglichkeiten beim Übergang in die Sekundarstufe dar. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gibt es zudem die Option, auf eine Gesamtschule zu wechseln; allerdings ist diese nur in Nordrhein-Westfalen und (abgeschwächt) in Niedersachsen quantitativ bedeutsam. Darüber hinaus unterscheiden sich die vier Bundesländer darin, wie leicht es Schüler/-innen gemacht wird, auch dann eine Hochschulzugangsberechtigung zu erwerben, wenn nach der Grundschule kein Wechsel auf das Gymnasium stattgefunden hat. Entscheidend dafür sind einerseits die Zugangskriterien für einen Wechsel auf eine höhere Schulform während und nach Sekundarstufe I sowie andererseits das quantitative Angebot an Plätzen in zusätzlichen Schulformen, die zur Fachhochschulreife oder allgemeinen Hochschulreife führen.

In Tabelle 1 sind in Anlehnung an Schuchart & Maaz (2007) Kriterien aufgelistet, anhand derer die unterschiedlichen Möglichkeiten in den untersuchten Bundesländern deutlich werden. Falls in der Sekundarstufe I weder ein Gymnasium noch eine Gesamtschule besucht wurde, ist zum Erreichen einer Hochschulzugangsberechtigung zunächst ein mittlerer Schulabschluss notwendig. Dieser wird regulär an Realschulen vergeben, kann allerdings unter bestimmten Bedingungen auch an Hauptschulen erworben werden. Die Möglichkeiten hierzu variieren zwischen den vier Bundesländern: Insgesamt offener ist der Zugang in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, da nach dem vorherigen Besuch von Kursen mit höheren Anforderungen (ab Klasse 9 bzw. 7) der mittlere Abschluss direkt an der jeweiligen Hauptschule am Ende der 10. Klasse erworben werden kann. Hingegen ist der mittlere Abschluss in Baden-Württemberg und Bayern nur an besonderen „zentralen Hauptschulen“ möglich; für viele Schüler/-innen ist daher ein Schulwechsel nötig. Darüber hinaus reicht in den beiden südlichen Bundesländern das Zeugnis der 10. Klasse nicht aus, sondern es muss eine zentrale Abschlussprüfung abgelegt werden.

Tab. 1

Schulische Rahmenbedingungen in der Sekundarstufe in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern.

NiedersachsenNordrhein-WestfalenBaden-WürttembergBayern
Gesetzliche Regelungen der Sekundarstufe IRegelungen zur Erlangung des mittleren SchulabschlussesAn der Hauptschule

– Zugang
Ab 9. Klasse Kurse mit höheren Anforderungen in Mathe und Englisch, durchschn. befried. Leistungen in Kl. 8Ab 7. Klasse Kurse mit höheren An­for­­­de­run­gen in Mathe, Deutsch und Eng­­lisch, durchschn. befried. Leistungen in den Hauptfächern Kl. 6Ab 8. Klasse Zusatzunterricht in Englisch und Mathematik, insgesamt befriedigende LeistungenGesamtbewertung „gut“ in der bes. Leistungsfeststellung in der 9. Klasse
– Abschluss­optionAn jeder HauptschuleAn jeder HauptschuleZentrale HauptschuleZentrale Hauptschule
– VergabeMindestens befriedigende GesamtbewertungMindestens befriedigende GesamtbewertungZentrale AbschlussprüfungZentrale Abschlussprüfung
An der RealschuleErfolgreicher Abschluss der Klasse 10Erfolgreicher Abschluss der Klasse 10Erfolgreiche AbschlussprüfungErfolgreiche Abschlussprüfung
Gesetzliche Regelungen der Sekundarstufe IIZugangsvoraussetzungen zur Sekundarstufe IIZur Oberstufe der regulären GymnasienMind. befriedigende Noten in Pflicht- und Wahlpflichtfächern (= erweiterter Sekundarschulabschluss)Mindestens befriedigende Noten in allen FächernMindestens zweimal „gut“ in M, D und Fremdsprache; evtl. AufnahmeprüfungMindestens befriedigende Noten (M, D, E); evtl. Gutachten; sonst Aufnahmeprüfung; Probeunterricht
Zum Fachgymnasium Mind. befriedigende Noten in Pflicht- und Wahlpflichtfächern (= erweiterter Sekundarschulabschluss)Mindestens befriedigende Noten in allen FächernNotendurchschnitt 3,0 (M, E)[Nicht angeboten]
Zur FachoberschuleKeine zusätzlichen Bedingungen (Sek I Realschulabschluss)Keine zusätzlichen Bedingungen[Nicht angeboten]Notenschnitt 3,5 (M, D, E)
200020042007200020042007200020042007200020042008
Relativer Anteil der SchülerInnen in Schulen, diezur (Fach-) Hochschulreife führen – SekundarstufeII 1Traditioneller Weg: Gymnasium17,9 %19,1 %20,1 %20,7 %20,9 %21,9 %17,2 %17,8 %19,6 %17,7 %18,6 %21,5 %
Gesamtschule1,2 %1,3 %0,1 %3,9 %4,6 %4,7 %0,1 %0,1 %0,1 %0,02 %
Fach­gymnasien4,2 %5,0 %5,8 %3,1 %28,3 %8,8 %9,5 %
Fachober­schulen2,9 %3,8 %4,2 %2,4 %2,7 %2,8 %5,7 %5,8 %7,0 %
Offenheit / Restriktivitäteher offen gestalteteher offen gestalteteher restriktiv gestalteteher restriktiv gestaltet
1 Berechnungsbasis bilden Daten des statistischen Bundesamtes der Fachserien 11/1 (https://www.destatis.de/GPStatistik/receive/DESerie_serie_00000110; zuletzt aufgerufen am 05.09.2016) und 11/2 (https://www.destatis.de/GPStatistik/receive/DESerie_serie_00000111; zuletzt aufgerufen am 05.09.2016). Prozentuierungsbasis bilden alle Schulformen der Sekundarstufe II.

2 Fachgymnasien gibt es in Nordrhein-Westfalen seit dem Schuljahr 2007/2008.

Schülerinnen und Schüler mit einem mittleren Abschluss von einer nicht-gymnasialen Schulform müssen in den vier Bundesländern unterschiedlich hohe Hürden überwinden, um in die Sekundarstufe II von Fachgymnasien, Fachoberschulen oder traditionellen Gymnasien aufgenommen zu werden. Wie Tabelle 1 zu entnehmen ist, finden sich in Baden-Württemberg und Bayern schärfere Zugangsbedingungen für die regulären Gymnasien. Hingegen ähneln sich die Bedingungen für die Aufnahme in Fachgymnasien in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. In Bayern gibt es diese Schulform nicht. Der Zugang zu den Fachoberschulen ist ohne weitere Auflagen in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen möglich, während in Bayern ein wenig restriktiver Notendurchschnitt von 3,5 erwartet wird. In Baden-Württemberg werden Fachoberschulen nicht angeboten.

Auch das quantitative Angebot an Aufbauschulen, die zur Fachhochschulreife oder allgemeinen Hochschulreife führen, unterscheidet sich zwischen den Bundesländern. In Tabelle 1 sind die relativen Anteile der Schülerinnen und Schüler in Schulformen, die zur Fachhochschulreife oder allgemeinen Hochschulreife führen[7], an allen Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe II für die Jahre 2000, 2004 und 2007 angegeben. Zunächst ist abzulesen, dass der relative Schulbesuch im traditionellen Gymnasium in allen vier Bundesländern von 2000 bis 2007 leicht bzw. in Bayern relativ stark (um 3,8 Prozentpunkte) angestiegen ist. Im Jahr 2007 besuchten in den analysierten Bundesländern zwischen 20 und 22 % der Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II ein traditionelles Gymnasium. Gleichzeitig nahm auch die quantitative Bedeutung von Alternativwegen zur Fachhochschulreife und allgemeinen Hochschulreife zu, wobei diese in Niedersachsen und Baden-Württemberg mit einem Anteil von ca. 10 % (2007) besonders hoch ist. Rechnet man die Gesamtschule als weiteren Alternativweg hinzu, kommt auch Nordrhein-Westfalen im Schuljahr 2007 auf einen ähnlich hohen relativen Anteil (10,6 %). Nur in Bayern ist das relative Gewicht von Alternativwegen zur Fachhochschul- bzw. allgemeinen Hochschulreife mit 7 % (2007) geringer.[8] Insgesamt besuchten also im Jahr 2007 in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg etwa ein Drittel der Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II, die eine Hochschulzugangsberechtigung anstreben, kein traditionelles Gymnasium, sondern eine Aufbauschulform oder eine Gesamtschule. Hingegen lag der entsprechende Anteil in Bayern nur bei ca. einem Viertel der SchülerInnen und Schüler. Damit muss Bayern im Hinblick auf die quantitativen Möglichkeiten von Alternativwegen zur Fachhochschulreife oder allgemeinen Hochschulreife als weniger offen als die drei anderen Bundesländer eingeschätzt werden.

Zusammenfassend lässt sich damit Folgendes festhalten: Die schulischen Aufstiegsmöglichkeiten nach dem Hauptschulabschluss sind in Niederachsen und Nordrhein-Westfalen weniger restriktiv als in den beiden untersuchten südlichen Bundesländern. Hingegen sind bei dem – für unseren Beitrag – wichtigeren Übergang vom Realschulabschluss auf ein Gymnasium oder eine Fachoberschule weniger klare Differenzen zu erkennen: Während die Zugangsbedingungen für reguläre Gymnasien in Baden-Württemberg und Bayern restriktiver sind, gibt es für berufliche Gymnasien und Fachoberschulen keine relevanten Unterschiede zwischen den Bundesländern. Allerdings ist das quantitative Angebot beruflicher Gymnasien bzw. Fachoberschulen in Bayern geringer als in den anderen Bundesländern. Insgesamt betrachtet können deshalb für den Übergang nach dem Realschulabschluss Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen als offener und Baden-Württemberg und stärker noch Bayern als restriktiver im Hinblick auf die Möglichkeiten eines schulischen Aufstiegs bewertet werden.

3 Konditionale versus unkonditionale Perspektive auf Bildungsungleichheiten

Grundlegend für das Verständnis eines großen Teils der vorliegenden quantitativen Forschung zu Bildungsungleichheiten ist die Unterscheidung zwischen einer konditionalen und einer unkonditionalen Perspektive (vgl. Schindler 2015; Hillmert & Jacob 2005a; Müller & Haun 1994). Die konditionale Sichtweise ist mit dem Modell des Bildungsverlaufs verbunden und nimmt Übergänge im Bildungssystem und die damit verknüpften Entscheidungen in den Blick (vgl. Mare 1980, 1981). Aussagen über die Wahrscheinlichkeit, einen bestimmten Übergang zu machen, beziehen sich in dieser Perspektive immer nur auf die Gruppe derjenigen, für die der interessierende Übergang prinzipiell möglich ist. Es werden also Aus­sagen über bedingte (konditionale) Wahrscheinlichkeiten gemacht. So geht es im ersten Analyseschritt unseres Beitrags, der die konditionale Sichtweise einnimmt, nur um diejenigen Schüler/-innen, die nach der Grundschule nicht in das Gymnasium gewechselt sind, und es wird gefragt, wie hoch die (bedingte) Wahrscheinlichkeit ist, dass noch nachträglich ein Übergang in eine gymnasiale Schulform oder eine Fachoberschule erfolgt. Zur Untersuchung von Bildungsungleichheiten werden die bedingten Wahrscheinlichkeiten für verschiedene Bevölkerungsgruppen einander gegenübergestellt und typischerweise odds ratios, also Chancenverhältnisse, als Ungleichheitsmaß berechnet.

Im Unterschied zur konditionalen werden in der unkonditionalen Perspektive alle Personen (meist getrennt nach ethnischer oder sozialer Herkunft) betrachtet und nach der Wahrscheinlichkeit gefragt, dass sie sich (zu einem bestimmten Zeitpunkt) in einer spezifischen Schulform befinden oder einen bestimmten Abschluss erreicht haben. Die möglicherweise unterschiedlichen Wege und Bildungsübergänge, die zu dem interessierenden Bildungsergebnis geführt haben, bleiben ausgeblendet. Es geht allein um die unbedingte Wahrscheinlichkeit eines bestimmten Bildungsergebnisses. In unserem Beitrag vergleichen wir in der unkonditionalen Perspektive die Wahrscheinlichkeiten für den Besuch des Gymnasiums zu Beginn der Sekundarstufe I mit dem Besuch des Gymnasiums bzw. der Fachoberschule in der Sekundarstufe II und analysieren mögliche Unterschiede nach sozialer und ethnischer Herkunft.

Für die bildungspolitische Frage nach dem Abbau von Bildungsungleichheiten durch das Angebot an Aufstiegsmöglichkeiten in der Sekundarstufe ist die Gesamtperspektive, in der die unbedingten Wahrscheinlichkeiten für verschiedene Zeitpunkte im Bildungsverlauf verglichen werden, relevanter (vgl. Hillmert & Jacob 2005a: 420). Denn an ihnen ist ablesbar, ob sich der Bildungsabstand zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen im Bildungsverlauf verändert. Um zu prüfen, ob die Aufstiegsmöglichkeiten während der Sekundarstufe zum Abbau von Bildungsungleichheiten beitragen, ist also der Blick auf die unbedingten Wahrscheinlichkeiten notwendig.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch die Erkenntnis, dass aus der Entwicklung der Übergangswahrscheinlichkeiten im Bildungsverlauf nicht unmittelbar geschlossen werden kann, ob sich die Ungleichheiten zwischen Bevölkerungsgruppen im Bildungsverlauf insgesamt vergrößern oder verkleinern. Formel (1) verdeutlicht, von welchen Faktoren die unkonditionale Wahrscheinlichkeit, die Sekundarstufe II zu besuchen, abhängt.

  1. pSekII = pGymSekI × pSekII|GymSekI + (1 – pGymSekI × pSekII|GymSekI ) × p SekII|¬GymSekI

Die Gesamtwahrscheinlichkeit, die Sekundarstufe II zu besuchen (pSekII), besteht aus der Summe zweier Komponenten: der Wahrscheinlichkeit nach dem direkten Übergang (nach der Grundschule) ins Gymnasium auch in der Sekundarstufe II noch im Gymnasium zu sein (pGymSekI × pSekII|GymSekI ) und der Wahrscheinlichkeit die Sekundarstufe II zu besuchen für diejenigen, die nicht direkt nach der Grundschule in ein Gymnasium gewechselt und dort geblieben sind (1 – pGymSekI × pSekII|GymSekI ) × pSekII|¬GymSekI. Der Abstand zwischen der unkonditionalen Wahrscheinlichkeit, die Sekundarstufe II zu besuchen (pSekII) und der unkonditionalen Wahrscheinlichkeit des Gymnasiumbesuchs in der Sekundarstufe I (pGymSekI) ist also abhängig

  1. von der Übergangswahrscheinlichkeit vom Gymnasium zur Sekundarstufe II (pSekII|GymSekI )

  2. vom Anteil der derjenigen, für die ein nachträglicher Aufstieg in die Sekundarstufe II in Frage kommt (1 – pGymSekI × pSekII|GymSekI ) und schließlich

  3. von der Wahrscheinlichkeit eines nachträglichen Übergangs zur Sekundarstufe II (pSekII|¬GymSekI).

Insbesondere dann, wenn in einer benachteiligten Gruppe der relative Anteil (b) derjenigen, für die ein nachträglicher Aufstieg in Sekundarstufe II in Frage kommt, groß ist, und die Übergangswahrscheinlichkeit (c) ebenfalls groß ist, kann ein Aufholen für eine benachteiligte Gruppe stattfinden.[9]

4 Forschungsstand

In einem jüngst erschienenen Beitrag fasst Schindler (2015) den Forschungsstand zur hier interessierenden Fragestellung differenziert zusammen und nimmt dabei die eben erläuterte Unterscheidung zwischen konditionaler und unkonditionaler Perspektive auf Bildungsungleichheiten vor (vgl. auch Hillmert & Jacob 2005a; Müller & Haun 1994). Schindler (2015: 519) resümiert, dass die empirischen Befunde zu konditionalen Übergängen eindeutig sind, während sie in unkonditionaler Bestandsperspektive divergieren.

So stellen Analysen aus konditionaler Perspektive durchgängig fest, dass Kinder oder Jugendliche aus Familien mit höherer Bildung oder höherem sozioökonomischen Status eine größere Wahrscheinlichkeit haben, nach Beginn der Sekundarstufe I nachträglich in eine höhere Schulform zu wechseln bzw. einen höheren als den ursprünglich angestrebten Schulabschluss zu erreichen (vgl. Buchholz & Schier 2015; Henz 1997a, 1997b; Hillmert & Jacob 2005a, 2010; Glaesser 2008; Trautwein et al. 2011; Schindler 2015). Gleichzeitig stimmen verschiedene Studien darin überein, dass die sozialen Herkunftseffekte bei diesen späteren Übergängen geringer ausfallen als beim frühen Übergang nach der Grundschule (vgl. Blossfeld 1993; Müller & Haun 1994; Henz & Maas 1995; Henz 1997c; Müller & Pollak 2004; Jacob & Tieben 2007, 2010). Darüber hinaus zeigen Henz (1997a, 1997b), Glaesser (2008) sowie Jacob & Tieben (2010), dass nicht nur Aufstiege, sondern auch Abstiege vom Gymnasium sozial selektiv stattfinden, mit höheren Risiken für Kinder aus bildungsfernen Familien. Nach Analysen von Schindler (2015: 526) auf der Basis verschiedener Datensätze (GLHS, BIBB 2006, NEPS) übersteigt die Zahl der Abstiege vom Gymnasium sogar die der Aufstiege auf ein Gymnasium.

Bei der unkonditionalen Betrachtung sind hingegen die empirischen Belege zur Entwicklung von sozialen Herkunftseffekten im Bildungsverlauf uneinheitlich. Insgesamt deuten die Befunde jedoch darauf hin, dass soziale Ungleichheiten im Bildungsverlauf typischerweise nicht zunehmen, sondern möglicherweise sogar leicht abnehmen. Lediglich für die Kohorten, die in den 1960er bis 1970er Jahren geboren sind, gibt es Hinweise, dass die Ungleichheit im Bildungsverlauf ansteigt (vgl. Hillmert & Jacob 2005a, 2005b, 2010; Schindler 2015: 528 f.). Möglicherweise resultiert dieser abweichende Befund daraus, dass die damals neuen schulischen Optionen zunächst vor allem von den privilegierten Schichten genutzt wurden und weniger privilegierte und eher risikoaverse Schichten erst später nachzogen (vgl. Schindler 2015: 534 f.).

Die bisher vorliegenden empirischen Studien stützen sich auf Daten für die Geburtskohorten bis zum Jahrgang 1986 (vgl. Schindler 2015: 526). Mit unseren Analysen auf der Basis des Sozio-oekonomischen Panels können wir die vorliegenden Ergebnisse durch Analysen für die jüngeren Jahrgänge der bis 1993 Geborenen ergänzen.

Hingegen gibt es unseres Wissens bislang keine Studien dazu, wie sich ethnische Ungleichheiten durch die Korrekturoptionen in der Sekundarstufe verändern. Es liegen lediglich Studien zum Übergang in die Sekundarstufe I vor; diese belegen, dass Kinder mit Migrationshintergrund vor allem aufgrund schlechterer Noten und ungünstigerer Ressourcenausstattung der Familien seltener auf eine höhere Schulform wechseln als einheimische Kinder (vgl. Gresch 2015; Dollmann 2015). Wenn diese Bedingungen in Rechnung gestellt werden, lassen sich meist keine zusätzlichen Nachteile, sondern sogar zum Teil etwas höhere Übergangsraten zum Gymnasium finden. Gleichzeitig zeigen mehrere Studien für Deutschland, dass Schüler/-innen mit Migrationshintergrund (bzw. deren Eltern) bei Berücksichtigung des sozioökonomischen Hintergrundes und der Noten höhere Bildungsaspirationen haben als Schüler/-innen ohne Migrationshintergrund (vgl. Kurz & Paulus 2008; Kristen & Dollmann 2009; Becker & Gresch 2015). Die Ursachen hierfür sind nicht abschließend geklärt; es gibt jedoch Hinweise, dass Personen mit direkter oder indirekter Migrationserfahrung generell eine besonders hohe soziale Aufstiegsorientierung haben (vgl. Kao & Tienda 1998; Becker & Gresch 2015). Dies könnte auch eine Erklärung für die teilweise höheren Nettoübergangsraten von Migranten beim ersten Übergang nach der Grundschule darstellen.

Zu den Auswirkungen der bundeslandspezifischen Ausgestaltung der Bildungssysteme auf die Entwicklung der Ungleichheiten im Bildungsverlauf gibt es nach unserem Kenntnisstand ebenfalls keine empirischen Studien. Lediglich für die Bildungsaspirationen liegen Vergleiche zwischen Bundesländern vor. So stellen Kurz & Paulus (2008) sowie Schuchardt & Maaz (2007) fest, dass elterliche Bildungsaspirationen in relativ offenen Sekundarschulsystemen höher sind als in eher restriktiven Systemen. Während sich die Daten der ersten Studie auf Eltern von Grundschulkindern (der 3. Klassenstufe) beziehen, wurden in der zweiten die Eltern von Jugendlichen der 9. Klassenstufe befragt (PISA 2000).

Insgesamt bestehen somit mehrere Forschungslücken: Studien zur Entwicklung von sozialen Ungleichheiten im Bildungsverlauf konzentrieren sich auf vergleichsweise alte Geburtskohorten. Darüber hinaus wurden mögliche Aufholprozesse von Schüler/-innen mit Migrationshintergrund im Bildungsverlauf überhaupt noch nicht untersucht. Und schließlich fehlt es an Forschung zur differentiellen Wirkung der bundeslandspezifischen Schulkontexte auf die Entwicklungsprozesse. Mit unseren Analysen setzen wir an diesen Forschungsdesiderata an.

5 Theoretische Überlegungen

Zum Verständnis und zur Erklärung von Bildungsungleichheiten zwischen Kindern unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft sind diverse theoretische Ansätze entwickelt worden. So betont Pierre Bourdieu die Bedeutung familiärer Kapitalien (kulturelles, ökonomisches und soziales Kapital) sowie den Beitrag der Schule, die nicht in der Lage sei, die Nachteile von Kindern mit einer schlechten Kapitalausstattung zu kompensieren (vgl. Bourdieu und Passeron 1971; Bourdieu 2001: 25 ff.). Dezidiert an institutionellen Regelungen und diskriminierenden Praktiken im Bildungssystem setzt die Theorie der institutionellen Diskriminierung an (vgl. Gomolla und Radtke 2002; Radtke 2004). Da wir uns mit Übergängen im Bildungssystem befassen, die auf Entscheidungen von Akteurinnen und Akteuren beruhen, ziehen wir im vorliegenden Zusammenhang eine theoretische Argumentation heran, die Bildungswege als eine Abfolge von Entscheidungen innerhalb der institutionellen Vorgaben des Bildungssystems versteht. Grundsätzlich nehmen wir an, dass Familien und Individuen Bildungsentscheidungen subjektiv rational treffen und dabei neben den eigenen Ressourcen und Voraussetzungen (finanzielle Ausstattung von Familien, familiales Unterstützungspotential, schulische Leistungen) auch die institutionellen Gelegenheitsstrukturen in Rechnung stellen und von ihnen beeinflusst werden (Esser 1999).

Als Ausgangspunkt zur Analyse von Bildungsentscheidungen eignet sich der theoretische Ansatz von Raymond Boudon (1974) mit seinen Konzepten der primären und sekundären Effekte. Während sich die primären Effekte darauf beziehen, wie sich die Ressourcenausstattung der Familie auf die Kompetenzentwicklung und die Schulleistungen von Schülerinnen und Schülern auswirkt, zielen die sekundären Effekte auf die herkunftsspezifischen Bildungsaspirationen und Bildungsentscheidungen, die an den verschiedenen Übergangsstellen im Bildungssystem zu fällen sind, so etwa am Ende der Grundschule und je nach besuchter Schulform auch am Ende der Sekundarstufe I. Zwar hatte Boudon nur die Einflüsse der sozialen Herkunft – Bildung, Klassen- bzw. Schichtzugehörigkeit der Eltern – im Blick, seine Überlegungen lassen sich jedoch auch auf ethnische Herkunftseinflüsse übertragen (vgl. Kristen et al. 2011; Heath & Brinbaum 2007; Heath et al. 2008; Kristen & Dollmann 2009).

In Boudons theoretischem Ansatz bzw. darauf aufbauenden Konzeptualisierungen (z. B. Esser 1999; Erikson & Jonsson 1996; Breen & Goldthorpe 1997) wird die Bildungsentscheidung als (subjektiv) rationale Entscheidung angenommen, deren zentrale Parameter Kosten, Nutzen und Erfolgswahrscheinlichkeit sind. Kinder aus Haushalten mit ungünstiger Ausstattung an kulturellen und ökonomischen Ressourcen haben nach dieser Argumentation aufgrund geringerer familiärer Fördermöglichkeiten durchschnittlich schlechtere Noten und damit auch niedrigere Erfolgswahrscheinlichkeiten im Bildungssystem. Auch für Kosten und Nutzen wird angenommen, dass sie mit den ökonomischen und kulturellen Ressourcen variieren. Ein wichtiger Nutzenaspekt resultiert aus dem Statuserhaltmotiv, also dem Motiv, dass Eltern ihren sozialen Status intergenerational mindestens aufrechterhalten wollen und somit in Abhängigkeit von diesem aus gleichen Bildungsabschlüssen einen unterschiedlich hohen Nutzen ziehen. So wird der Nutzen eines Abiturs für Kinder aus statushohen Familien als größer angenommen als für Kinder aus statusniedrigen Familien.[10]

Auf der Basis der genannten Argumente ist zu erwarten, dass Kinder aus Elternhäusern mit guter Ressourcenausstattung (resultierend aus einem hohen elterlichen Bildungs- und Berufsstatus) nach der Grundschule zu höheren Anteilen auf das Gymnasium wechseln, und zwar nicht allein wegen ihrer durchschnittlich besseren Noten, sondern auch wegen des höheren Nutzens und der relativ geringeren Kosten eines höheren Abschlusses für diese Familien. Der theoretisch zu erwartende Zusammenhang wurde in empirischen Untersuchungen immer wieder belegt (vgl. z. B. Ditton & Krüsken 2006; Stocké 2007; Neugebauer 2010; Dollmann 2011). Eine ähnliche Vorhersage ist auch in Bezug auf Kinder mit Migrationshintergrund zu machen, da diese häufig in Familien mit ungünstiger Ausstattung an kulturellen und ökonomischen Ressourcen aufwachsen (vgl. z. B. Diehl et al. 2015). Hinzu treten oftmals weitere ungünstige Voraussetzungen durch schlechtere deutsche Sprachkenntnisse und eine geringere Vertrautheit mit dem deutschen Schulsystem. Wie schon erwähnt, zeigen empirische Studien zum ersten Bildungsübergang nach der Grundschule entsprechend eine niedrigere Übergangsrate zum Gymnasium, wobei diese primär durch die nachteiligen sozioökonomischen familialen Bedingungen verursacht ist (vgl. Gresch 2015; Dollmann 2015).

Erwartungen zu den Aufstiegsentscheidungen in der Sekundarstufe

Welche Vorhersagen lassen sich nun in Bezug auf die Inanspruchnahme von Korrekturoptionen im Laufe der Sekundarstufe machen? Einerseits liegt es auf der Hand, dass Jugendliche aus ressourcenreicheren und statushöheren Elternhäusern auch bei späteren Übergängen ein stärkeres Motiv haben, auf einen Bildungszweig zu wechseln, der zur (Fach-)Hochschulreife führt (Hypothese 1). Dafür sprechen der höhere Nutzen im Sinne des intergenerationalen Statuserhalts und die relativ geringeren Kosten (Boudon 1999; Esser 1999). Andererseits gibt es gute Gründe für die Vorhersage, dass gerade auch Kinder aus ressourcenärmeren Elternhäusern von den Korrekturmöglichkeiten während der Sekundarstufe Gebrauch machen. Denn es ist anzunehmen, dass die Erfolgswahrscheinlichkeiten für Kinder aus diesen Familien beim ersten Übergang aufgrund der geringeren elterlichen Vertrautheit mit höheren Sekundarschulzweigen noch schwer einschätzbar waren. Am Ende der Sekundarstufe I sollten aufgrund der längeren schulischen Erfahrung die Erfolgswahrscheinlichkeiten besser einschätzbar und das Risiko einer Fehlentscheidung geringer geworden sein. Positiv sollte sich für Jugendliche aus ressourcenärmeren Familien auch auswirken, dass Fachgymnasien und Fachoberschulen eher berufsorientiert ausgerichtet sind und damit der eigenen Erfahrungswelt näher kommen als das traditionelle Gymnasium (Schindler 2014: 52). Deshalb erwarten wir insgesamt, dass der Einfluss der sozialen Herkunft bei schulischen Aufstiegen in der Sekundarstufe weniger stark ist als unmittelbar nach der Grundschule (Hypothese 2).[11]

Ähnlich sind für Jugendliche mit Migrationshintergrund aufgrund der durchschnittlich schlechteren schulischen Leistungen und der oftmals ungünstigeren familiären Ressourcenausstattung seltener schulische Aufstiege in der Sekundarstufe zu erwarten (Hypothese 3a).Wenn jedoch die Noten und familiale Ressourcenausstattung berücksichtigt werden, ist für diese Gruppe eine höhere Wahrscheinlichkeit für schulische Aufstiege anzunehmen (Hypothese 3b), da die Bildungsaspirationen in Migrantenfamilien – wie schon erwähnt – höher sind als in einheimischen Familien. Aufgrund der besseren Einschätzbarkeit des schulischen Erfolgs und des abnehmenden Risikos von Fehlentscheidungen bei späteren Bildungsübergängen ist davon auszugehen, dass der Rückstand für Jugendliche mit Migrationshintergrund bei späteren Bildungsentscheidungen geringer wird (Hypothese 4a). Wird zusätzlich die familiäre Ressourcenausstattung in Rechnung gestellt, erwarten wir, dass sich ein Vorsprung für die Jugendlichen mit Migrationshintergrund ergibt, der größer ist als beim ersten Übergang (Hypothese 4b).

Erwartungen zur Ungleichheitsentwicklung im Bildungsverlauf in unkonditionaler Perspektive

Welche Erwartungen lassen sich nun aus unkonditionaler Bestandsperspektive formulieren? Wie in Abschnitt 3 gezeigt wurde, hängt die Entwicklung der Ungleichheiten zwischen Bevölkerungsgruppen von mehreren Faktoren ab (vgl. Formel 1). Insgesamt vermuten wir, dass sich die (unkonditionalen) Bildungsungleichheiten zwischen Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft im Bildungsverlauf abschwächen (Hypothese 5). Unsere Erwartung fußt auf drei Argumenten: Nach allen bisherigen Studien schwächt sich der Einfluss von sozialer Herkunft an späteren Übergängen ab. Gleichzeitig ist der relative Anteil von Kindern mit niedriger sozialer Herkunft, für die ein Schulaufstieg in Frage kommt, vergleichsweise groß. Darüber hinaus – hier greifen wir später präsentierten Befunden vor – sind bei den von uns untersuchten relativ jungen Geburtskohorten während der Sekundarstufe schulische Aufstiege zu Gymnasium oder Fachoberschule häufiger als Abstiege vom Gymnasium. In Bezug auf Kinder mit Migrationshintergrund erwarten wir (nach statistischer Kontrolle von sozialer Herkunft) ebenfalls eine Verringerung des Bildungsnachteils (Hypothese 6), da für sie unter anderem aufgrund ihrer höheren Aspirationen ein nachträglicher schulischer Aufstieg besonders wahrscheinlich ist.

Zum Einfluss der bundeslandspezifischen Rahmenbedingungen auf schulische Aufstiege in der Sekundarstufe

Theoretische Überlegungen zum Einfluss institutioneller Rahmenbedingungen auf das Bildungsverhalten wurden beispielsweise von Helbig und Nikolai (2015), Hillmert (2008) sowie Schuchart und Maaz (2007) angestellt. Diese Autoren argumentieren, dass in den verschiedenen institutionellen Kontexten besonders an den Gelenkstellen des Bildungssystems, also z. B. beim Übergang in die Sekundarstufe I und in die Sekundarstufe II, unterschiedliche Handlungsalternativen und Restriktionen bestehen, die einerseits die Wahrscheinlichkeit für das Erreichen bestimmter Schulabschlüsse beeinflussen und andererseits auch Einfluss auf gruppenspezifische Disparitäten nehmen.

Wie in Abschnitt 2 gezeigt wurde, sind quantitativ gesehen die Möglichkeiten für eine Höherqualifizierung im Anschluss an einen mittleren Sekundarschulabschluss in Bayern begrenzter als in den drei anderen Bundesländern. Entsprechend nehmen wir an, dass der relative Anteil der Jugendlichen, der von einer Option der Höherqualifizierung während oder nach der Sekundarstufe I Gebrauch macht, in Bayern niedriger ist als in Baden-Württemberg und dort wieder niedriger als in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen (Hypothese 7).

In Bezug auf die besonders interessierende Frage der sozialen und ethnischen Herkunftseffekte sollte vor allem von Bedeutung sein, inwieweit die Regelungen bei den betreffenden Übergängen die Entscheidungen der Familien und Jugendlichen einschränken. Wenn ein Übergang in eine höhere Schulform relativ frei gewählt werden kann, werden sich die unterschiedlichen Ressourcenausstattungen und Statuserhaltinteressen der Familien relativ ungehindert durchsetzen können, womit bestehende Ungleichheitsstrukturen tendenziell gestärkt werden. Hingegen sollte eine engere Kopplung der Übergangsmöglichkeiten an die erzielten schulischen Leistungen dazu führen, dass Aufstiege stärker mit Leistungen und weniger mit sozialem oder ethnischem Hintergrund verknüpft sind[12] (vgl. z. B. Helbig & Nicolai 2015: 28). Allerdings liegt es auf der Hand, dass dann, wenn Noten eine stärkere Rolle spielen, Jugendliche aus ressourcenstarken Elternhäusern (z. B. durch die Möglichkeit von Nachhilfe oder elterlicher Unterstützung) in einer besseren Ausgangslage sind, um die entsprechenden Noten für einen schulischen Aufstieg zu erreichen. Eine stärkere Leistungsabhängigkeit des Übergangs ist also tendenziell mit höheren Kosten verbunden, die von ressourcenstarken Familien eher aufgebracht werden können. Weitere Kosten, die die Übergangschancen beeinflussen, entstehen aus der Erreichbarkeit der Schulen, die einen schulischen Aufstieg ermöglichen. So ist ein Nachholen der Mittleren Reife in Bayern und Baden-Württemberg nicht an allen Hauptschulen, sondern nur an zentralen Hauptschulen möglich, deren Erreichbarkeit für Jugendliche aus ressourcenschwächeren Familien mit relativ höheren Kosten verknüpft sein dürfte. Zusätzlich nehmen wir an, dass sich mit einem höheren Angebot an Alternativwegen zur Hochschulreife auch die lokale Erreichbarkeit verbessert.

Zusammenfassend lässt sich folgern, dass angesichts der stärkeren Leistungsabhängigkeit in Bayern und Baden-Württemberg (Noten, Aufnahmeprüfungen, Probeunterricht) schulische Aufstiege dort – unter statistischer Kontrolle der Noten – weniger stark von der sozialen Herkunft abhängen als in den beiden anderen Bundesländern (Hypothese 8). Allerdings gibt es in Bayern und Baden-Württemberg auch institutionelle Charakteristika, die in die entgegengesetzte Richtung weisen. So stellt die Tatsache, dass der mittlere Abschluss in Bayern und Baden-Württemberg nur an zentralen Hauptschulen möglich ist, eine Hürde dar, die eher von ressourcenstarken Familien überwunden werden kann. Ein ähnliches Argument kann für Bayern unter Bezugnahme auf das relativ geringe Angebot an Aufbauschulen, die zur (Fach-)Hochschulreife führen, geltend gemacht werden. Insgesamt weisen die institutionellen Charakteristika also nicht in eine eindeutige Richtung, so dass Hypothese 8 weniger gesichert erscheint.

In Bezug auf Schüler/-innen mit Migrationshintergrund kann ähnlich wie bei Hypothese 8 argumentiert werden: Wir erwarten für diese Gruppe in Bayern und Baden-Württemberg – bei Berücksichtigung von Noten und sozialer Herkunft – schlechtere Chancen auf einen Aufstieg, da die höheren Aspirationen angesichts der größeren Leistungsabhängigkeit weniger leicht umsetzbar sind als in den anderen Bundesländern (Hypothese 9).

Zum Einfluss der bundeslandspezifischen Rahmenbedingungen auf die Entwicklung der unkonditionalen Bildungschancen

Auf den ersten Blick eindeutig erscheint die Hypothese zur Entwicklung der Ungleichheiten in unkonditionaler Betrachtungsweise: In den Bundesländern, in denen quantitativ bessere Möglichkeiten zum Erwerb der Hochschulreife über Alternativwege bestehen, sollten Schüler/-innen mit ungünstiger familialer Ressourcenausstattung (Hypothese 10) und/oder mit Migrationshintergrund (Hypothese 11) mehr profitieren als in Bundesländern mit eingeschränkteren Möglichkeiten. Vor allem in Bayern und abgeschwächt auch in Nordrhein-Westfalen (das den Gesamtschulen ein größeres Gewicht einräumt) ist das Angebot an Aufbauschulen quantitativ geringer als in den beiden anderen Bundesländern (vgl. Abschnitt 2). Ausgangspunkt der beiden Hypothesen ist die Beobachtung, dass Jugendliche aus ressourcenärmeren Familien bzw. mit Migrationshintergrund in Schultypen unterhalb des Gymnasiums deutlich überrepräsentiert sind. Deshalb werden diese Jugendlichen bei einem großen Angebot an Aufstiegsmöglichkeiten absolut gesehen stärker gewinnen und tendenziell gegenüber den Jugendlichen aus statushohen und ressourcenreicheren Familien aufholen, möglicherweise auch dann, wenn die letztgenannten höhere Übergangswahrscheinlichkeiten auf die Alternativwege zur Hochschulreife aufweisen. Wie in Abschnitt 3 gezeigt wurde, ist die Entwicklung der unkonditionalen Wahrscheinlichkeiten aber noch von weiteren Faktoren abhängig, über die wir jedoch zu wenige Informationen haben. Unsere Vorhersagen gelten also nur unter ceteris paribus Bedingungen.

6 Daten und Methoden

Als Datengrundlage der Analysen dient das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), die längste Panelerhebung von Privathaushalten in der Bundesrepublik Deutschland. Die erste Erhebung fand 1984 statt; in der 28. Welle, im Jahr 2011, wurden 12.290 Haushalte und 21.336 Einzelpersonen befragt. In jährlichen Abständen werden im SOEP für Individuen und Haushalte aktuelle und retrospektive Informationen unter anderem zu den Bereichen Bildung, Erwerbsbeteiligung und Familie erhoben (Siegel et al. 2011: 6).

Der vorliegende Beitrag verwendet Daten des SOEP von 2000 bis 2011. Für die konditionalen Analysen zu Bildungsaufstiegen von Schulformen unterhalb des Gymnasiums auf ein Gymnasium oder eine Fachoberschule im Laufe oder direkt im Anschluss an die Sekundarstufe I konzentrieren wir uns auf die Geburtsjahrgänge 1983 bis 1993.[13] Einbezogen werden nur Schüler/-innen, die zu Beginn der Sekundarstufe I eine Hauptschule, Realschule oder Gesamtschule besuchen[14] und für die Informationen zum Schulbesuch im Alter von 18 Jahren oder in den beiden Folgejahren (Alter 19 oder 20)[15] vorliegen. Wir sprechen von einem Bildungsaufstieg, wenn Befragte, die zu Beginn der Sekundarstufe I kein Gymnasium besucht haben, in der Sekundarstufe II ein traditionelles, ein Fachgymnasium oder eine Fachoberschule besuchen. Die abhängige Variable ist 0/1-kodiert mit dem Wert 1 für einen Bildungsaufstieg. Insgesamt stehen uns für diese Analysen 697 Personen in den vier Bundesländern und 1245 Personen für Deutschland insgesamt zur Verfügung.

In den Analysen der unkonditionalen Perspektive sind wiederum die Befragten der Geburtsjahrgänge 1983 bis 1993 enthalten, für die sowohl Informationen über den besuchten Schultyp zu Beginn der Sekundarstufe I als auch in der Sekundarstufe II vorliegen. Anders als bei den Analysen in konditionaler Perspektive sind jedoch die Schüler/-innen aller Schulformen enthalten. Die abhängigen Variablen für die Sekundarstufe I und II sind wieder 0/1-kodiert, wobei in der Sekundarstufe I der Wert 1 für den Besuch eines Gymnasiums und in der Sekundarstufe II für den Besuch eines traditionellen Gymnasiums, Fachgymnasiums oder einer Fachoberschule steht. Für diese Analysen stehen in den vier Bundesländern 1167 und für Deutschland insgesamt 2099 Befragte zur Verfügung.

Daneben werten wir für deskriptive Zwecke die Frage nach den Bildungsaspirationen von Jugendlichen, die regelmäßig im SOEP-Jugendfragebogen an 16- bis 17-jährige Personen gestellt wird, aus. Die Frage lautet: „Welchen höchsten Schulabschluss streben Sie an?“ Es gab die folgenden Antwortmöglichkeiten: Hauptschulabschluss, Realschulabschluss/Mittlere Reife, Fachhochschulreife (Abschluss einer Fachoberschule) und Abitur (Hochschulreife). Die beiden letztgenannten Kategorien wurden für unsere Analysen zusammengefasst und als hohe Bildungsaspiration bezeichnet.

Als unabhängige Variablen werden das Bundesland, in dem die Befragten wohnen, der höchste Bildungsabschluss der Eltern[16] (Fach-/Hochschulreife vs. niedrigerer Abschluss), der Migrationshintergrund[17], das Erhebungsjahr und in einzelnen Analysen auch die Durchschnittsnote aus Deutsch und Mathematik sowie der besuchte Schultyp herangezogen. Mit dem allgemeinbildenden Schulabschluss der Eltern nutzen wir einen sehr einfachen Indikator für die soziale Herkunft. Die Wahl dieses Indikators erfolgt aus pragmatischen Gründen, um die statistischen Modelle möglichst einfach halten zu können. Dabei ist jedoch festzuhalten, dass die elterliche Bildung für den Bildungserfolg der Kinder empirisch ein wichtigerer Prädiktor ist als andere Faktoren der sozialen Herkunft, wie beispielsweise die Klassenposition oder der sozioökonomische Status der Familie (vgl. z. B. Schimpl-Neimanns 2000).

Für die statistischen Analysen greifen wir auf multiple logistische Regressionsanalysen zurück (Hosmer & Lemeshow 2000); die berichteten Koeffizienten sind odds ratios. Die Analysen sind ungewichtet, allerdings kontrollieren wir in allen Regressionsmodellen nach Migrationshintergrund, um der disproportionalen Schichtung der Stichprobe Rechnung zu tragen.

7 Empirische Befunde

7.1 Deskriptive Analysen

Bevor wir uns dem tatsächlichen Bildungsverhalten der Jugendlichen zuwenden, berichten wir zum Einstieg Befunde zu den Bildungsaspirationen der Jugendlichen im Alter von 16 bis 17 Jahren. Wir möchten wissen, ob Jugendliche, die eine Schulform unterhalb des Gymnasiums besuchen, in offeneren Sekundarschulsystemen eher die (Fach-)Hochschulreife anstreben als in restriktiveren. Unsere Erwartung ist, dass in Bayern, wo die Korrekturoptionen (insbesondere quantitativ) eingeschränkter sind als in den anderen Bundesländern, die (Fach-)Hochschulreife seltener ins Auge gefasst wird.

Abbildung 1 zeigt die Bildungsaspirationen der Schüler/-innen in den verschiedenen Sekundarschultypen in den vier ausgewählten Bundesländern. Erkennbar ist einerseits, dass von der Hauptschule, über die Realschule und Gesamtschule bis hin zum Gymnasium die (Fach-)Hochschulreife als Wunschziel zunehmend häufiger genannt wird, und andererseits, dass die Bildungsaspirationen in Bayern in Schulformen unterhalb des Gymnasiums durchgängig niedriger sind als in den anderen Bundesländern: Während in der Hauptschule der Anteil der Schülerinnen und Schülern mit hoher Bildungsaspiration zwischen 14 % in Bayern und 32 % in Nordrhein-Westfalen variiert, liegen in der Realschule die Anteile zwischen 24 % in Bayern und 39 % in Nordrhein-Westfalen sowie schließlich im Gymnasium unabhängig vom Bundesland bei ca. 100 %. Die Bildungsaspirationen von Schüler/-innen, die kein Gymnasium besuchen, sind also in dem Bundesland mit den restriktivsten Bedingungen am niedrigsten.

Abb. 1 Relativer Anteil von Schülerinnen und Schülern mit hoher Bildungsaspiration (Fachhochschul- oder Hochschulreife) nach besuchter Schulart im Alter von 16–17 Jahren
Abb. 1

Relativer Anteil von Schülerinnen und Schülern mit hoher Bildungsaspiration (Fachhochschul- oder Hochschulreife) nach besuchter Schulart im Alter von 16–17 Jahren

Weitergehende Analysen mit multiplen logistischen Regressionsmodellen zeigen, dass die Unterschiede zwischen Bayern einerseits und den anderen Bundesländern andererseits statistisch signifikant sind, auch dann, wenn die Zusammensetzung der Stichprobe im Hinblick auf besuchte Schulform, Bildungsherkunft, Migrationshintergrund, Schulnoten und Erhebungsjahr statistisch kontrolliert wird.[18]

Im Hinblick auf die tatsächlichen Bildungsverläufe geben wir im ersten Schritt einen Überblick darüber, wie sich die Verteilung der Schüler/-innen der Geburtskohorten 1983 bis 1993 auf die verschiedenen Schularten im Bildungsverlauf ändert (vgl. Tabelle 2). Im Gegensatz zu früheren Analysen (vgl. Schindler 2015) lässt sich in der gesamtdeutschen Betrachtung für die relativ jungen Geburtsjahrgänge im SOEP beobachten, dass Aufstiege häufiger vorkommen als Abstiege: Während zu Beginn der Sekundarstufe I 40 % der Schülerinnen und Schüler das Gymnasium besuchen, steigt der Anteil in der Sekundarstufe II auf knapp 45 %. Hinzu kommen weitere 7,6 %, die die Fachoberschule besuchen und damit die Fachhochschulreife oder allgemeine Hochschulreife erwerben können (letzte Spalte in Tabelle 2). Der starke Besuch von Gymnasien und Fachoberschulen in der Sekundarstufe II spiegelt einen generellen Trend zur Höherqualifizierung wieder.[19]

Tab. 2

Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf verschiedene Schultypen zu Beginn der Sekundarstufe I und in Sekundarstufe II

Sekundarstufe IBayernBaden-WürttembergNiedersachsenNordrhein-WestfalenDeutschland
Hauptschule54,4 %31,5 %28,3 %15,5 %24,7 %
Realschule9,2 %26,9 %27,2 %24,3 %25,8 %
Gesamtschule0,3 %1,9 %13,3 %15,0 %9,5 %
Gymnasium36,1 %39,6 %31,1 %45,3 %40,0 %
N2942601804332099
Sekundarstufe II
Schule, die nicht zur (Fach-)Hochschulreife führt, oder kein Schulbesuch56,1 %42,7 %39,4 %35,3 %43,9 %
Gesamtschule0,0 %0,4 %3,9 %8,8 %3,7 %
Fachoberschule10,2 %5,4 %7,2 %11,8 %7,6 %
Gymnasium33,7 %51,5 %49,4 %44,1 %44,8 %
N2942601804332099
Eigene Berechnungen mit SOEP-Daten. Geburtsjahrgänge 1983–1993.

Zwischen den Bundesländern gibt es jedoch Unterschiede in den Mustern des Schulbesuchs. Zu Beginn der Sekundarstufe I besucht in Bayern gut die Hälfte der Schülerinnen und Schüler eine Hauptschule, während die Anteile in den drei anderen Bundesländern mit ca. 16 % bis 32 % deutlich darunter liegen. Auch bei der Realschule weicht Bayern von den anderen Bundesländern ab: In der Sekundarstufe I liegt der Anteil in Bayern bei nur 9 %, während sich in den übrigen Bundesländern die Anteile bei ca. einem Viertel bewegen. Der Gymnasialbesuch ist hingegen mit 36 % in Bayern ähnlich hoch wie in Baden-Württemberg und Niedersachsen; nur in Nordrhein-Westfalen liegt der Wert mit 45 % deutlich höher. Zusätzlich sind in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen anders als in Bayern und Baden-Württemberg Gesamtschulen mit 13 bzw. 15 % vergleichsweise bedeutsam.

Für zwei Bundesländer – Bayern und Nordrhein-Westfalen – bleibt der Anteil der Gymnasiastinnen und Gymnasiasten im Vergleich von Sekundarstufe I und II in etwa gleich, wobei in Nordrhein-Westfalen der Anteil der Jugendlichen im Gymnasium schon in der Sekundarstufe I sehr hoch war (ca. 45 % im Vergleich zu 36 % in Bayern). Hingegen steigen in Baden-Württemberg und Niedersachsen die Anteile der Schüler/-innen im Gymnasium deutlich an (von 39,6 auf 51,5 % in Baden-Württemberg und von 31,1 auf 49,4 % in Niedersachsen). Rechnet man zusätzlich die Fachoberschülerinnen und -schüler zum obersten Bildungssegment, ist in allen Bundesländern ein Anstieg der Anteile von Sekundarstufe I zu II zu beobachten, wenngleich in unterschiedlich starkem Ausmaß (plus 7,8 Prozentpunkte in Bayern, 10,6 Prozentpunkte in Nordrhein-Westfalen, 17,3 Prozentpunkte in Baden-Württemberg und 25,5 Prozentpunkte in Niedersachsen).

7.2 Aufstiegsmobilität während und nach der Sekundarstufe I

Mit den bislang vorgestellten Zahlen können wir allerdings noch nicht die Frage nach den konditionalen Aufstiegschancen während bzw. nach der Sekundarstufe I beantworten. Dazu muss die Analyse auf diejenigen Schüler/-innen beschränkt werden, die zu Beginn der Sekundarstufe I (also im Alter von etwa 10 Jahren) eine Schulform unterhalb des Gymnasiums besuchen. Anhand von logistischen Regressionsanalysen für diese Subgruppe untersuchen wir ihre Aufstiegschancen auf das Gymnasium bzw. die Fachoberschule während bzw. im direkten Anschluss an die Sekundarstufe I – zum einen bezogen auf Gesamtdeutschland, zum anderen für die vier Bundesländer (vgl. Tabelle 3 sowie Tabelle A4 im Online-Anhang).

Tab. 3

Logistische Regressionsanalysen zur Vorhersage des Übergangs zu Fachoberschule oder Gymnasium während oder nach der Sekundarstufe I

Modell 1Modell 2Modell 3Modell 4Modell 5
Bundesland (Bayern = Ref.) Deutschland
Niedersachsen3,81**3,33**3,76**2,96**
Nordrhein-Westfalen2,54**2,05** 2,26*2,18*
Baden-Württemberg2,60**2,01*2,66** 1,47
Migrationshintergrund(MH)1,291,38+1,351,121,62**
Erhebungsjahr1,14**1,13**1,13**1,13**1,32**
Eltern mit Hochschulreife (HR)1,98**1,86**3,16*1,90**2,32**
Durchschnittsnote Deutsch u. Mathematik ­(umgekehrtkodiert)1,61**1,62**1,62**1,80**
Schultyp Sek.I (Hauptschule = Ref.)
Realschulbesuch1,87**1,91**1,96**1,99**
Gesamtschulbesuch1,281,311,321,76**
Interaktion Bildungsherkunft *Bundesland (Ref.: Eltern keine HR; Bayern = Ref.)
Eltern HR * Niedersachsen0,61
Eltern HR * Nordrhein-West.0,69
Eltern HR * Baden-Württ.0,25*
Interaktion Migrationshintergrund *Bundesland (kein MH; Bayern = Ref.)
MH * Niedersachsen1,42
MH * Nordrhein-Westfalen0,88
MH * Baden-Württemberg2,14
Konstante0,17**0,02**0,02**0,02**0,02**
Pseudo R20,0670,0950,1010,0100,090
Fallzahl6976976976971245
Eigene Analysen mit SOEP-Daten. Geburtsjahrgänge 1983–1993. Nur Schüler/-innen, die zu Beginn der Sekundarstufe I eine Hauptschule, Realschule oder Gesamtschule besuchten. Signifikanzniveaus: **p ≤ 0,01, * p ≤ 0,05, + p ≤ 0,10.

Die Modelle 1 bis 4 (Tabelle 3) beziehen sich nur auf die vier ausgewählten Bundesländer; Modell 5 auf Gesamtdeutschland. In Modell 1 werden neben den Indikatoren für die Bundesländer nur das Erhebungsjahr sowie Variablen zur Bildung der Eltern und zum Migrationshintergrund berücksichtigt. Als Erstes wird deutlich, dass die Aufstiegschancen in Bayern wie erwartet ceteris paribus signifikant niedriger sind als in den anderen drei Bundesländern (Hypothese 7).[20] Daneben zeigt sich wie schon in anderen Studien der theoretisch erwartete Befund, dass Jugendliche aus Elternhäusern mit höherer Bildung eine höhere Aufstiegschance haben als andere Jugendliche (Hypothese 1). Vergleichende Analysen für den Übergang nach der Grundschule belegen außerdem das bekannte Ergebnis, dass der Einfluss der Bildungsherkunft im Bildungsverlauf deutlich abnimmt (Hypothese 2; vgl. Tabelle A5 im Online-Anhang). Hingegen unterscheiden sich anders als erwartet die Aufstiegschancen von Jugendlichen mit bzw. ohne Migrationshintergrund während der Sekundarstufe nicht signifikant voneinander (Hypothese 3a). Allerdings wird in Modell 1 weder der Schultyp noch die Durchschnittsnote, welche die Aufstiegschancen beeinflussen, kontrolliert. Wenn diese berücksichtigt werden (Modell 2), ergibt sich für Jugendliche mit Migrationshintergrund wie vermutet eine höhere Wahrscheinlichkeit, auf eine Fachoberschule oder ein Gymnasium zu wechseln (Hypothese 3b). Der Effekt ist allerdings nur bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,084 signifikant. In Modell 5 (für Gesamtdeutschland) ist aber ein klarer signifikanter Vorsprung von Jugendlichen mit Migrationshintergrund erkennbar. Weitergehende Analysen belegen zudem, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund bei dem späteren Übergang im Bildungsverlauf im Vergleich zum ersten Übergang in einer vorteilhafteren Position sind, insbesondere wenn die soziale Herkunft berücksichtigt wird (Hypothesen 4a und 4b; vgl. auch Tabelle A5 im Online-Anhang).

In Modell 3 werden schließlich mögliche Interaktionen zwischen den Bundesländern und der Bildungsherkunft berücksichtigt. Nur einer der Effekte wird statistisch signifikant: In Baden-Württemberg ist der Einfluss der elterlichen Bildung auf einen Bildungsaufstieg signifikant kleiner als in Bayern. Auch für Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen liegen die Interaktionseffekte kleiner als eins, sie sind jedoch schwächer und verfehlen konventionelle Signifikanzniveaus. Werden auf der Basis der geschätzten Koeffizienten die Wahrscheinlichkeiten für einen Bildungsaufstieg für verschiedene Subgruppen berechnet, ergibt sich für Jugendliche in Baden-Württemberg bei niedriger Bildung der Eltern sogar eine etwas höhere Wahrscheinlichkeit für einen Bildungsaufstieg als bei hoher Bildung der Eltern (0,46 vs. 0,40), während in Bayern die Wahrscheinlichkeiten starke Vorteile für Jugendliche mit hochgebildeten Eltern zeigen: 0,50 bei hoher und 0,24 bei niedriger Bildung der Eltern.[21] Der Befund für Bayern steht im Widerspruch zu unserer Erwartung, dass dort die soziale Herkunft beim Übergang eine geringere Rolle als in den anderen Bundesländern spielen sollte (Hypothese 8). Stattdessen finden wir, dass allein Baden-Württemberg im Hinblick auf schulische Aufstiegschancen von Jugendlichen mit niedriger Bildungsherkunft erfolgreicher als die anderen untersuchten Bundesländer ist.

Ähnlich werden anschließend in Modell 4 die Interaktionen zwischen Bundesland und Migrationshintergrund berücksichtigt. Anders als bei der Bildungsherkunft lassen sich jedoch keine signifikanten Unterschiede zwischen den Bundesländern im Hinblick auf die Aufstiegschancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund feststellen. Damit finden wir auch keine Unterstützung für Hypo­these 9.

Zum Abschluss prüfen wir in Modell 5 für Deutschland insgesamt, welchen Einfluss Bildungsherkunft und Migrationshintergrund unter Kontrolle von Durchschnittsnote und besuchter Schulart auf die Aufstiegschancen haben. Erwartungsgemäß finden wir wieder einen klaren positiven Einfluss der elterlichen Bildung. Der günstige Einfluss des Migrationshintergrundes fällt dagegen, wie schon erwähnt, deutlicher aus als in den auf die vier Bundesländer beschränkten Analysen.

7.3 Führen schulische Aufstiege während der Sekundarstufe insgesamt zu einer Verringerung von Ungleichheiten?

Im zweiten Schritt unserer Analysen nehmen wir eine unkonditionale Perspektive ein und vergleichen die Herkunftseffekte zwischen dem Beginn der Sekundarstufe I und der Sekundarstufe II, d. h. für Kinder bzw. Jugendliche im Alter von etwa 10 Jahren und etwa 18 Jahren. Tabelle 4 gibt die Hauptbefunde aus den multiplen logistischen Regressionsanalysen zu den geschätzten Wahrscheinlichkeiten des Besuchs der verschiedenen Sekundarschultypen für Schüler/-innen mit unterschiedlicher Bildungsherkunft wieder (vgl. für Details die Anmerkungen unterhalb der Tabelle). In der letzten Zeile der Tabelle zeigt sich der schon aus anderen Studien bekannte Befund für Deutschland (alle Bundesländer), dass sowohl in der Sekundarstufe I als auch in der Sekundarstufe II Kinder bzw. Jugendliche aus bildungsnahen Elternhäusern mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Schulform besuchen, die zur Fachhochschulreife oder allgemeinen Hochschulreife führt, und dass dieser Einfluss der Bildungsherkunft in der Sekundarstufe II augenscheinlich etwas geringer wird. Während die Wahrscheinlichkeit für den Besuch einer höheren Schulform in der Sekundarstufe I für Kinder aus bildungsnahen Elternhäusern um das 2,1-fache höher ausfällt als für jene aus bildungsferneren Elternhäusern, liegt der entsprechende Faktor in der Sekundarstufe II nur noch bei 1,8. Werden jedoch 95 %-Konfidenzintervalle für die erwarteten Wahrscheinlichkeiten berechnet und zwischen Sekundarstufe I und II verglichen, überlappen sich diese deutlich.[22] Wir können also nicht sicher sein, dass der Einfluss der Bildungsherkunft in der Sekundarstufe II tatsächlich niedriger ist als zu Beginn von Sekundarstufe I; Hypothese 5 wird also nicht eindeutig gestützt. Damit decken sich unsere Befunde inhaltlich mit denen von Schindler (2015).

Tab. 4

Der Einfluss der Bildungsherkunft auf den Besuch von Fachoberschule oder Gymnasium in Sekundarstufe I und II

Gymnasium in Sekundarstufe IFachoberschule oder Gymnasium in Sekundarstufe II
Eltern mit AbiturEltern ohne AbiturChanceEltern mit AbiturEltern ohne AbiturChanceChancen­verhältnis
Bayern0,680,213,20,740,282,61,2
Baden-Württemberg0,700,282,50,770,481,61)+1,6
Niedersachsen0,560,212,70,740,501,51)*1,9
Nordrhein-Westfalen0,730,322,30,810,451,81,3
Deutschland0,660,312,12)**0,770,441,82)**1,2
Eigene Analysen mit SOEP-Daten. Geburtsjahrgänge 1983–1993. Vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten auf der Basis logistischer Regressionsmodelle (vgl. die Tabellen A5 und A6 im Online-Anhang). Die vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten beziehen sich jeweils auf das Jahr 2005 und Personen ohne Migrationshintergrund.

1) Test auf Unterschied zu Bayern. 2) Test auf Einfluss der Bildungsherkunft.

Signifikanzniveaus: **p ≤ 0,01, * p ≤ 0,05, + p ≤ 0,10.

Auch innerhalb der vier ausgewählten Bundesländer zeigt sich in allen Fällen, dass die Nachteile von Jugendlichen mit niedriger Bildungsherkunft in der Sekundarstufe II schwächer sind als zu Beginn von Sekundarstufe I. Aber auch hier verweisen weitergehende Analysen auf eine deutliche Überlappung der Konfidenzintervalle der geschätzten Wahrscheinlichkeiten für die beiden Zeitpunkte. Die Abnahme des Herkunftseffektes über die Schulzeit ist also statistisch nicht gesichert. Gleichwohl ist zwischen den Bundesländern ein relativ eindeutiges Muster erkennbar, das mit Hypothese 10 im Einklang steht: In Bayern, dem Bundesland mit dem quantitativ geringsten Angebot an Plätzen in Aufbauschulen, gehen die Herkunftseffekte weniger stark zurück als in Baden-Württemberg und Niedersachsen. In Nordrhein-Westfalen ist der Rückgang ähnlich gering wie in Bayern (vgl. Chancenverhältnisse in der letzten Spalte), was konsistent ist mit dem relativ geringen Ausbau von Aufbauschulen in Nordrhein-Westfalen, wo Gesamtschulen vergleichsweise verbreitet sind. Deutlich ist auch, dass die Bildungsherkunft in Bayern sowohl in der Sekundarstufe I als auch in der Sekundarstufe II einen stärkeren Einfluss hat als in den anderen Bundesländern. Allerdings finden sich in Sekundarstufe I keine statistisch signifikanten Unterschiede für die Bildungseffekte zwischen den Bundesländern, während sich in der Sekundarstufe II die Bildungseffekte von Baden-Württemberg bzw. Niedersachsen signifikant (bei p ≤ 0,10 bzw. p ≤ 0,05) von denen in Bayern unterscheiden. Insgesamt finden wir damit keine statistisch gesicherte Unterstützung für Hypothese 10, aber doch gewisse Hinweise auf ihre Gültigkeit.

Tabelle 5 gibt analog zur vorherigen Tabelle die vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten für den Einfluss des Migrationshintergrundes wieder. Zunächst ist für Gesamtdeutschland in der untersten Zeile der Tabelle erkennbar, dass für Kinder mit Migrationshintergrund in der Sekundarstufe I die Wahrscheinlichkeit, ein Gymnasium zu besuchen, signifikant niedriger liegt als für jene ohne Migrationshintergrund, und zwar unter Kontrolle des Bildungshintergrunds der Eltern.[23] In der Sekundarstufe II gibt es hingegen keine Hinweise auf eine schlechtere Positionierung der Jugendlichen mit Migrationshintergrund: Die vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten für den Besuch einer Fachoberschule oder eines Gymnasiums liegen für Schüler/-innen mit bzw. ohne Migrationshintergrund bei 44 bzw. 45 %. Vergleicht man die Chancen zwischen Sekundarstufe I und II, hat es den Anschein, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund aufgeholt haben. Doch auch hier gilt, dass sich die 95 %-Konfidenzintervalle der geschätzten Wahrscheinlichkeiten überlappen. Das heißt wir finden statistisch nicht eindeutig gesicherte Hinweise für die Gültigkeit von Hypothese 6.

Tab. 5

Der Einfluss des Migrationshintergrunds auf den Besuch von Fachoberschule oder Gymnasium in Sekundarstufe I und II

Gymnasium in Sekundarstufe IFachoberschule oder Gymnasium in ­Sekundarstufe II
Mit Migrations­hintergrundOhne Migrations­hintergrundChanceMit Migrations­hintergrundOhne Migrations­hintergrundChanceChancen­verhältnis
Bayern0,230,211,10,360,301,20,9
Baden-Württemberg0,260,271,00,540,441,20,8
Niedersachsen0,100,210,51)+0,510,461,10,4
Nordrhein-Westfalen0,280,310,90,460,461,00,9
Deutschland0,230,310,72)**0,450,441,00,7
Eigene Analysen mit SOEP-Daten. Geburtsjahrgänge 1983–1993. Vorhergesagte Wahrscheinlichkeiten auf der Basis logistischer Regressionsmodelle (vgl. die Tabellen A5 und A6 im Online-Anhang). Die vorhergesagten Wahrscheinlichkeiten beziehen sich jeweils auf das Jahr 2005 und Personen, deren Eltern kein Abitur haben.

1) Test auf Unterschied zu Bayern. 2) Test auf Einfluss des Migrationshintergrunds.

Signifikanzniveaus: **p ≤ 0,01, * p ≤ 0,05, + p ≤ 0,10.

Auf Bundesländerebene gibt es – abgesehen von einer Ausnahme – keine Hinweise, dass sich die Wahrscheinlichkeiten für den Besuch einer höheren Schulform für Schüler/-innen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheiden. Die Ausnahme betrifft Niedersachsen: Hier unterscheiden sich die geschätzten Wahrscheinlichkeiten für den Gymnasialbesuch zwischen Kindern mit und ohne Migrationshintergrund in der Sekundarstufe I deutlich: Mit 21 % ist die geschätzte Wahrscheinlichkeit für Kinder ohne Migrationshintergrund gut doppelt so hoch wie für jene mit Migrationshintergrund. Die relativen Anteile steigen in der Sekundarstufe II auf 51 % für Kinder mit Migrationshintergrund und 46 % für Kinder ohne Migrationshintergrund. Dies deutet auf ein massives Aufholen in der Gruppe der Schüler/-innen mit Migrationshintergrund hin. Doch auch hier gilt, dass sich die 95 %-Konfidenzintervalle überlappen, was natürlich auch den vergleichsweise niedrigen Fallzahlen für Niedersachsen geschuldet ist (n=180). Insgesamt finden wir damit keine Hinweise auf die Gültigkeit von Hypothese 11, die besagt, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund besonders in Bundesländern, die ein quantitativ breites Angebot an Aufbauschulen haben, schulisch stärker aufholen können.

8 Zusammenfassung und Diskussion

In unserem Beitrag steht die Frage im Mittelpunkt, wie sich die schulischen Aufstiegsmöglichkeiten während der Sekundarstufe auf die Bildungsungleichheiten zwischen Jugendlichen unterschiedlicher sozialer und ethnischer Herkunft auswirken und ob es darin Unterschiede zwischen einzelnen Bundesländern in Deutschland gibt. Die Beantwortung dieser Frage ist bildungspolitisch relevant, denn sie kann Aufschluss darüber geben, ob die Korrekturoptionen, die insbesondere mit den Fachoberschulen und den Fach- oder Berufsgymnasien gegeben sind, zu einem Abbau ungleicher Bildungschancen beitragen. Bei den darauf bezogenen Analysen ist die Unterscheidung zwischen konditionaler und unkonditionaler Perspektive wichtig (vgl. Schindler 2015). Nur Analysen in der zweiten Perspektive können über den letztlichen Erfolg von Bildungspolitik im Hinblick auf den Abbau sozialer und ethnischer Ungleichheiten im Bildungssystem Auskunft geben. Bisherige Studien hierzu haben sich auf ältere Geburtsjahrgänge beschränkt und sind zu teilweise widersprüchlichen Befunden gekommen (vgl. Schindler 2015). Unsere Studie auf der Basis von SOEP-Daten kann durch den Fokus auf die relativ jungen Geburtsjahrgänge 1983 bis 1993 schon vorliegende Befunde ergänzen. Darüber hinaus untersuchen wir, ob einzelne Bundesländer mehr oder weniger erfolgreich darin sind, Bildungsungleichheiten abzubauen. Wir konzentrieren uns auf die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

In ersten Analysen zum Ausmaß von Aufstiegen während bzw. nach der Sekundarstufe I auf die Fachoberschule oder ein Gymnasium stellen wir fest, dass ihre Zahl höher liegt als die der Abstiege. Bisherige Untersuchungen zu älteren Geburtsjahrgängen hatten hingegen gefunden, dass Abstiege überwiegen (vgl. Schindler 2015). Einschränkend ist für unsere Auswertung anzumerken, dass wir anders als einige der früheren Studien nicht die erreichten Abschlüsse heranziehen, sondern die besuchte Schulform. Angesichts des zu beobachtenden Trends zu immer höheren Abschlüssen erscheint es jedoch wahrscheinlich, dass mittlerweile tatsächlich insgesamt mehr Aufstiege als Abstiege im Sekundarschulsystem stattfinden.

Darüber hinaus erbringen unsere Analysen Hinweise, dass sowohl die Bildungsaspirationen der Jugendlichen als auch Aufstiege in eine Fachoberschule oder ein Gymnasium (konditionale Perspektive) durch die Kontextbedingungen der Bundesländer beeinflusst sind. Bayern weist von den vier untersuchten Bundesländern die restriktivsten Bedingungen für schulische Aufstiege auf, und es finden sich dort tatsächlich niedrigere Bildungsaspirationen und weniger Aufstiegsmobilität im Vergleich zu den anderen Bundesländern. Zwischen den übrigen Bundesländern gibt es hingegen nur geringfügige Unterschiede. Wie theoretisch vermutet und im Einklang mit schon vorliegenden Studien sind die Aufstiegschancen bei höherer Bildung der Eltern größer. Entgegen unseren theoretischen Erwartungen konnten wir allerdings nicht feststellen, dass in den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg, in denen schulische Aufstiege tendenziell stärker an Leistung gekoppelt sind, Ungleichheiten zwischen sozialen Herkunftsgruppen – bei statistischer Berücksichtigung der Noten – geringer sind. Stattdessen erwies sich Baden-Württemberg im Vergleich zu den anderen drei Bundesländern als Ausnahme: Aufstiege während der Sekundarstufe II sind hier nach unseren Analysen nicht von der Bildungsherkunft der Eltern abhängig. Der breite Ausbau von beruflichen Gymnasien in Baden-Württemberg scheint also Kindern aus niedrigen und höher gebildeten Familien gleichermaßen zugute zu kommen. Allerdings sollte wegen der relativ geringen Fallzahlen für die einzelnen Bundesländer dieses Ergebnis auf der Basis anderer Daten überprüft und mögliche Hintergründe des größeren Erfolgs analysiert werden. Und schließlich belegen unsere Analysen, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund, wenn ihre im Durchschnitt schlechteren Leistungen, niedrigere Bildungsherkunft und schlechtere schulische Platzierung berücksichtigt werden, eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, auf eine Fachoberschule oder ein Gymnasium zu wechseln. Diese Gruppe scheint also stärker als andere von den schulischen Korrekturoptionen zu profitieren, wobei dies entgegen unseren theoretischen Erwartungen unabhängig von den konkreten schulischen Rahmenbedingungen der Bundesländer zu sein scheint.

Im Hinblick auf die zentrale Frage, wie sich die zunehmende Nutzung von Alternativwegen zur Hochschulreife auf die sozialen und ethnischen Ungleichheiten am Ende der Sekundarstufe II im Vergleich zum Beginn der Sekundarstufe I auswirken, haben unsere Analysen (in unkonditionaler Perspektive) ähnliche Befunde erbracht wie jene von Schindler (2015): Die Nachteile von Schüler/-innen aus Familien mit niedriger Bildung verstärken sich nicht, sondern schwächen sich möglicherweise (statistisch nicht gesichert) etwas ab. Schüler/-innen mit Migrationshintergrund scheinen sogar aufzuholen und in der Sekundarstufe II beim Besuch von Gymnasium/Fachoberschule mit den einheimischen Schüler/-innen gleichzuziehen. Dies gilt allerdings nur unter statistischer Kontrolle der Bildungsherkunft der Schüler/-innen. Zwischen den Bundesländern scheint es dabei im Muster der Veränderung der sozialen und ethnischen Herkunftseffekte keine grundsätzlichen Unterschiede zu geben. Allerdings finden sich erwartungskonform Hinweise, dass es Bayern, dem Bundesland mit dem quantitativ kleinsten Angebot von Plätzen in Aufbauschulen, weniger gut gelingt, soziale Herkunftseffekte abzubauen.

Insgesamt ist damit festzuhalten, dass mit der Ausweitung von schulischen Korrekturoptionen keine Verschärfung von Ungleichheiten in der Bildungsbeteiligung in der Sekundarstufe II für die Geburtskohorten 1983–1993 verbunden ist. Dies trifft zu, obwohl Schüler/-innen aus Familien mit höherer Bildung nicht nur beim Übergang nach der Grundschule, sondern auch bei späteren schulischen Übergängen faktisch im Vorteil sind. Gleichzeitig profitieren Jugendliche mit Migrationshintergrund stärker als einheimische Jugendliche von den Korrekturmöglichkeiten und ziehen in der Sekundarstufe II mit diesen unter ceteris paribus Bedingungen gleich. Jugendliche mit Migrationshintergrund können damit als Gewinner der ausgeweiteten Möglichkeiten eines schulischen Aufstiegs betrachtet werden. Doch dies trifft nur insoweit zu, als sie über einen ähnlichen Bildungshintergrund wie einheimische Jugendliche verfügen. Genau in diesem Punkt sind sie jedoch im Durchschnitt in einer schlechteren Position und deshalb weniger stark als die einheimischen Jugendlichen in Gymnasien und Fachoberschulen vertreten.

Unsere Studie weist in mehrerer Hinsicht Begrenzungen auf, die in Folgestudien aufgegriffen werden sollten. So ziehen wir für unsere Analysen nicht den letztlich erreichten Bildungsabschluss heran, sondern lediglich die Schulform, die Schüler/-innen im Alter von ca. 18 Jahren besuchen. Diese Vorgehensweise ist dem Umstand geschuldet, dass sich durch eine weitere Ausdehnung des Untersuchungsfensters vom Beginn der Sekundarstufe I bis nach Abschluss der Sekundarstufe II die Fallzahlen weiter reduziert hätten und dies insbesondere für die Untersuchung von Bundesländerunterschieden problematisch geworden wäre. Daneben haben wir in unserem Beitrag nur vier Bundesländer exemplarisch herausgegriffen. Dies kann nur ein erster Schritt sein. Eine stärkere Systematisierung der relevanten Merkmale der Sekundarschulsysteme in den Bundesländern könnte es in einer zukünftigen Studie ermöglichen, alle Bundesländer in die Analyse einzubeziehen und auch Veränderungen der administrativen Vorgaben über die Zeit zu berücksichtigen. Vorarbeiten sind hierzu von Helbig & Nicolai (2015) vorgelegt worden.

Eine Schwachstelle unserer Analysen ist auch die grobe Differenzierung zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund. Angesichts relativ kleiner Fallzahlen für die verschiedenen ethnischen Gruppen lässt sich dieses Problem in zukünftigen Analysen mit SOEP-Daten wohl nicht beheben. Doch bieten hierfür und auch für eine Reihe anderer Fragen die Nutzung der Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) in wenigen Jahren bessere Analysemöglichkeiten.

Trotz der genannten Begrenzungen lässt sich auf ­Basis unserer Studie insgesamt festhalten, dass das deutsche Schulsystem mit der zunehmenden Inanspruchnahme von Aufstiegsmöglichkeiten in der Sekundarstufe in Bewegung geraten ist und ein Abbau ungleicher Bildungschancen im Laufe der Sekundarstufe stattfindet. Dies betrifft vor allem die Schüler/-innen mit Migrationshintergrund, während für Schüler/-innen mit niedriger Bildungsherkunft keine generelle Verbesserung ihrer relativen Bildungschancen im Bildungsverlauf nachweisbar ist. Dennoch lässt sich damit resümieren, dass das allgemeinbildende deutsche Schulsystem mit seinem frühen ersten Selektionszeitpunkt und seiner starker Stratifizierung durchlässiger geworden ist. Weitere Studien müssen zeigen, inwieweit sich dieser Trend bundesweit und möglicherweise unterschiedlich stark innerhalb der verschiedenen Bundesländer fortsetzt.

Über die Autoren

Karin Kurz

Karin Kurz, geb. 1959 in Homburg/Saar. Studium der Soziologie an der Universität Mannheim und der University of Wisconsin, Madison. Promotion an der Universität Mannheim, Habilitation an der Universität Bamberg. 2006–2008 Professorin für Soziologie an der Universität Leipzig, seit 2008 Professorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt „Empirische Sozialstrukturanalyse“ an der Universität Göttingen.

Forschungsschwerpunkte: soziale Ungleichheit, Lebenslauf, Bildung, Arbeitsmarkt und Familie.

Ausgewählte neuere Publikationen: Einkommensnachteile von Müttern im Vergleich zu kinderlosen Frauen in Deutschland. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 67 (4), 2015: 737–762 (mit P. Schmelzer und K. Schulze). Die Destandardisierung des Erwerbs- und Familienverlaufs, in: K. Jurczyk, A. Lange und B. Thiessen (Hg.): Doing Family. Warum Familienleben heute nicht mehr selbstverständlich ist. Weinheim/Basel: Beltz Juventa, 2014, S. 190–207. Coping with the Crisis: How have German Women Fared? In: About Gender (AG). International Journal of Gender Studies, Vol. 2 (4), 2013: 60–75 (mit I. Ostner und K. Schulze). Die späte Erwerbskarriere und der Übergang in den Ruhestand im Zeichen von Globalisierung und demografischer Alterung, in: C. Vogel und A. Motel-Klingebiel (Hg.), Altern im Sozialen Wandel: Die Rückkehr der Altersarmut?, Wiesbaden: VS-Verlag, 2013, S. 313–334 (mit S. Buchholz, A. Rinklake und H.-P. Blossfeld).

Eileen Böhner-Taute

Georg-August-Universität Göttingen, Institut für Soziologie, Platz der Göttinger Sieben 3, 37073 Göttingen, E-Mail: eboehne@gwdg.de

Eileen Böhner-Taute, geb. 1984 in Höxter. Studium der Soziologie in Göttingen. Von 2011 bis 2013 wissenschaftliche Hilfskraft und seit 2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Universität Göttingen.

Forschungsschwerpunkte: Bildungssoziologie, soziale Ungleichheit, Sozialstrukturanalyse, quantitative Sozialforschung.

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Anmerkung:

Der Datensatz ist replizierbar unter: http://doi.org/10.7802/1350.


Zusatzmaterial:

Die Onlineversion dieses Artikels (DOI: 10.1515/zfsoz-2015-1025) bietet Zusatzmaterial für autorisierte Benutzer.


Online erschienen: 2016-12-1
Erschienen im Druck: 2016-12-1

© 2016 by De Gruyter

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