Zusammenfassung
Kathrin Stock, Peter Tillmann und Andreas Walter untersuchen den Markt für volkswirtschaftliche Professorinnen und Professoren an Universitäten in Deutschland zwischen 2014 und 2022. Dabei stützen sich die Autoren auf die Texte der Ausschreibungen von 429 Professuren in diesem Zeitraum. Die Texte zeigen, dass der Anteil an Tenure-Track-Professuren infolge des Bund-Länder-Programms deutlich gestiegen ist, dass Interdisziplinarität in jedem zweiten Ausschreibungstext Erwähnung findet und dass Drittmittel sogar in bis zu 85 Prozent der Ausschreibungen thematisiert werden. Die großen gesellschaftlichen Themen spiegeln sich in den Ausschreibungen wider: Die Bezüge zu den Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Migration nehmen im Zeitablauf zu.
1 Wie haben sich die Ausschreibungen von VWL-Professuren verändert?
Wenn eine Universität eine Professur ausschreibt, spiegeln die konkrete Denomination und der veröffentlichte Ausschreibungstext die oft sehr unterschiedlichen Wünsche der Beteiligten wider. Die Professur muss in die gesamtuniversitäre Strategie passen, sollte das Forschungsprofil der Fakultät sinnvoll ergänzen, neue Forschungsgebiete erschließen und Lücken im Lehrprogramm stopfen. Darüber hinaus sollen die gesuchten Persönlichkeiten häufig aktuelle gesamtgesellschaftliche Fragen aufgreifen und diese in Lehre und Forschung angehen. Als Ergebnis all dieser unterschiedlichen Anforderungen, und oft als Kompromiss zwischen widerstreitenden Interessen, ändern sich die gesuchten Profile von Professorinnen und Professoren kontinuierlich.
In diesem Artikel untersuchen wir, wie sich die Ausschreibungen von Professuren im Fach Volkswirtschaftslehre (VWL) an deutschen Universitäten geändert haben.[1] Zu diesem Zweck stützen wir uns auf Texte von 429 Ausschreibungen im Zeitraum 2014 bis 2022, die uns der Deutsche Hochschulverband zur Verfügung gestellt hat. Die Daten sollten sehr nah an einer Vollerhebung der Ausschreibungen für VWL-Professuren aller staatlichen deutschen Universitäten sein. Wir zeigen, dass die Gesamtzahl der Ausschreibungen zurückgeht und dass der Anteil der Tenure-Track-Professuren als Folge des Bund-Länder-Tenure-Track-Programms („1000-Professuren-Programm“) im Jahr 2017 deutlich gestiegen ist.
In einem ersten Schritt durchsuchen wir die Ausschreibungstexte nach Bezügen zu den Aspekten Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Migration und Globalisierung, die die inhaltliche Profilierung der zu besetzenden Professur beschreiben. Hierzu stellen wir eine Liste einschlägiger Suchbegriffe zusammen. In einem zweiten Schritt suchen wir nach textlichen Bezügen zu formalen Kriterien an die Bewerberinnen und Bewerber, also Bezüge zu den Aspekten Drittmittel, Interdisziplinarität und akademische Selbstverwaltung. Auch zu diesen Themen stellen wir eine Liste von Suchbegriffen zusammen.
Die Ausschreibungstexte zeigen, dass die Bezüge zu den genannten formalen Aspekten im Zeitablauf stark gestiegen sind. Im Jahr 2021 weisen 85 Prozent der Ausschreibungen textliche Bezüge zu Drittmitteln und 43 Prozent zu Interdisziplinarität auf. Der Anteil der Ausschreibungstexte mit Bezug zu akademischer Selbstverwaltung steigt von 14 Prozent im Jahr 2017 auf 35 Prozent im Jahr 2022. Die Profile der gesuchten Professorinnen und Professoren spiegeln die aktuellen gesellschaftlichen Fragen wider: Der Anteil der Ausschreibungen, die Bezüge zu den Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit enthalten, steigt in den zurückliegenden Jahren. Im Jahr 2022 weisen 32 beziehungsweise 53 Prozent der Stellenausschreibungen einen inhaltlichen Bezug der Professur zu den Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit auf. Das Thema Migration weist ebenfalls einen positiven zeitlichen Trend auf und ist mit entsprechenden Bezügen im Jahr 2021 in 15 Prozent der Ausschreibungstexte vertreten. Globalisierung als Kernthema der Volkswirtschaftslehre ist kontinuierlich in etwa 50 Prozent der Ausschreibungen enthalten.
2 Die Ausschreibungen von VWL-Professuren in Deutschland
Der Ausschreibungsservice des Deutschen Hochschulverbands (DHV) sammelt die Ausschreibungen von Professuren aller Besoldungsstufen (W1, W2 und W3) an Universitäten in Deutschland und stellt diese Informationen seinen Mitgliedern in Form von regelmäßigen Benachrichtigungen per Email zur Verfügung. Für die vorliegende Untersuchung verwenden wir 429 Ausschreibungen von volkswirtschaftlich ausgerichteten Professuren in Deutschland zwischen 2014 und 2022, die über die Ausschreibungsliste „Wirtschaftswissenschaften“ versandt wurde. Diese Daten sollten für staatliche Universitäten nah an einer Vollerhebung sein; die Ausschreibungen von privaten Universitäten werden unter Umständen unvollständig erfasst. Der Datensatz beinhaltet keine Professuren an Fachhochschulen und schließt Professuren in Österreich und der Schweiz, die ebenfalls durch den DHV Newsletter verbreitet werden, aus.
Abbildung 1 zeigt die Entwicklung der Gesamtzahl aller Ausschreibungen seit 2014 sowie die Anzahl der Ausschreibungen von Tenure-Track-Professuren. Während die Gesamtzahl vor 2020 zwischen Werten von 40 und 60 Professuren pro Jahr schwankt, sehen wir ab dem Jahr 2020 einen stetigen Rückgang von 53 Professuren im Jahr 2020 auf nur 34 Professuren im Jahr 2022. Der deutsche Arbeitsmarkt für Professorinnen und Professoren wird zwar über die Zeit kleiner, weist aber keinen Einbruch in der Pandemie auf, wie Haucap (2020) ihn für den akademischen Job market in den Vereinigten Staaten findet.

Anzahl der Ausschreibungen
Anmerkung: Die Abbildung zeigt die gesamte Zahl der Ausschreibungen (grau) und die Zahl der Ausschreibungen (blau) von Tenure-Track-Professuren.
Quelle: eigene Darstellung
Im gleichen Zeitraum hat sich der Anteil der Tenure-Track-Professuren stark erhöht. In der Spitze lag er bei 23 von insgesamt 53 Professuren im Jahr 2020. Das Tenure-Track-Programm, das seit 2017 läuft, macht sich erstmals im Jahr 2018 bemerkbar: Die Zahl der Tenure-Track-Professuren steigt von 5 auf 18 Professuren im Jahr 2018. Dieser Effekt wirkt sich, wie in Abbildung 2 gezeigt, auch auf die Anzahl der ausgeschriebenen Juniorprofessuren aus. Die Juniorprofessuren sind üblicherweise nicht mit einem Tenure Track versehen und auf maximal sechs Jahre befristet. Wurden im Jahr 2015 noch 18 solcher Stellen ausgeschrieben, so hat sich die Anzahl auf 4 im Jahr 2022 reduziert. Der Weg in die Professur verläuft damit immer häufiger über den Tenure-Track-Pfad und weniger über die befristete Juniorprofessur.

Anzahl der Junior- und Tenure-Track-Professuren
Anmerkung: Die Abbildung zeigt die Zahl der Junior- (grau) und Tenure-Track-Professuren (blau)
Quelle: eigene Darstellung
Die geographische Verteilung der Ausschreibungen über die Universitätsstandorte ist in Abbildung 3 dargestellt. Hierbei zeigt sich wenig überraschend eine starke Ballung in den großen Universitätsstädten Berlin und München mit jeweils mehreren großen Universitäten, sowie in den renommierten Universitätsstandorten wie bspw. Bonn, Kiel und Konstanz, sicher auch als Konsequenz der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder.

Anzahl der Ausschreibungen nach Universitätsstandort
Anmerkung: Die Karte zeigt die Zahl der auf die Universitätsstandorte aggregierten Ausschreibungen in unserem Datensatz.
Quelle: eigene Darstellung
3 Entwicklung der formalen Anforderungen und inhaltlichen Profile
Üblicherweise sind die Ausschreibungstexte in drei Teile gegliedert. Der erste Teil beinhaltet zumeist den Titel der Professur sowie eine Präzisierung der inhaltlichen Ausrichtung von Forschung und Lehre. Der zweite Teil umfasst weitere formale Anforderungen an den Kandidaten oder die Kandidatin wie eine erfolgreich abgeschlossene Promotion, einschlägige Publikationen in internationalen Fachzeitschriften oder die erfolgreiche Einwerbung von Drittmitteln. Der dritte Teil der Ausschreibungstexte beinhaltet weitere organisatorische und formale Details. Wir haben die Texte daher in die genannten drei Abschnitte unterteilt, um die inhaltlichen und formalen Kriterien der Stellen auf Basis von definierten Schlüsselbegriffen so gut wie möglich getrennt voneinander untersuchen zu können.
Zunächst untersuchen wir, wie sich der inhaltliche Zuschnitt der Professuren verändert hat. Wir beschränken uns hierbei auf die Frage, inwieweit Bezüge zu den großen gesellschaftlichen Themen des vergangenen Jahrzehnts, also Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Migration und Globalisierung, häufiger oder weniger häufig geworden sind. Zu diesen Themen stellen wir eine Liste von Suchbegriffen zusammen, die in Tabelle 1 dargestellt ist. Diese Schlüsselbegriffe suchen wir in den Abschnitten der Ausschreibungstexte, die die inhaltliche Ausrichtung der Professuren enthalten. In den meisten Fällen werden in diesem Abschnitt der Titel der Professur sowie eine kurze Beschreibung des gewünschten Lehr- und Forschungsschwerpunktes genannt. Es ist allerdings zu beachten, dass sich die gesuchten Begriffe nicht gegenseitig ausschließen, da in vielen Ausschreibungen mehrere mögliche passende Forschungsausrichtungen der Kandidatinnen und Kandidaten genannt werden. Zum Vergleich zeigen wir auch die Entwicklung traditioneller Denominationen mit Bezügen zu Mikro- oder Makroökonomie. Selbstverständlich schließen sich auch hier die Suchbegriffe nicht gegenseitig aus, beispielsweise wenn eine Professur mit der Denomination „Makroökonomik und digitaler Wandel“ (Universität Stuttgart, im Jahr 2020) gesucht wird.
Neben den inhaltlichen Profilen interessiert uns, wie sich die formalen Anforderungen an Bewerberinnen und Bewerber auf die ausgeschriebenen Professuren im Zeitablauf verändert haben. Bei den formalen Anforderungen interessiert uns besonders, welche Rolle die Einwerbung von Drittmitteln einnimmt, inwiefern Interdisziplinarität in den Ausschreibungen gewünscht wird und ob Aufgaben in der akademischen Selbstverwaltung erwähnt werden. Für diese Kriterien stellen wir eine Liste von einschlägigen Suchbegriffen zusammen, anhand derer wir die Texte durchsuchen. Die Liste dieser Begriffe ist in Tabelle 1 angegeben.
Wortsuche in den Ausschreibungstexten
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Oberthema |
Suchbegriffe |
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|
Drittmittel |
DFG |
Drittmittelprojekte |
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|
DFG-gefördert |
external funding |
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|
Drittmittel |
external research funding |
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|
Drittmitteleinwerbung |
third-party funding |
|
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drittmittelfinanziert |
third-party fundraising |
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|
drittmittelgefördert |
|
|
Interdisziplinarität |
fachübergreifend |
interdisziplinär |
|
|
fakultätsübergreifend |
multidisziplinär |
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|
interdisciplinary |
transdisziplinär |
|
Akademische Selbstverwaltung |
Selbstverwaltung |
|
|
Digitalisierung |
Artificial Intelligence |
datengetrieben |
|
|
business analytics |
digital |
|
|
data |
Digitalisierung |
|
|
data analytics |
digitalization |
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|
data-driven |
Künstliche Intelligenz |
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data science |
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Nachhaltigkeit |
compliance |
nachhaltig |
|
|
Energie |
Nachhaltigkeit |
|
|
energy |
social |
|
|
ESG |
sustainability |
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|
governance |
sustainable |
|
|
Klima |
Umwelt |
|
|
Klimawandel |
|
|
Migration |
Migration |
Migrationsökonomie |
|
|
Migrationsforschung |
Migrationspolitik |
|
Globalisierung |
Außenwirtschaft |
Handel |
|
|
global |
trade |
|
|
Globalisierung |
|
Quelle: eigene Zusammenstellung
3.1 Inhaltliche Profile
Wie haben sich die inhaltlichen Profile der ausgeschriebenen Professuren verändert? Die großen gesamtgesellschaftlichen Themen spiegeln sich deutlich in den Denominationen und der inhaltlichen Schwerpunktsetzung der Professuren wider. In Abbildung (4) zeigen wir den Anteil der Ausschreibungen, in denen die inhaltsbezogenen Abschnitte der Ausschreibungstexte einen Bezug zum Megathema Digitalisierung aufweisen. Dieser Anteil ist von 0 Prozent im Jahr 2015 auf 32 Prozent im Jahr 2022 gestiegen. Vor allem im Jahr 2020 zeigte sich ein starker Anstieg von 12 Prozent auf 23 Prozent, worauf allerdings wiederum ein ebenso starker Einbruch auf 11 Prozent im Jahr 2021 folgte.

Anteil der Ausschreibungen mit inhaltlichem Bezug zu Digitalisierung
Anmerkung: Die grauen Balken geben den Anteil der Ausschreibungen an, in denen wir einen inhaltlichen Bezug der Professur zum Thema Digitalisierung finden. Die rote Linie zeigt das Dreijahresmittel.
Quelle: eigene Darstellung
Auch das zweite Megathema Nachhaltigkeit findet sich in der inhaltlichen Ausrichtung der volkswirtschaftlichen Professuren. Dabei ist der Anteil von Professuren mit Bezug zu Nachhaltigkeit in jedem untersuchten Jahr höher als der Anteil von Professuren mit Bezug zum Thema Digitalisierung und startet zu Beginn unseres Beobachtungszeitraums im Jahr 2014 bereits bei 34 Prozent (siehe Abbildung 5). Während der Anteil der Professuren in den meisten Jahren um etwa 30 Prozent schwankt, gibt es 2019 und 2022 deutlich positive Ausschläge mit 42 beziehungsweise 53 Prozent der ausgeschriebenen VWL-Professuren, die inhaltliche Bezüge zum Thema Nachhaltigkeit aufweisen.

Anteil der Ausschreibungen mit inhaltlichem Bezug zu Nachhaltigkeit
Anmerkung: Die grauen Balken geben den Anteil der Ausschreibungen an, in denen wir einen inhaltlichen Bezug der Professur zum Thema Nachhaltigkeit finden. Die rote Linie zeigt das Dreijahresmittel.
Quelle: eigene Darstellung
Das dritte Thema, das wir in den Ausschreibungstexten analysiert haben, ist Migration. Abbildung 6 zeigt, dass der Anteil der Ausschreibungen mit inhaltlichen Bezügen zum Thema Migration zunächst von 4 Prozent im Jahr 2014 auf 8 Prozent im Jahr 2018 steigt. Nach einem Einbruch auf 5 Prozent beziehungsweise 6 Prozent in den Jahren 2019 und 2020 steigt der Anteil im Jahr 2021 auf seinen bisherigen Höchstwert von 15 Prozent. Auch in diesem Fall finden gesellschaftliche Herausforderungen ihren Widerhall auf dem akademischen Arbeitsmarkt für Volkswirtinnen und Volkswirte.

Anteil der Ausschreibungen mit inhaltlichem Bezug zu Migration
Anmerkung: Die grauen Balken geben den Anteil der Ausschreibungen an, in denen wir einen inhaltlichen Bezug der Professur zum Thema Migration finden. Die rote Linie zeigt das Dreijahresmittel.
Quelle: eigene Darstellung
Im Unterschied zu den Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Migration hat das Thema Globalisierung, siehe Abbildung 7, eine gleichbleibend hohe Relevanz während des gesamten Beobachtungszeitraums von 2014 bis 2022. Der Anteil der Ausschreibungen mit einem inhaltlichen Bezug zu Globalisierung liegt zwischen 37 Prozent im Jahr 2016 und 53 Prozent im Jahr 2018. Dies spiegelt vermutlich wider, dass Globalisierung eines der Kernthemen der Volkswirtschaftslehre darstellt und der akademische Arbeitsmarkt dieses Thema bereits früher aufgegriffen hat, beziehungsweise dass die Relevanz auch weiterhin besteht. Es wird interessant sein, wie sich dieser Anteil der Ausschreibungen in Zukunft angesichts der momentanen weltweiten Fragmentierung der Güter- und Finanzmärkte entwickeln wird.

Anteil der Ausschreibungen mit inhaltlichem Bezug zu Globalisierung
Anmerkung: Die grauen Balken geben den Anteil der Ausschreibungen an (in %), in denen wir einen inhaltlichen Bezug der Professur zum Thema Globalisierung finden. Die rote Linie zeigt das Dreijahresmittel.
Quelle: eigene Darstellung
Die Herausbildung neuer inhaltlicher Profile kann das Ergebnis der Einführung von Tenure-Track-Positionen sein, oder aber die Motivation für die Ausschreibung derartiger Positionen. Die Daten erlauben uns nicht, eine Aussage darüber zu machen, ob die inhaltliche Ausdifferenzierung kausal durch die Einrichtung von Tenure-Track-Professuren getrieben wurde, oder ob die Einführung von Tenure-Track-Positionen Anlass war, das inhaltliche Profil weiterzuentwickeln. Trotz dieser Einschränkungen können die Daten zumindest interessante Aufschlüsse über Korrelationen geben. In einer einfachen Querschnittsregression regressieren wir den Tenure-Track-Dummy auf die Dummyvariablen, die für die inhaltlichen Profile stehen. Den starken Anstieg der Tenure-Track-Positionen über die Zeit bilden wir mit einem Fixed-Effekt für die Perioden 2017–2019 und 2020–2022 ab. Tabelle 2 zeigt, dass lediglich die Bezüge zum Thema Digitalisierung signifikant sind. Wir können also schlussfolgern, dass es sich bei einer Professur mit inhaltlichem Bezug zum Thema Digitalisierung signifikant wahrscheinlicher um eine Tenure-Track-Professur handelt.
Regressionsergebnisse
|
|
abhängige Variable: Tenure Track |
|
Nachhaltigkeit |
0,070 (0,158) |
|
Digitalisierung |
0,399* (0,211) |
|
Migration |
0,344 (0,284) |
|
Globalisierung |
–0,128 (0,150) |
|
2017–2019 |
0,639*** (0,199) |
|
2020–2022 |
0,976*** (0,198) |
|
Konstante |
–1,502 (0,174) |
|
Beobachtungen |
429 |
|
Log-Likelihood |
–190,940 |
|
AIC |
395,879 |
Anmerkung: Ergebnisse eines Probit-Modells. Ein Signifikanzniveau von 1 %, 5 % und 10 % wird durch ***, ** und * gekennzeichnet.
Quelle: eigene Berechnung
Traditionell wurden volkswirtschaftliche Professuren oft als Professur für Mikro- oder Makroökonomie ausgeschrieben, häufig mit einer Schwerpunktbildung wie beispielsweise „Mikroökonomie und Außenwirtschaft“ (Universität Duisburg-Essen, im Jahr 2014) oder „Makroökonomik und Arbeitsmarktforschung“ (FAU Nürnberg, im Jahr 2014). Zum Abschluss untersuchen wir die Entwicklung dieser traditionellen Säulen des Faches und durchsuchen die stellenbezogenen, inhaltlichen Abschnitte der Ausschreibungstexte nach den Begriffen „Mikro“ beziehungsweise „Makro“. Abbildung 8 zeigt die Quote der Professuren mit Bezug zu Mikroökonomie oder Makroökonomie seit 2014. In unserer Stichprobe ist kein eindeutiger Trend erkennbar. Im Jahr 2022 wird in je 24 Prozent der Professuren Mikro- und in 15 Prozent der Professuren Makroökonomie erwähnt, verglichen zu 18 Prozent (Mikroökonomie) und 23 Prozent (Makroökonomie) im Jahr 2014.

Anteil der Ausschreibungen mit inhaltlichen Bezügen zu Mikro- und Makroökonomie
Anmerkung: Die blauen (grauen) Balken geben den Anteil der Ausschreibungen an, in denen wir einen Bezug zum Thema Mikro (Makro) finden.
Quelle: eigene Darstellung
3.2 Formale Anforderungskriterien
Neben den inhaltlichen Profilen der ausgeschriebenen Professuren werfen wir einen Blick auf die Entwicklung der formalen Anforderungskriterien in den Ausschreibungstexten. Abbildung 9 macht deutlich, dass Drittmittel eine wichtige Rolle in den vorliegenden Ausschreibungen spielen. Ihre Rolle nimmt im Zeitablauf sogar weiter zu.

Anteil der Ausschreibungen mit Bezug zu Drittmitteln im Ausschreibungstext
Anmerkung: Die grauen Balken geben den Anteil der Ausschreibungen an, in denen wir einen Bezug zu Drittmitteln finden. Die rote Linie zeigt das Dreijahresmittel.
Quelle: eigene Darstellung
Der Anteil der Ausschreibungen mit Bezug zu Drittmitteln stieg von 54 Prozent im Jahr 2016 auf 85 Prozent im Jahr 2021. Dies ist konsistent mit den Ergebnissen von Dohmen und Wrobel (2018), die zeigen, dass Drittmitteleinnahmen bei der Hochschulfinanzierung in den vergangenen Jahrzehnten eine immer wichtigere Rolle zukommen. Bundesweit haben sich die Drittmitteleinnahmen aus privaten Quellen zwischen 1995 und 2015 von 1,6 Mrd. auf 5,3 Mrd. Euro mehr als verdreifacht. Im gleichen Zeitraum haben sich auch die Drittmitteleinnahmen aus öffentlichen Quellen von 595 Mio. auf 1,9 Mrd. Euro verdreifacht.[2] Folglich ist es nicht verwunderlich, dass bereits in den Ausschreibungen der Professuren auf die Anforderung der Drittmitteleinwerbung hingewiesen wird.
Der Start des Tenure-Track-Programms im Jahr 2017 mit den ersten Ausschreibungen in den Jahren 2018 und 2019 hat auch die Relevanz von Interdisziplinarität in den Ausschreibungstexten verändert, wie in Abbildung 10 zu erkennen ist. Während im Jahr 2017 noch 27 Prozent der Ausschreibungen darauf Bezug nahmen, liegt dieser Anteil im Jahr 2019 schon bei 50 Prozent. Am aktuellen Rand sind die Themen Drittmittel und Interdisziplinarität weiterhin in fast jeder zweiten Ausschreibung zu finden.
Forschung und Lehre zählen zu den zentralen Aufgaben der Professorinnen und Professoren. Jedoch ist die Bereitschaft zur Übernahme von Aufgaben in der akademischen Selbstverwaltung ebenso Bestandteil vieler Anforderungsprofile in den untersuchten Stellenausschreibungen. Zu den Aufgaben der akademischen Selbstverwaltung gehören die Beteiligung in Gremien, Kommissionen und weiteren Organen der Hochschule, in denen wichtige hochschulbezogene Entscheidungen getroffen werden. Auch zu diesem Thema sehen wir in Abbildung 11 einen Anstieg der Erwähnungen in den Ausschreibungstexten zu Beginn des Tenure-Track-Programms. Im Jahr 2017 waren es noch 14 Prozent der Ausschreibungen, in denen der Begriff „Selbstverwaltung“ erwähnt wird. Danach steigt der Anteil kontinuierlich und erreicht im Jahr 2022 bereits 35 Prozent.

Anteil der Ausschreibungen mit Bezug zu Interdisziplinarität im Ausschreibungstext
Anmerkung: Die grauen Balken geben den Anteil der Ausschreibungen an, in denen wir einen Bezug zu Interdisziplinarität finden. Die rote Linie zeigt das Dreijahresmittel.
Quelle: eigene Darstellung

Anteil der Ausschreibungen mit Bezug zu akademischer Selbstverwaltung im Ausschreibungstext
Anmerkung: Die grauen Balken geben den Anteil der Ausschreibungen an, in denen wir einen Bezug zu akademischer Selbstverwaltung finden. Die rote Linie zeigt das Dreijahresmittel.
Quelle: eigene Darstellung
4 Fazit
Der akademische Arbeitsmarkt für Professorinnen und Professoren im Fach Volkswirtschaftslehre wandelt sich. Zwischen 2014 und 2022 hat Interdisziplinarität in jeder zweiten Ausschreibung eine Rolle gespielt und Drittmitteleinwerbung wird in der Spitze sogar in 85 Prozent der von uns untersuchten Ausschreibungstexte aller volkswirtschaftlichen Professuren in Deutschland genannt. Der Anteil an Ausschreibungen mit Bezug zu akademischer Selbstverwaltung beträgt im Jahr 2022 35 Prozent. Die Relevanz dieser Themen hat in den zurückliegenden Jahren noch zugenommen. Auch die inhaltlichen Profile der Professuren spiegeln die sich wandelnden gesellschaftlichen Themen wider. Bezüge zu den Themen Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Migration haben zugenommen. Das Thema Globalisierung hat hingegen eine gleichbleibend hohe Relevanz in den Ausschreibungen.
Seit dem Wintersemester 2016/17 sind die Studierendenzahlen in der VWL rückläufig, was sich in der zurückgehenden Zahl der Ausschreibungen spiegelt.[3] Wenn sich der Trend sinkender Studierendenzahlen nicht umkehren lässt, könnte dies künftig zu einer weiteren Reduktion der Ausschreibungen in der VWL führen. Für den wissenschaftlichen Nachwuchs ist dies mit Herausforderungen verbunden, insbesondere für diejenigen Wissenschaftler, die nicht Inhaberin oder Inhaber einer Tenure-Track-Professur sind.[4] Dies wird zu einem noch stärkeren Wettbewerb um die wenigen Lebenszeit-Professuren führen. In einem Nachfolgeprojekt wollen wir untersuchen, wie sich in den vergangenen Jahren das Anforderungsprofil an Publikationslisten für eine VWL-Professur verändert hat. Dies soll auch dabei helfen, Prognosen über künftige Publikationsanforderungen ableiten zu können.
Danksagung
Unser Dank gilt einem/einer anonymen Gutachter(in) für hilfreiche Kommentare. Wir bedanken uns zudem bei Thomas Frison vom Deutschen Hochschulverband (DHV) für die Bereitstellung der über den Ausschreibungsdienst versandten Ausschreibungstexte sowie bei Fabio Martin für die Unterstützung der Kompilation der Daten aus den Textdaten der Ausschreibungstexte.
Literaturverzeichnis
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Dohmen, D. und L. Wrobel (2018), Entwicklung der Finanzierung von Hochschulen und Außeruniversitären Forschungseinrichtungen seit 1995, Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS), Berlin.Search in Google Scholar
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Stock, K. und A. Walter (2024), The evolution of job postings for business administration professorships: Evidence for German universities in the 2014–2022 period, Working Paper, in Arbeit.Search in Google Scholar
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