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Rechtsfolgen der Geschäftsführung ohne Auftrag

  • Anne Röthel
    Anne Röthel
    Verf ist Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Europäisches und Internationales Privatrecht der Bucerius Law School, Hamburg, und Mitherausgeberin dieser Zeitschrift.
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Veröffentlicht/Copyright: 10. Juli 2012
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GRUNDSTUDIUMRechtsfolgen der Geschäftsführung ohne AuftragVon Professor Dr. Anne Röthel, Hamburg*Geschäftsführung ohne Auftrag i. S. der §§ 677 ff. BGB wirdzu den gesetzlichen Schuldverhältnissen gezählt. Gemeintist, dass ohne vertragliche Einigung eine Sonderbeziehungentsteht, die kraft Gesetzes schuldrechtliche Ansprüche be-gründet1. Der folgende Beitrag erläutert die GoA von ihrenRechtsfolgen her: Welche Ansprüche hat der Geschäftsführergegen den Geschäftsherrn, welche Ansprüche hat der Ge-schäftsherr gegen den Geschäftsführer? Welche sonstigenAuswirkungen hat das Vorliegen einer GoA auf andere An-sprüche? Der Beitrag richtet sich an Studierende im Grund-studium. Erste Kenntnisse zum Recht der GoA werden vo-rausgesetzt.I. ÜberblickDarstellungen zur GoA beginnen zumeist damit, dass zwischenverschiedenen Arten der GoA unterschieden wird. Im Vorder-grund steht dann die sog.echte, berechtigte GoAi. S. von § 683S. 1 BGB, die als Prototyp der GoA geschildert wird. Was untereiner echten, berechtigten GoA zu verstehen ist, wird erst dannverständlich, wenn man sich die Gegenbegriffe erschließt, alsodie unberechtigte und die unechte GoA. DieunberechtigteGoAist eine Geschäftsführung, bei der die Übernahme derGeschäftsführung nicht dem Interesse und dem wirklichenoder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entspricht (vgl.§ 684 S. 1 BGB), und dieunechte GoAist in § 687 BGB erläu-tert als eine Geschäftsführung, bei der der Geschäftsführer ent-weder das Geschäft irrtümlich für ein fremdes hält (§ 687 Abs. 1BGB) oder es bewusst für sich führen will (§ 687 Abs. 2 BGB).Für das Klausurgutachten hilft diese Einteilung der GoA inechte und unechte, berechtigte und unberechtigte jedoch nurbegrenzt weiter. Entscheidender ist es zu wissen, welche An-sprüche im Einzelnen zwischen Geschäftsherr und Geschäfts-führer bestehen. Erst im Rahmen der Anspruchsvoraussetzun-gen kann die Einteilung in echte und unechte, berechtigte undunberechtigte GoA dann wieder weiterhelfen.Sowohl in der Praxis als auch im Klausurgutachten stehenzwei Anspruchsziele im Rahmen der §§ 677–687 BGB im Vor-dergrund: erstens der Anspruch des Geschäftsführers gegenden Geschäftsherrn aufAufwendungsersatz(§§ 670, 683 S. 1BGB, unten II.) und zweitens der Anspruch des Geschäfts-herrn gegen den Geschäftsführer aufHerausgabe des Erlang-ten(§§ 681 S. 2, 667 BGB, unten III.). Daneben kann der Ge-schäftsherr vom Geschäftsführer wegen Geschäftsführung oh-ne Auftrag Ansprüche aufSchadensersatzhaben (§§ 677, 280BGB sowie § 678 BGB, unten IV.). Schließlich kann der Ge-schäftsführer vom Geschäftsherrn Herausgabe der Bereiche-rung verlangen (§ 684 S. 1 BGB, unten V.).II. Anspruch des Geschäftsführers auf Aufwendungsersatz(§§ 683 S. 1, 670 BGB)Der praktisch wichtigste Folgeanspruch der GoA ist in §§ 683S. 1, 670 BGB »versteckt«. Danach kann der Geschäftsführervom Geschäftsherrn wie ein Beauftragter Ersatz seiner Aufwen-dungen verlangen. Durch die Wendung »wie ein Beauftragter«wird auf § 670 BGB verwiesen. Ersatzfähig sind also nur Auf-wendungen, die der Geschäftsführer für erforderlich halten durf-te.1. AnwendungsbereichDer Anspruch auf Aufwendungsersatz setzt gemäß § 683 S. 1BGB voraus, dass die Übernahme der Geschäftsführung demInteresse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willendes Geschäftsherrn entspricht. Aus der systematischen Stellunginnerhalb der §§ 677–687 BGB und im Gegenschluss zu § 687BGB ergibt sich also, dass es sich um eine sog. echte, berechtigteGoA handeln muss. Dies wird zumeist in den vier Vorausset-zungen »Besorgung eines fremden Geschäfts«, »Fremdge-schäftsführungswille«, »Berechtigung« und »ohne Auftrag«ausgedrückt2. Merke also: im Rahmen einer echten, berechtig-ten Geschäftsführung ohne Auftrag kann der Geschäftsführervom Geschäftsherr Ersatz seiner Aufwendungen verlangen.2. AufwendungenWas Aufwendungen sind, ist im BGB nicht definiert. Ähnlich wieim natürlichen Sprachgebrauch werden Aufwendungen ver-standen alsfreiwillige Vermögensopfer. Werden Aufwendungenauf eine Sache gemacht, z. B. indem eine Sache repariert wird,werden sie alsVerwendungen bezeichnet (etwa in § 994 BGB).Beispiel Nr. 1: A bringt den Schwerverletzten S mit seinem Autoins Krankenhaus. Für die Rettungsfahrt hat A verschiedene Opfererbracht: Er hat Zeit eingesetzt, sein Fahrzeug ist abgenutzt worden,und ihm sind Verbrauchskosten entstanden. Er verlangt nun von SErsatz seiner Aufwendungen. S meint, es handele sich nicht umAufwendungen. Zu Recht?Alle diese »Opfer« sind dem A in dem Sinne freiwillig entstanden,als sie auf seinen freiwilligen Entschluss zurückgehen, den S insKrankenhaus zu bringen. Es handelt sich daher um freiwillig erlit-tene Einbußen. Abnutzung und Verbrauchskosten sind auch un-zweifelhaft Vermögensopfer und daher in jedem Fall als Aufwen-dungen i. S. der §§ 683 S. 1, 670 BGB ersatzfähig. Zweifelhaft ist, obdies auch für die aufgewendete Zeit gilt; dazu sogleich.Zeit als Aufwendung?Zweifelhaft ist, ob auch die für eine Geschäftsführung auf-gewendete Zeit ein freiwilliges Vermögensopfer und daher eineersatzfähige Aufwendung darstellt.Beispiel Nr. 2: D ist Dachdecker. Nach einem Sturm wird dasDach seines verreisten Nachbarn N zum Teil abgedeckt. D repariertdas Dach fachgerecht und präsentiert dem N nach dessen Rück-kehr die Rechnung, bei der er neben den Materialkosten seinenüblichen Stundensatz von 405zugrunde gelegt hat. D verlangtvon N Ersatz seiner Aufwendungen. N ist allenfalls bereit, demD die aufgewendeten Materialien zu ersetzen. Zu Recht?598DOI: 10.1515/jura-2012-0136*Verf ist Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Europäisches undInternationales Privatrecht der Bucerius Law School, Hamburg, und Mitheraus-geberin dieser Zeitschrift.1Siehe bereitsRöthel, Gesetzliche Schuldverhältnisse: Eine Einführung,JURA2012, 362.2Jauernig/Mansel§ 677 Rn 2 ff;LooscheldersSchuldrecht Besonderer Teil,7. Aufl 2012, Rn 841 ff;RöthelSchuldR BT/2, 2009, Rn 5 ff;Brox/WalkerBe-sonderes Schuldrecht, 35. Aufl 2011, § 36 Rn 2 ff.Heft 8/2012JURAGRUNDSTUDIUMRechtsfolgen der Geschäftsführung ohne AuftragAnne Röthel
Published Online: 2012-7-10
Published in Print: 2012-7

© 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston

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