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E-Books – eine Herausforderung für Öffentliche Bibliotheken

  • Klaus-Peter Böttger EMAIL logo
Published/Copyright: March 19, 2015

Zusammenfassung

Insbesondere Öffentliche Bibliotheken stehen bei der Verfügbarkeit von E-Books und damit der aktuellen Anpassung ihrer Serviceleistungen vor großen Problemen europaweit. Was nach aktuellem Urheberrecht für physische Medien geregelt ist, wird derzeit für digitale Medien mittels Lizenzen vereinbart. Aufgrund dieser rechtlichen Rahmenbedingungen und des Finanzverhaltens von Verlagen ist die Aufgabe der Öffentlichen Bibliotheken in der Zukunft gefährdet.

Abstract

Especially in Europe, public libraries have problems with the availability of e-books and, as a consequence, with the adjustment of their services. Tangible objects are regulated by the copyright law, but intangible objects are acquired by licenses. On the basis of this current legal framework as well as the publishers’ business policy, the future of public libraries is endangered.

Schlüsselwörter: E-Books; Urheberrecht; Lizenzen

1 Einleitung

Bibliotheken, vor allem Öffentliche Bibliotheken, haben sich im Laufe ihrer Geschichte analog der Medienentwicklung und Entwicklung der Publikationsformen diesem Markt und den damit verbundenen Erwartungen und Bedürfnissen ihrer Kunden permanent angepasst. Kunden- und Bedarfsorientierung bedeutete immer auch die Adaption marktakzeptierter Formen. Dass dies bei einigen Medien zu kritischen Debatten hinsichtlich der Aufnahme in die Bestände bzw. Konzeption der Bestandsentwicklung führte, gehörte zur jeweils sich aktualisierenden Positionsbestimmung der Bibliothek. Nicht jede Neuentwicklung wurde selbstverständlich als in die mediale Vielfalt der Bestände aufzunehmendes Element gesehen. Und nicht jedes bibliothekarische Selbstverständnis akzeptierte z. B. verschiedene Arten von Spielkonsolen. Dennoch bildete die Bibliothek bislang das am Markt verfügbare Spektrum an Medien bedarfsorientiert ab, entwickelte medienabhängige Kriterien für den Bestandsaufbau und verstand diese konvergenten Ergänzungen als sinnvolle und unverzichtbare Bestandsegmente. Auch die Integration von kostenfreien und kostenpflichtigen Datenbanken, frei zugänglichen Internetplätzen als elektronische Informationsquellen stellt aus heutiger Sicht eine selbstverständliche Erweiterung des Informationsangebotes und Serviceportfolios einer Bibliothek dar.

Die Digitalisierung in Zusammenhang mit der Verbreitung und Anwendbarkeit des Internet hat alle Medienbranchen revolutioniert, in unterschiedlichem Maße verändert und wirtschaftlich beeinflusst. Vor allem die Musikindustrie war zunächst von der Digitalisierung ihrer physischen Medien betroffen, zuerst als legal, später als illegal verbreitete Musik-Datei, da zu der Zeit noch keine wirtschaftlich funktionierenden und keine kundenorientierten Geschäftsmodelle existierten. Aber auch andere Mediensektoren, wie die Filmbranche oder im Printbereich vor allem die Zeitungsverlage, haben mit den Auswirkungen des veränderten Medienverhaltens, der Zugänglichmachung und Verfügbarkeit ihrer Produkte zu kämpfen, sowohl im rechtlichen, wie auch im wirtschaftlichen Kontext.

Bereits im Jahre 2000 experimentierte die Stadtbibliothek Duisburg in einem mit Landesmitteln geförderten Projekt mit dem Rocket E-Book, einem Reader von NuovoMedia, allerdings mit sehr geringem Erfolg und Resonanz, da sowohl das Angebot an ÖB-relevanter Literatur als auch die Nachfrage bei Lesern nur sehr gering war. Zu diesem Zeitpunkt waren noch keine sich gegenseitig ergänzenden Wechselwirkungen von Preis, Marktdurchdringung, kostengünstigen Geräten und auf diese Weise und in größerem Umfang publizierenden Verlagen gegeben, auch wenn die wissenschaftliche Fachliteratur bereits im Jahr 2007 zu 30 % auch als E-Book verfügbar war.

Dies ist in etwa der Zeitpunkt, an dem sich der Digitalmarkt auch für den deutschen Buchsektor entscheidend verändert – der erste Kindle kommt im November 2007 auf den Markt – und die Fragestellung der Aufnahme von E-Books in den Bestand für Öffentliche Bibliotheken wird erneut virulent. Seitdem hat dieses neue Medium mehr oder weniger unvorbereitet und überraschend für Unruhe, Unklarheiten und Missstimmungen gesorgt.

2 E-Book

Im Folgenden wird der Begriff des E-Books auf der Grundlage der Definition des Bibliotheksportals verwendet: „Ein E-Book ist ein in elektronischer Form verfügbarer Inhalt, der zum Nachschlagen oder Lesen Geräte mit Bildschirm benötigt. E-Books werden in der Regel auf ein tragbares Gerät heruntergeladen (wie E-Reader, PCs, Handy, Smartphones oder Tablet-PCs). Zunehmend werden auch andere Inhalte wie Filme, Hörbücher und Zeitschriften als digitale Version, als E-Medien angeboten“[1]. Diese begriffliche Bestimmung orientiert sich weitestgehend an der von Daniela Zivkovic[2]; allerdings ergänzt diese den reinen Text: „In addition to text it may include images and sound, links to related online pages and software to change and supplement it“.

Dennoch lassen sich eine Vielzahl anderer, wenn auch ähnlicher Definitionen finden, da aufgrund der technischen Entwicklung dieses Mediums die Eigenschaften als noch nicht abschließend und verbindlich angesehen werden können. Die Definition legt zunächst nahe, dass aufgrund der identischen Inhalte ein Buch und ein E-Book annähernd gleich seien bzw. das E-Book nur als digitale Kopie des gedruckten Buchs verstanden wird. Bereits die von Zivkovic genannten ggf. zusätzlichen Mehrwerte und technischen Möglichkeiten machen deutlich, dass diese Gleichsetzung bei aller Ähnlichkeit nicht angebracht ist, eine gedruckte Fassung nicht mehr mit der elektronischen Fassung vergleichbar sein muss.

3 Unterschiede zwischen dem E-Book und dem gedruckten Buch

Auch wenn für manche Diskussionen die beiden Formen des Buches auf eine Stufe gestellt werden, so sind sowohl von der Handhabung aus Kundensicht als auch von der juristischen Sichtweise die Unterschiede zwar einerseits belegbar, aber sie werfen in den Konsequenzen durchaus erhebliche Unsicherheiten und Interpretationsspielräume auf. Bruno Wenk[3] weist darüber hinaus bei der Darstellung der diversen e-Formate und technisch-gestalterischer Ausprägungen darauf hin, dass es mit einer Definition nicht getan ist, da sich eben hierin zusätzliche Differenzierungen verbergen:

  1. E-Books im pdf-Format

  2. E-Books im EPUB 2-Format

  3. E-Books im EPUB 3-Format

  4. E-Books im Kindle-Format

  5. E-Books in Form von Apps

  6. Online E-Books

  7. Hybride E-Books

  8. E-Book-Streaming

Dabei wird an dieser Stelle außer Acht gelassen, dass trotz der Empfehlung an die EU-Kommission des EPUB3-Formats als einheitlichem Standardformat einige E-Book-Produzenten mit proprietären Formaten ihre Märkte auf diese Weise abschotten und mittels Inkompatibilität ihre Kunden an ihre Geräte und Formate binden.

Aus Verbrauchersicht weist das E-Book die folgenden Unterschiede und damit in der Regel praktischen Vorteile gegenüber dem gedruckten Buch auf. Die Nachteile sind in Darstellungen quantitativ meist eher unterlegen. Als Vorteile des E-Books werden angeführt:

  1. Das E-Book ist preislich günstiger als das gedruckte Buch, was in Deutschland sowohl für Endkunden als auch für Bibliotheken zutrifft. In den USA, wo es keine Preisbindung gibt, trifft dies bspw. nicht unbedingt zu, so dass im Einzelfall ein fünf- bis siebenfach höherer Preis von Bibliotheken für eine Lizenz zu zahlen sind als der Endkunde sie zu tätigen hat.

  2. E-Books erleichtern das Gepäck zu welchen Anlässen auch immer, so dass nur der E-Reader, das Tablet oder andere Geräte ins Gewicht fallen.

  3. Aufgrund der Kapazitäten der Lesegeräte kann man seine gesamte digitale Bibliothek auf einem solchen Gerät unterbringen.

  4. Das Erwerben oder Ausleihen, das Downloaden kann jederzeit an jedem Ort geschehen.

  5. Die Zusatzfunktionen technischer Art wie Lesezeichen, Möglichkeiten, Notizen einzufügen, Suchfunktionen, integrierte Wörterbücher u.ä. können einen erheblichen Mehrwert darstellen.

Demgegenüber stehen vornehmlich Argumente, die eben mit dem physischen Status des gedruckten Buches verbunden sind:

  1. Das haptische Erleben ist nicht vergleichbar mit dem konstant gleichen Empfinden eines gehaltenen Gerätes.

  2. Geruch, das Geräusch des Aufklappens und Blätterns, das Gefühl des bereits gelesenen Umfangs sind nur dem Buch eigen.

4 Unterschiede zwischen dem Buch und dem E-Book in rechtlicher Hinsicht

Allein diese profanen, alltäglichen Unterschiede umschreiben nicht das grundsätzliche Problem, ob und wann gedruckte Bücher und E-Books gleich zu behandeln sind oder wie und wo sie einer unterschiedlichen Betrachtung oder Interpretation unterliegen. Diese essentielle Fragestellung wird aufgrund ihrer in Teilen nicht eindeutig möglichen Beantwortung vielerorts häufig diskutiert, so u. a. auf dem Kölner Forum Medienrecht[4] oder auf bibliothekarischen Fachtagungen. Hier sei beispielhaft auf den Vortrag von Ruth Katzenberger „error in objecto“[5] oder die rechtliche Darstellung von Oliver Hinte beim Verband der Bibliotheken des Landes NRW[6] hingewiesen. Immer wieder geht es um die Frage, wo rechtliche Rahmenbedingungen für physisches Material (tangible objects, wie es die WIPO bezeichnet) oder nicht-physisch vorliegendes digitales Material (intangible objects) gleichzusetzen sind, wo sie sich unterscheiden oder eine Interpretation in beiderlei Richtung vorgenommen werden kann.

5 Mehrwertsteuer

Gedruckte Bücher und E-Books werden steuerrechtlich derzeit unterschiedlich in Deutschland behandelt. Bücher werden mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz in Höhe von 7 % besteuert, E-Books hingegen mit dem Normalsatz von 19 %. In Bezug auf die steuerrechtliche Behandlung ist man sich bei Verlagen, Bibliotheken und auch der Politik in Deutschland einig. Im Koalitionsvertrag[7] zwischen CDU/CSU und SPD wurde vereinbart, nicht nur den ermäßigten Mehrwertsteuersatz (7 % statt des Regelsatzes von 19 %) für Hörbücher einzuführen, sondern auch auf europäischer Ebene darauf hinzuarbeiten, diesen ermäßigten Satz auf E-Books, E-Papers und andere elektronische Informationsmedien anzuwenden. Letzteres ist ein europäisches Problem, da die Mehrwertsteuersystemrichtlinie der EU (112/2006/EG) für digitale Dateien Ausnahmen vom normalen Mehrwertsteuersatz nicht vorsieht. Hier offenbart sich eine anderweitige Interpretation, da der Grundsatz der unterschiedlichen steuerrechtlichen Behandlung gleichartiger Gegenstände oder Dienstleistungen nicht zulässig sei.[8] Es sei bei der Frage, ob Gegenstände – damit sind die gedruckten Bücher gemeint – oder Dienstleistungen – hier E-Books – gleichartig seien, um in erster Linie auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Gegenstände oder Dienstleistungen seien gleichartig, wenn sie ähnliche Eigenschaften haben und beim Verbraucher nach einem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zwischen diesen Gegenständen oder Dienstleistungen nicht erheblich beeinflussen.

In einigen EU-Staaten existieren auch Vorbehalte gegen eine Gleichbehandlung von E-Books und gedruckten Büchern[10][9]. Allerdings haben Frankreich und Luxemburg sowie seit 2015 auch Italien und Malta diesen Schritt gewagt und eigenständig die Steuersätze für elektronische Bücher von 19,6 % auf 7 % bzw. in Luxemburg von 15 % auf 3 % reduziert, ein gewichtiger Grund dafür, dass große E-Book-Anbieter ihre europäischen Aktivitäten von Luxemburg aus betrieben. Seit Beginn des Jahres 2015 ist dieses steuerliche Schlupfloch indes nicht mehr existent, da bei Verkäufen an Privatkunden der Mehrwertsteuersatz des Landes anfällt, in dem der Kunde ansässig ist.

Ein weiteres Argument der Verlage für die identische steuerliche Behandlung von gedruckten Büchern und E-Books liegt in der Problematik des sog. Bundles-Splittings. Kombinierte Produkte von Printbüchern mit eingedrucktem E-Book-Zugangscode sind steuerlich wie zwei eigenständige Leistungen und Produkte zu behandeln, so dass für das Printprodukt der reduzierte Mehrwertsteuersatz gilt, für den E-Book-Teil allerdings der Normalsatz.

Tab. 1:

MWSt9

LandAbkürzungNormalsatz MWStErmäßigte SätzeMWSt BücherMWSt Bücher auf anderen phys. Trägern
BelgienBE216 bzw. 12621
BulgarienBG2092020
Tschechische RepublikCZ2110 bzw. 151021
DänemarkDK252525
DeutschlandDE197719
EstlandEE209920
GriechenlandEL236,5 bzw. 136,523
SpanienES214 bzw. 1044
FrankreichFR202,1 bzw. 5,5 bzw. 105,55,5
KroatienHR255 bzw. 1355
IrlandIE234,8 bzw. 9 bzw. 13,5023
ItalienIT224 bzw. 1044
ZypernCY195 bzw. 9519
LettlandLV21121221
LitauenLT215 bzw. 9921
LuxemburgLU173 bzw. 833
UngarnHU275 bzw. 1855
MaltaMT185 bzw. 755
NiederlandeNL21666
ÖsterreichAT20101020
PolenPL235 bzw. 8523
PortugalPT236 bzw. 1366
RumänienRO245 bzw. 999
SlowenienSI229,59,59,5
Slowakische RepublikSK20101020
FinnlandFI2410 bzw. 141024
SchwedenSE256 bzw. 1266
Vereinigtes KönigreichUK20500

6 Preisbindung

Hinsichtlich der Preisbindung, wie sie im Gesetz über die Preisbindung für Bücher (Buchpreisbindungsgesetz – BuchPrG) vom 14.07.2006[11] festgeschrieben wurde, sehen die Verlage ebenfalls eine Gleichbehandlung von gedruckten Büchern und E-Books gegeben, da nach § 2 Abs. 1 Bücher sind im Sinne dieses Gesetzes: „Produkte, die Bücher, Musiknoten oder kartographische Produkte reproduzieren oder substituieren und bei Würdigung der Gesamtumstände als überwiegend verlags- oder buchhandelstypisch anzusehen sind sowie kombinierte Objekte, bei denen eines der genannten Erzeugnisse die Hauptsache bildet.“ Von daher findet man bei allen Lieferanten denselben Preis vor. Es gibt allerdings auch Ausnahmen, wenn ein Verlag die e-Version aufgrund von Anreicherungen als nicht mit dem gedruckten Buch gleichzusetzendes Produkt sieht und einen von ihm dafür angesetzten höheren Preis trotz Titelgleichheit festlegt.

Der Österreichische Nationalrat hat – um klare Verhältnisse herzustellen – hierzu sein Bundesgesetz über die Preisbindung bei Büchern entsprechend aktualisiert. Es ist seit dem 1.12.2014 in Kraft, so dass nun explizit das E-Book „als digital abrufbarer und speicherbarer Buchinhalt, der über geeignete Endgeräte, wie insbesondere e-reader, Tablets und Smartphones lesbar gemacht wird“[12] definiert worden ist. Interessanterweise wird hier bei den E-Books nicht von einer Dienstleistung, sondern von Ware gesprochen.

7 Widerrufsrecht

Seit dem 13. Juni 2014 gilt in Deutschland das Widerrufsrecht auch für E-Books und es stellt sich somit die Frage, ob damit eine Gleichstellung erreicht wurde. Jeder Verbraucher hat an sich das Recht, nach § 355 BGB innerhalb bestimmter Fristen, in der Regel 14 Tage, die Willenserklärung zum Vertrag zu widerrufen. Im Falle eines solchen Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Mit der Änderung des Verbraucherrechts gilt, dass auch Kunden, die E-Books erworben oder downgeloaded haben, diese zurückgeben können, sofern der Käufer nicht auf dieses Recht verzichtet.[13] Die Kosten der Rücksendung bei Widerruf trägt dann der Kunde. Der Kaufpreis muss aber erst erstattet werden, wenn der Händler die Ware erhalten hat bzw. ihm ein Nachweis für die Rücksendung vorliegt.

8 Ausleihen

Unabhängig von der Frage des Verleihrechts, ist die Frage berechtigt, ob der Begriff des Verleihens im Zusammenhang mit der Verfügbarmachung von E-Books überhaupt zutrifft. Wenn der Entleiher sein aus der Bibliothek entliehenes Medium zurückgibt, ist der Ausleihvorgang beendet und damit auch der Leihvertrag nach § 598 ff. BGB. Ein aktives Zurückgeben einer „ausgeliehenen“ oder heruntergeladenen Datei erfolgt seitens des Nutzers aber nicht, denn es erlischt nur der Zugang zu dieser Datei. Damit ist nach Auffassung von Hinte[14] auch keine Vergütung der Rechteinhaber im Sinne der Bibliothekstantieme erforderlich. Giessen[15] geht noch einen Schritt weiter und zweifelt an, ob die Verlage überhaupt das Recht zum E-Book-Verleih hätten, wenn das elektronische Nutzungsrecht nicht übertragen worden ist. Dies scheint in der Praxis durchaus zu Problemen zwischen Autoren, Verlagen und Verleihplattformen geführt zu haben. Im Frühjahr 2013 musste ein größerer deutscher Verlag bspw. seine Titel bzw. die Zugänge zu diesen aus dem Angebot des Aggregators zurückziehen, da diese zur Verfügung gestellt worden waren, ohne die Rechte für eine Vermarktung, im Sinne des Verleihs als E-Book, zu besitzen.

9 Erschöpfungsgrundsatz

Das grundsätzliche Problem liegt im Erschöpfungsgrundsatz (§ 17 Abs.2 UrhG) und dessen Grenzen. Wenn Gedrucktes, physische Medien, mit Zustimmung des Urhebers in den Verkauf gelangt sind, dann ist das Verbreitungsrecht erschöpft und somit ist die Weiterverbreitung, wie etwa der Verleih durch Bibliotheken, der Weiterverkauf, mit Ausnahme der Vermietung, zulässig. Für die Kompensation des Verleihs durch Bibliotheken hat der Gesetzgeber für Verlage und Autoren die Bibliothekstantieme geschaffen. Dies findet Anwendung nur auf körperliche Gegenstände, nicht auf E-Books, die als digitale Dienstleistung gesehen werden.[16]

Die Richtlinie der EG 2001/29/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft stellte damals klar: „Die Frage der Erschöpfung stellt sich weder bei Dienstleistungen allgemein noch bei Online-Diensten im Besonderen. Dies gilt auch für materielle Herstellungen [...]. Dasselbe gilt daher auch für die Vermietung oder den Verleih des Originals oder von Vervielfältigungsstücken eines Werkes oder eines sonstigen Schutzgegenstands, bei denen es sich dem Wesen nach um Dienstleistungen handelt. Anders als bei CD-ROM oder CD-I, wo das geistige Eigentum in einem materiellen Träger, d. h. einem Gegenstand verkörpert ist, ist jede Bereitstellung eines Online-Dienstes im Grunde eine Handlung, die zustimmungsbedürftig ist, wenn das Urheberrecht oder ein verwandtes Schutzrecht dies vorsieht“. Da es sich bei E-Books und dem Zugang zu dieser Datei um eine Dienstleistung handelt, trifft der Erschöpfungsgrundsatz nicht zu und somit muss die zustimmungsbedürftige Nutzung dieses digitalen Produkts auf anderem Wege, dem des Lizenzvertrages, erfolgen. Eine Lizenz ist die Befugnis oder Erlaubnis, das Immaterialgut eines Dritten benutzen zu dürfen. Dies wird in der Regel auf privatrechtlicher Basis in Form von Lizenzverträgen geregelt, so dass die Nutzungsrechte für den Lizenznehmer durch den Lizenzgeber und des zu zahlenden Lizenzentgelts geklärt sind. Eben dies geschieht in den Lizenzverträgen zwischen Verlag und dem jeweiligen Lizenznehmer, in der Regel einem Aggregator, der diese Nutzungsrechte an die Bibliothek weitergibt.

Dies erscheint eindeutig und erklärt, warum es nicht für alle auf dem Markt für den Privatkunden lieferbaren E-Books – auch hier handelt es sich übrigens nur um eine Erlaubnis der Nutzung, aber nicht um Kauf und Erwerb von Eigentum – nicht ebenfalls Lizenzen für Bibliotheken gibt. Der etwaige Lizenzgeber ist nicht verpflichtet, solche Verträge abzuschließen, oder – wie es die FEP (Federation of European Publishers) formulierte, der Lizenzgeber bestimmt die Inhalte und Konditionen eines solchen Vertrags.

Allerdings hat ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH)[17] zu Diskussionen geführt, ob dieser Erschöpfungsgrundsatz auch auf E-Books anwendbar sei. Der EuGH entschied, vereinfacht gesagt, dass Gebrauchtsoftware unter bestimmten Bedingungen weiterverkauft werden darf und somit die Erschöpfungsregelung auch für ein nicht-materielles Produkt gilt. Da sich dieses Urteil u. a. auf eine andere Richtlinie des Europäischen Parlaments bezieht, gab es in den folgenden Diskussionen unterschiedliche Einschätzungen, ob und wie weit dies Auswirkungen auf die Frage einer etwaigen Erschöpfung bei E-Books haben könnte.[18]

Aus den zahlreichen Uneindeutigkeiten, unterschiedlichen Interpretationen vorhandener gesetzlicher Rahmenbedingungen oder angenommener Übertragungen haben sich in den vergangenen Jahren diverse Rechtsstreitigkeiten ergeben, die, so der Eindruck, den Zweck hatten, gerichtlich Unklarheiten klären zu lassen, da der aktuelle gesetzliche Rahmen dies nicht unbedingt zulässt. Interessanterweise werden dabei ggf. in verschiedenen europäischen Ländern aufgrund nationaler Rahmenbedingungen oder anderer Auslegung zu gleichen oder zumindest ähnlichen Sachverhalten voneinander abweichende Urteile gefällt. Mittelfristig bleibt hier das letztinstanzliche Urteil des Europäischen Gerichtshofes abzuwarten.

In diesem Zusammenhang sind folgende Gerichtsverfahren und Urteile zu nennen, die feststellen sollten, ob der Erschöpfungsgrundsatz auch für E-Books gelte. Es wurde sowohl beim Landgericht Bielefeld[19] als auch beim OLG Hamm[20] beschlossen, dass der Weiterverkauf von E-Books, die im Zuge des Downloads gekauft worden sind, unzulässig ist. Andererseits hat ein Gericht in Amsterdam bei der Klage der holländischen Verleger gegen eine Plattform für den Verkauf gebrauchter E-Books zwischen Privatpersonen zugunsten der Plattform entschieden.[21] Somit ist festzustellen, dass auf europäischer Ebene großer Klärungsbedarf besteht.

Der holländische Bibliotheksverband wollte dieses klären lassen und führte einen Musterprozess gegen die dortige Verwertungsgesellschaft.[22] Hintergrund ist das holländische Urheberrecht, das den Öffentlichen Bibliotheken den Verleih physischer Medien erlaubt. Ob dieses Recht sich allerdings auch auf E-Books bezieht und damit eine gesonderte Rechteeinräumung der Urheber erfordert, ist unklar und soll somit ggf. auch vor dem Europäischen Gerichtshof geklärt werden.

Zwar dienen all diese Verfahren der rechtlichen Klärung der Situation, befördern aber nicht das derzeitige Verhältnis zwischen Verlagen und Bibliotheken, zumal die wirtschaftlichen Interessenlagen sehr unterschiedlich sind. So lehnt der Börsenverein, wie auf einem Symposium in Berlin[23] erneut geschehen, die Beschränkung von Urheberrechten ebenso ab wie die Erschöpfung von digitalen Rechten. Da zudem seitens des Bundeskartellamtes den Verlagen ein kollektives Verhandeln mit Bibliotheken über Vergütungsmodelle für die Onleihe untersagt ist, verbleibt für den Erwerb und den Verleih von E-Books nur der rechtliche Rahmen der Lizenz.

10 Lizenzen

Lizenz ist „die vom Inhaber eines [...] urheberrechtlichen Verwertungsrechts einem Dritten eingeräumte Befugnis, die dem Rechteinhaber zustehenden Verwertungsrechte auszuüben.“[24] Das bedeutet, dass die Bedingungen der Nutzung zwischen Lizenzgeber und Lizenznehmer ausgehandelt werden. Da E-Books unter die Preisbindung fallen, kann es im Wesentlichen nur um die Rahmenbedingungen gehen. Hieraus hat sich eine Vielzahl von Konditionen entwickelt, die in der folgenden Übersicht ohne Anspruch auf Vollständigkeit dargestellt sind. Eine Vollständigkeit kann insofern nicht erzielt werden, da verschiedene Lizenzformen miteinander über festgelegte Zeiträume kombiniert werden können.

Formen der Lizenzierungen:

  1. keine Gewährung von Lizenzen an Bibliotheken

  2. nur in anderem e-Format, vornehmlich als e-audio

  3. nur in Verbindung mit größeren Paketen

  4. Gewährung zu unvergleichlich höheren Preisen

  5. Preise abhängig vom Alter des Buches

  6. ausschließlich im Modus 1 Lizenz – 1 Nutzer gleichzeitig

  7. zeitlich limitierte Nutzung für 1, 4 oder eine andere festgelegte Anzahl von Jahren

  8. begrenzt durch die Anzahl von Nutzungen, so dass nach 26 oder 55 oder x e-Ausleihen eine neue Lizenz erworben werden muss

  9. Kontingente von Lizenzen zur parallelen, aber limitierten Nutzung

  10. Lizenzgebühr pro Click/Ausleihe

  11. Verfügbarkeit erst nach einer vom Verlag festgesetzten Zeit nach Veröffentlichung

  12. Download auf eine begrenzte Anzahl oder Art von Geräten

  13. Download ausschließlich nur in der Bibliothek oder auch von außerhalb

  14. Möglichkeiten für den Kunden zu begrenztem oder vollständigen Ausdruck oder Speichern

Hieraus ergibt sich die Tatsache, dass einige, insbesondere größere Verlage – in den USA waren es anfangs die sogenannten ‚Big Six‘ – grundsätzlich Lizenzen an Bibliotheken verweigern oder mit unannehmbaren Konditionen versehen. Dies führte dazu, dass über die vergangenen drei Jahre hinweg rund die Hälfte der auf der Spiegelbestsellerliste vorhandenen Titel als Lizenzen für Öffentliche Bibliotheken nicht verfügbar waren und den Bibliothekskunden somit vorenthalten wurden bzw. sie mussten auf andere, wesentlich teurere Anbieter ausweichen.

Tab. 2:

Spiegel-Bestseller (Stand: 03.11.2014)

Spiegel-Bestseller (www.buch-report.de) geprüft 06.11.2014Titel/Verfassergebundener Buchhandelspreisamazon Download Kindle = ebook.de = libreka.deekz OnleiheLizenzart (Standard, XL) bzw. Format
HardcoverDie Lebenden und die Toten/Nele Neuhaus19,99 €16,99 €nicht vorh.
22,99 €eAudio (M, 84)
Das Mädchen, das verstummte/Hjorth & Rosenfeldt19,95 €16,99 €nicht vorh.
Kruso/Lutz Seiler22,95 €19,99 €19,99 €M
24,99 €eAudio (M, 84)
Kinder der Freiheit/Ken Follett29,99 €22,99 €22,99 €M (48)
68,97 €XL (84)
Grimmbart/Klüpfel & Kobr19,99 €17,99 €nicht vorh.
29,99 €eAudio (M, 84)
Erlöst. House of night 12/Cast & Cast16,99 €14,99 €nicht vorh.
Untreue/Paulo Coelho19,90 €17,99 €nicht vorh.
Der Circle/Dave Eggers22,99 €19,99 €nicht vorh.
24,99 €eAudio (M, 84)
Skullduggery Pleasant/Derek Landy18,95 €nicht vorh.nicht vorh.
17,95 €eAudio (M, 84)
Bilder deiner großen Liebe/Wolfgang Herrndorf16,95 €14,99 €nicht vorh.
19,95 €eAudio (M, 84)
Die Frau auf der Treppe/Bernhard Schlink21,90 €19,99 €nicht vorh.
Endgame. Die Auserwählten/James Frey19,99 €9,99 €nicht vorh.
Von Männern, die keine Frauen.../Haruki Murakami19,99 €16,99 €nicht vorh.
Ein ganzes Leben/Robert Seethaler17,90 €13,99 €15,99 €Stand.
47,97 €XL
Das Pubertier/Jan Weiler12,00 €9,99 €nicht vorh.
10,95 €eAudio (M)
Ein Mann namens Ove/Fredrik Backman18,99 €16,99 €nicht vorh.
19,95 €eAudio (M, 84)
Der Horizont/Patrick Modiano17,90 €13,99 €13,99 €M
41,97 €XL
Der Jesus-Deal/Andreas Eschbach22,99 €16,99 €16,99 €M (84)
Spiel der Zeit/Ulla Hahn24,99 €19,99 €19,99 €M (48)
Pfaueninsel/Thomas Hettche19,99 €17,99 €nicht vorh.
Verfügbar20196 e-books7 eAudios
PaperbackMorgen kommt ein neuer Himmel/Lori Nelson Spielman14,99 €12,99 €nicht vorh.
19,95 €eAudio (M, 84)
Wind aus West mit starken Böen/Dora Heldt15,90 €13,99 €13,99 €M (48)
41,97 €XL
Krähenmädchen/Erik A. Sund12,99 €9,99 €9,99 €M (48)
Weit weg und ganz nah/Jojo Moyes14,99 €12,99 €nicht vorh.
19,95 €eAudio (M, 84)
Narbenkind/Erik A. Sund12,99 €9,99 €9,99 €M (48)
Ein ganzes halbes Jahr/Jojo Moyes14,99 €12,99 €nicht vorh.
15,99 €eAudio (M, 84)
Vielleicht morgen/Guillaume Musso14,99 €11,99 €nicht vorh.
19,99 €eAudio (M, 84)
Ich finde dich/Harlan Coben14,99 €11,99 €11,99 €M (48)
Eine Handvoll Worte/Jojo Moyes14,99 €12,99 €nicht vorh.
19,95 €eAudio (M, 84)
Missing New York/Don Winslow14,99 €12,99 €nicht vorh.
19,95 €eAudio (M, 84)
Das Küstengrab/Eric Berg14,99 €11,99 €11,99 €M (48)
Dunkler Donnerstag/Nicci French14,99 €11,99 €11,99 €M (48)
Mythos Academy. Frostkiller/Jennifer Estep16,99 €12,99 €nicht vorh.
Der Schwimmer/Joakim Zander14,99 €12,99 €nicht vorh.
Bretonisches Gold/Jean-Luc Bannalec14,99 €12,99 €nicht vorh.
Shades of Grey. Geheimes Verlangen/E.L. James12,99 €9,99 €9,99 €M (48)
Sommer der Wahrheit/Nele Löwenberg14,99 €12,99 €nicht vorh.
14,99 €eAudio (M, 84)
Shades of Grey. Befreite Lust/E.L. James12,99 €9,99 €9,99 €M (48)
Die Herren von Winterfell. 1. Das Lied von Eis/George R. R. Martin15,00 €11,99 €11,99 €M (48)
Shades of Grey. Gefährliche Liebe/E.L. James12,99 €9,99 €9,99 €M (48)
Verfügbar202010 e-Books7 eAudios
SachbücherDer Junge muss an die frische Luft/Hape Kerkeling19,99 €16,99 €nicht vorh.
19,99 €eAudio (M, 84)
Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle/Schwan & Jens19,99 €15,99 €15,99 €M (48)
Der Fluch der bösen Tat/Peter Scholl-Latour24,99 €19,99 €nicht vorh.
Gelassenheit/Wilhelm Schmid8,00 €7,99 €7,99 €M
Sechs Jahre/Charlotte Link19,99 €15,99 €15,99 €M (48)
Das Kapital im 21. Jahrhundert/Thomas Piketty29,95 €24,99 €49,98 €M
Leitfaden für britische Soldaten in Deutschland 19448,00 €7,99 €nicht vorh.
Die Würde ist unantastbar/Ferdinand von Schirach16,99 €12,99 €nicht vorh.
16,99 €eAudio (M, 84)
Wem gehört die Zukunft/Jaron Lanier24,99 €19,99 €19,99 €M
Gekaufte Journalisten/Udo Ulfkotte22,95 €nicht vorh.nicht vorh.
Verfügbar1095 e-books2 eAudios

Vergleicht man dies mit dem US-amerikanischen Markt und dem dortigen Verhalten der Verlage, so lassen sich nur leichte bibliotheksfreundlichere Verbesserungen nachweisen. An den folgenden Gegenüberstellungen aus zwei Jahren ist zu konstatieren, dass zwar die Anzahl der Lizenzen gestiegen ist, vor allem aber die preislichen Konditionen derer für Privatkunden und der für Bibliotheken stark voneinander abweichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es in den USA keine Preisbindung gibt, weder für gedruckte Bücher noch für E-Books.

Abb. 1: US-Preisvergleich vom September 2012 (Douglas County Libraries Report)
Abb. 1:

US-Preisvergleich vom September 2012 (Douglas County Libraries Report)

Abb. 2: US-Preisvergleich vom Mai 2014 (Douglas County Libraries Report)
Abb. 2:

US-Preisvergleich vom Mai 2014 (Douglas County Libraries Report)

11 Welche Möglichkeiten hat der Nutzer von E-Books auf dem deutschen Markt?

Das durch das Urheberrecht gesicherte Geschäftsmodell des Verleihs von Medien durch Bibliotheken bei angemessener Vergütung an die Autoren – bis zum Anfang der 1960er-Jahre gab es in Deutschland noch kommerzielle Leihbüchereien als Mitbewerber auf diesem Markt – wird aufgrund der privatrechtlichen Verlagerung in Form der Lizenzierung inzwischen von zahlreichen Mitbewerbern, Konkurrenten angeboten. Bei diesen Plattformen, Webseiten, E-Book-Shops ist zu unterscheiden zwischen denen, von denen kostenlos legal heruntergeladen werden kann, und denen, die via Einzelerwerb oder als Abonnementsmodell mit Flatrates E-Books bereitstellen.

Webseiten, von denen kostenlos gemeinfreie Titel heruntergeladen oder geliehen werden können, sind bspw.:[25]

  1. www.gutenberg.org mit rund 40 000 Werken der Weltliteratur

  2. www.archive.org mit über 6 Mio. Titeln

  3. www.ebook.de mit 250 Titeln

  4. www.bookrix.de, eine Selfpublishing-Plattform, die als Teil des Partnerwerbeprogramms von amazon fungiert, mit rund 60 000 meist selbstpublizierten Titeln

Im Sinne einer Bibliothekskonkurrenz und damit auch in Konkurrenz zum nicht-kommerziellen Angebot der Onleihe sind eher die Plattformen zu sehen, die ein aktuelles, attraktives Medienangebot zu unterschiedlichen finanziellen Konditionen anbieten und somit die kommerzielle Leihbücherei auf digitaler Basis auferstehen lassen. Die einzelnen digitalen Bibliotheken unterscheiden sich im Wesentlichen in Quantität und Qualität des Angebots, in den verfügbaren Plattformen, aber auch hinsichtlich der Zugangsbedingungen, der Anzahl entleihbarer Titel, der Anzahl parallel verwendbarer Geräte und vor allem der Kosten. So reicht die Bandbreite von 0 Euro für jeweils 1 entleihbaren Titel pro Monat ohne Rückgabefrist (Kindle Leihbücherei von amazon) bis zu 19,99 € für maximal 15 Titel gleichzeitig auf 3 Geräten ohne Fristdatum (skoobe premium). Für alle Angebote gilt, dass anders als bei der Lizenzierung für Bibliotheken hier keine Vormerklisten oder Warteschlangen entstehen, da die Lizenzen nicht limitiert sind.

Kurzbeschreibungen der wichtigsten Verleihangebote des deutschen Marktes:

  1. Amazon Kindle Leihbücherei: Voraussetzung ist hier die Primemitgliedschaft für 49 €/Jahr, so dass ein E-Book pro Monat kostenlos ausgeliehen werden kann.

  2. Amazon Kindle unlimited: Aus über 700 000 E-Books kann man bei einem Monatspreis von 9,99 € auswählen.

  3. Skoobe: 80 000 Titel verfügbar bei einem gestaffelten Abonnementsmodell als Basic (maximal 3 Titel gleichzeitig, auf 2 Geräten, jederzeit online und unterwegs bis zu 24 Stunden offline für 9,99 €). Plus (maximal 5 Titel gleichzeitig, auf 2 Geräten, jederzeit online und bis zu 30 Tage offline zu 14,99 €) und Premium (maximal 15 Titel gleichzeitig, auf 3 Geräten, jederzeit online und bis zu 30 Tage offline zu 19,99 €).

  4. Readfy: Eine werbefinanzierte Online-Plattform, die 25 000 E-Books kostenlos und unbegrenzt anbietet.

  5. PaperC[26]: Hier können aus 280 000 Titeln Leseproben kostenlos genutzt werden, aber auch Titel gekauft und/oder gemietet werden. Der Mietpreis bei kostenloser Registrierung gestaffelt für 1 oder 3 Monate ist jeweils titelbezogen und liegt bei mindestens 60 % des Kaufpreises.

  6. Ciando[27]: Hier stehen rund 375 000 E-Books aus 1 750 Verlagen sowie 2 400 Audiobooks und rund 150 e-Journals zur Verfügung. Die Erwerbsform reicht von der Kaufentscheidung durch die Bibliothek bis zur PDA. Rund 100 Bibliotheken nutzen das Angebot, das die Möglichkeit sowohl des Online-Lesens als auch des Downloads bietet.

  7. An der Onleihe[28] der Firma DiViBib, einem Tochterunternehmen der ekz.bibliotheksservice GmbH nehmen 2 154 Bibliotheken teil, die aus einem Angebot von 190 000 Titeln (E-Books, e-magazine, e-Zeitungen, e-Hörbücher sowie e-Videos) auswählen können. Die Onleihe ist damit die am weitesten verbreitete digitale Bibliothek.

Dass eben dieses Lizenzgeschäft keine nationalen Grenzen kennt, ist daran festzustellen, dass inzwischen auch ausländische Anbieter in den deutschen Markt drängen und die Palette digitaler Angebote erweitern. Als Beispiele seien hier für englische Zeitschriften Zinio for libraries[29] und für Zeitungen Pressdisplay[30] genannt.

Ebenso drängt der amerikanische e-Lending Marktführer Overdrive[31] mit der Entwicklung einer deutschen Benutzeroberfläche auf den hiesigen Markt.[32]

Dass das Verhältnis zwischen Verlagen und Bibliotheken in zahlreichen europäischen Ländern ins Ungleichgewicht geraten ist, lässt sich an gegenseitigen Vorwürfen, Gegendarstellungen, aber auch an verschiedenen nationalen und internationalen Kampagnen feststellen.

Maßgeblich für den Anstoß einer europaweiten Kampagne seitens EBLIDA (European Bureau of Library, Information and Documentation Associations)[33] waren im Wesentlichen drei Faktoren. Zum einen zeigte sich keine Verbesserung für Bibliotheken hinsichtlich der Verfügbarkeit von Lizenzen. Dies prägte sehr stark das emotionale Verhältnis von Bibliotheken, von Bibliotheksverbänden zu einzelnen Verlagen und Verlegerverbänden, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler, europäischer Ebene. Zum anderen zeigte sich, dass Kenntnisse über diese Problematik auch in Fachkreisen nicht oder, was aufgrund der Kompliziertheit der Materie durchaus verständlich ist, nur eingeschränkt vorhanden waren. Diese beschränkten Kenntnisse bezogen sich ebenfalls auf Entscheidungsträger und Politiker, die sich zuweilen über einzelne lizenzrechtliche Vertragsinhalte verwundert zeigten.

Die Kampagne wurde während der 20. Vollversammlung von EBLIDA am 11.05.2012 gestartet. Als Ziele wurden formuliert:

Aufmerksamkeit bei Politikern, Kollegen und Kunden hinsichtlich der Risiken und Bedrohungen für Bibliotheken und ihrer Kunden zu erzeugen und darauf hinzuweisen, dass Bibliotheken gegenwärtig in den wirtschaftlichen Verhältnissen den Lizenzgebern unterlegen sind, da die Federation of European Publishers, der Lizenzgeber, die Konditionen des Zugangs bestimmt. So hatte bereits die Kampagne des schwedischen Bibliotheksverbandes[34] die Problematik pointiert auf den Punkt gebracht: „say hello to your new librarian“, dies aber mit dem Bild eines Verlegers verknüpft! Denn es bestand und besteht die Befürchtung, dass die Bestandsauswahl und der Bestandsaufbau nicht mehr allein durch bibliothekarische Mitarbeiter frei bestimmt werden kann, sondern dass Verlage darauf mehr oder weniger indirekt Einfluss nehmen, indem sie Lizenzen für E-Books gar nicht erst zur Verfügung stellen. Ein weiterer indirekter Faktor ist, dass mittels unfairer Lizenzbedingungen ein Erwerb seitens der Bibliotheken gar nicht möglich wäre. Die o.g. Kampagne, wie zahlreiche andere[35], prangerte an, dass die Unabhängigkeit der Bibliothek nicht mehr gewährleistet sei. Hierin wurde und wird eine Gefährdung des demokratisierenden Charakters von Bibliotheken und damit des freien Zugangs zu Information gesehen.

Hieraus wurden folgende Forderungen und Ziele abgeleitet:

  1. Bibliotheken müssen die Möglichkeit haben, die auf dem Markt erhältlichen E-Books für ihre Kunden erwerben zu können.

  2. Dies muss zu fairen Preisen und Lizenzbedingungen geschehen.

  3. Autoren erhalten eine angemessene Vergütung für die Ausleihe von E-Books.

  4. Alle Bürger sollen von dem freien Zugang zu E-Books in den Bibliotheken profitieren können.

  5. Der Bedarf für ein neues Urheberrecht, das es Bibliotheken ermöglicht, ihre Aufgabe auch im digitalen Zeitalter wahrnehmen zu können, besteht sowohl auf europäischer Ebene wie auch auf der Verhandlungsebene der WIPO.

Im Jahre 2013 wurde eine Website entworfen[36], die die Kampagne vorstellte. Seitdem wurde sie sukzessiv erweitert. Der Slogan ‚the right to e-read‘ wurde von dem Vorsitzenden der E-Book-Task-Force, Gerald Leitner, entwickelt und sollte einfach und plakativ die Forderung nach einer Gleichstellung von E-Books und dem gedruckten Buch symbolisieren. Es zeigte sich aber recht schnell, dass die Umsetzung einer europaweiten Kampagne nicht ohne Hindernisse ist. So erschien der Zusatz des Slogans, die politische Aufforderung ‚Legalize it‘ in einigen Ländern nicht akzeptabel, so dass man hierzu als Alternative die Aufforderungen ‚Enact it‘ und ‚Grant it‘ entwickelte. Für die nationale Umsetzung war den Bibliotheksverbänden als Multiplikatoren freigestellt, diesen Zusatz sprachlich angepasst und angemessen zu gestalten. So reichen die Ergebnisse von ‚E-Medien in der Bibliothek – mein gutes Recht!‘ (Deutschland) bis zu ‚Rafbaekur i bokasöfnin!‘ (Island).

12 Right to e-read

Einerseits konnte es für den offiziellen Start der Kampagne mittels Pressekonferenzen in diversen europäischen Ländern keinen geeigneteren Tag geben als den Welttag des Buches und des Urheberrechts, den 23.4.; andererseits fiel dieses Datum bereits in die Zeit des Wahlkampfes vor den Wahlen zum Europäischen Parlament vom 22.–25.5.2014. Es galt aber auch, mit dieser Kampagne Druck auf das neue EU-Parlament hinsichtlich der Berücksichtigung bibliothekarischer Belange aufzubauen, besonders im Hinblick auf eine dringend notwendige Novellierung des europäischen Urheberrechts für das digitale Zeitalter.

Abb. 3: The right to e-read
Abb. 3:

The right to e-read

Die Internetseite bestand aus der Beschreibung der Themen, den Zielen, einer Petition, einem Fotowettbewerb, verfügbares Material, einem Newsroom, Hinweisen auf Aktionen anderer Organisationen, Positionspapieren und Stellungnahmen sowie FAQs.

Zu resümieren ist, dass sich nicht alle europäischen Länder in gleichem Maße an der Kampagne beteiligten. Gründe hierfür waren sicherlich der noch nicht weit gediehene E-Book-Markt in Ländern mit „kleinen“ Sprachen; hier war das Bewusstsein für diese Problematik noch nicht gegeben. Darüber hinaus wollte man aktuelle Verhandlungen zwischen Bibliotheken und Verlagen über Geschäftsmodelle atmosphärisch nicht gefährden. Ebenso gelang die Durchdringung mittels der Petition bis zu den Endkunden der Bibliotheken trotz Unterstützung auch von regionalen Verbänden durch Produktion von Roll-ups und Installation von Signierstationen[37] nur bedingt. Die höchsten Zahlen waren in Deutschland und Österreich festzustellen. Angesichts von europaweit 100 Mio. Bibliothekskunden mag die Zahl von 19 660 Unterstützern (Stand 18.01.2015) gering erscheinen, hat aber ein erhöhtes Interesse für die Problematik bewirkt. Dies war auch an den Reaktionen der Verlage und deren Verbände feststellbar.

So äußerte sich der Vorsitzende des britischen Verlegerverbandes Richard Mollet „This is going to be one of the most successful book trade campaigns in history: because its central stated aim has already been achieved“[38], denn es ginge eigentlich um die Frage des Verleihs von E-Books. Seitens der Verlage wurde diese Forderung nach der Gleichstellung von gedruckten Büchern und E-Books[39] als Eskalieren des Streits angesehen. Es scheint weiterhin so zu sein, dass Bibliotheken, die für ihre Kunden über die Möglichkeit des lizenzierten und bezahlten Downloads von E-Books auf Computer oder andere mobile Endgeräte verfügen, in den Geruch eines legalen Handelsplatzes für Piraten kommen.

So bleibt ebenfalls nicht aus, dass www.copyrightlink.org als Gegeninformation zu interpretieren ist und die Auseinandersetzungen bis zu einer vorläufigen oder endgültigen Lösung sich fortsetzen. Es wird immer wieder betont, dass neue Geschäftsmodelle ausprobiert werden müssen, aber sie basieren bislang alle fast ausnahmslos auf der Lizenzbasis. Hierzu sind verschiedene Reports und Darstellungen[40] in der jüngsten Vergangenheit veröffentlicht worden, die in unterschiedlicher Weise Bibliotheken berücksichtigen oder deren Fragestellung ggf. auch ignorieren, wie im Report des Internationalen Verlegerverbandes IPA[41] geschehen.

Einen strukturierten Überblick über die aktuelle Situation in 15 europäischen Ländern sowie Kanada und den USA bietet die im Auftrag von bibnet (Flandern) und Bibliotheek.nl (Niederlande) veröffentlichte Studie „A Review of Public Library E-Lending Models“.[42] Wie schnelllebig die Entwicklung auf diesem Sektor ist, zeigt die Tatsache, dass es seit dem Erscheinen im Dezember 2014 in Dänemark bereits die erste Veränderung ergab. Dieses Beispiel belegt aber die starke Abhängigkeit der Bibliotheken von Verlagen, um dennoch ein attraktives Angebot aufrechtzuerhalten.

Im November 2011 ging ein gemeinsames nationales E-Book-Projekt an den Start, initiiert von den neun größten dänischen Öffentlichen Bibliotheken und zwei der größten dänischen Verleger, unterstützt aus Mitteln des nationalen Fonds zur Bibliotheksentwicklung, das auf einer Bezahlstruktur pro Download mit verschiedenen Rabattierungen basierte. Die Leihfrist betrug 30 Tage mit der Möglichkeit einer einmaligen Verlängerung. Ein Jahr später stiegen die beiden größten Verleger aus, so dass eReolen.dk mit 116 kleineren Verlegern fortgeführt wurde. Im Gegenzug wurde von den Großverlagen eine eigene Plattform (www.ebib.dk)[43] etabliert, deren Lizenzierungsmodell aber für die Bibliotheken nicht akzeptabel war. Somit existierten zwei unterschiedliche Angebote mit unterschiedlichen Bedingungen.

Nach langen Verhandlungen wurde am 12.01.2015 die bisherige Bibliotheksplattform mit einem erweiterten Angebot und einer differenzierten Preisstaffelung, die für die Bibliotheken einen erheblichen finanziellen Einsatz bedeutet, mit veränderten Konditionen neu in Betrieb genommen.[44] Dies belegt, dass zwar Verhandlungsspielräume bestehen, aber alles weiterhin auf der Bereitwilligkeit und Haltung der Verlage basiert, somit auch nur eine begrenzte vertragliche Verbindlichkeit manifestiert.

Letztendlich bleibt nur eine Reform des Urheberrechts für das digitale Zeitalter, damit Öffentliche Bibliotheken ihre festgeschriebenen und vom Träger zugewiesenen Aufgaben[45] erfüllen können. Aus Sicht der Bundesregierung ist es vom Grundsatz her erforderlich, „notwendige Anpassungen des Urheberrechts an die digitale Entwicklung vorzunehmen“[46], da nicht alle Fragestellungen durch vertragliche Absprachen gelöst werden können. Zumindest ist für September 2015 eine umfassende Reform des Urheberrechts angekündigt.[47] Wie weit Bibliotheken und deren Fragestellungen hierbei Berücksichtigung finden, ist noch nicht abzusehen, aber sollte die Richtung in die vermehrte Akzeptanz von Lizenzierung als Geschäftsmodell gehen, so würde dies eine erhebliche Verschlechterung der Funktion Öffentlicher Bibliotheken bedeuten.

Ansonsten verbleiben die folgenden Szenarios für die Zukunft der Öffentlichen Bibliothek im digitalen Zeitalter:

  1. Bibliotheken werden aufgrund sowohl fehlender öffentlich-rechtlicher Sicherstellungen als auch wegen der grundsätzlichen Verweigerung von Lizenzen für digitales Material von der Entwicklung abgekoppelt und auf ihre physischen Bestände reduziert.

  2. Bibliotheken sind weiterhin auf die Bereitwilligkeit der Verlage bei der Gewährung von Lizenzen angewiesen und sind ggf. weiterhin von Teilen des Marktes abgeschnitten. Somit bestimmen Lizenzgeber weiterhin über Bestand und Qualität der Bibliothek.

  3. Den Bibliotheken wird durch die Ausdehnung des Erschöpfungsgrundsatzes auf E-Books oder durch die Sicherstellung einer Lizenz zu allen auf dem Markt befindlichen E-Books zu fairen Konditionen und Preisen die Möglichkeit gegeben, ihrer Aufgabe nachzukommen.

Online erschienen: 2015-3-19
Erschienen im Druck: 2015-4-30

© 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/München/Boston

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Downloaded on 14.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/bfp-2015-0010/html
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