Home Handbuch der Gartendenkmalpflege
Article Publicly Available

Handbuch der Gartendenkmalpflege

  • Udo Mainzer
Published/Copyright: May 21, 2023
Become an author with De Gruyter Brill

Reviewed Publication:

Rolka Caroline / Volkmann Torsten (Hrsg.): Handbuch der Gartendenkmalpflege Stuttgart (Ulmer Verlag) 2022 343 Seiten, 131 Farbabbildungen, 26 Zeichnungen, 5 Tabellen Hardcover, € 120,00 ISBN 978-3-8001-3377-2


Gartendenkmale werden gerne als die älteste Denkmalgattung angesehen, in jedem Fall aber ist sie die am meisten gefährdete. Jenseits ihres von der Natur vorgegebenen jahreszeitlichen Wandels und des vom Lebensrhythmus bedingten Verfalls geht die Gefährdung historischer Parks und Gärten bis in jüngste Zeit einschließlich des Klimawandels vorwiegend von Menschen aus. Letzteres ausgenommen resultieren die Beeinträchtigungen von Gartendenkmalen zudem meist aus der Unkenntnis, dass es sich bei diesen nicht einfach nur um schöne grüne Welten handelt, sondern um von Menschen subtil ersonnene und geschaffene Kunstschöpfungen, die einen ganz besonderen Umgang erfordern.

Aber nicht nur dem öffentlichen Bewusstsein sind diesbezüglich Defizite anzulasten, auch die Denkmalpflege hatte sich nach anfänglichen Impulsen im frühen 20. Jahrhundert erst relativ spät ihrer Verantwortung für diese Denkmalgattung gestellt. So ist es bezeichnend, dass noch 1982 in Gottfried Kiesows Einführung in die Denkmalpflege der Aspekt Gartendenkmalpflege überhaupt nicht vorkommt. Ebenso vielsagend ist, dass nicht vonseiten der Denkmalpflege, sondern von dem Gartenhistoriker Dieter Hennebo 1985 ein erstes Standardwerk zur Gartendenkmalpflege ediert wurde. Im Gegensatz zur Alt-Bundesrepublik wurde die Gartendenkmalpflege in der einstigen DDR dagegen schon 1961 personell und 1975 per Gesetz etabliert. So verwundert es nicht, dass das Herausgeber*innenduo der vorliegenden Publikation in dieser Tradition verwurzelt ist.

Vor diesem Hintergrund erscheint das Handbuch der Gartendenkmalpflege wie die längst überfällige Erfüllung einer seit geraumer Zeit gehegten Erwartung. Deshalb gebührt Respekt vor allen anderen den beiden Herausgeber*innen, denen es gelungen ist, außer sich selbst 27 Autor*innen zu einer publizistischen Großtat zusammenzuführen. Es ist eine schöne Geste, jene, statt in der üblichen Auflistung am Buchende, gleich zu Beginn unmittelbar nach dem Innentitel vorzustellen. Auffallend, aber wenig erstaunlich ist deren Betätigungsfeld wiederum mehrheitlich im Osten Deutschlands. Die Professionen der Herausgeber*innen sind zugleich programmatisch für das Autorenkollegium insgesamt, das sich neben wenigen Freiberuflern überwiegend aus in den Ämtern für Denkmalpflege Tätigen und Hochschulangehörigen zusammensetzt. Ihr opulentes OEuvre ist komponiert aus acht Leitkapiteln bei 117 darauf unterschiedlich verteilten Unterabschnitten. Damit beeindruckt bereits das umfängliche Inhaltsverzeichnis, das mit seiner engmaschigen Struktur einen direkten Zugang zu individuell interessierenden Themen erleichtert.

Die gesellschaftliche Relevanz historischer Gartenanlagen stellt in seinem Grußwort der Vorsitzende der Vereinigung der Denkmalfachämter in den Ländern heraus am Beispiel der jüngsten Covid-19-Pandemie, bei der jene angesichts der verordneten Einschränkungen willkommene Freiräume boten. Die Herausgeber*innen des Bandes betonen in ihrem Vorwort neben dessen Sinnhaftigkeit und Nutzen im denkmalpflegerischen Alltag ebenso seine Relevanz für die thematisch involvierten Wissenschaftsdisziplinen.

Eröffnet wird das Szenario des Buchinhalts durch ein mehrstimmiges Präludium (Heinz W. Hallmann u. a.), das eine geschichtsorientierte wie definitorisch ambitionierte Supervision bietet. Gleich zu Beginn wird der Mythos vom in der Schöpfungsgeschichte erwähnten Garten Eden, der die Gartenkunst als älteste Denkmalgattung legitimieren könnte, mit dem Verweis auf die Evolutionstheorie infrage gestellt. Essentiell ist das Eingehen auf das Verhältnis von Mensch und Natur, die als dessen existenzsichernder Lebensraum zugleich als unabdingbar für Entstehen und Entwicklung von Gärten nach Epochen und Typen vorgestellt wird. Erhellend für die Konstituierung ihres Ranges als Kunstwerke ist die Benennung der verschiedenen natürlichen und gestalterischen Elemente. Als gerechtfertigt erscheint in den Ausführungen die mitunter kritische und differenzierende Beleuchtung bisheriger Forschungserkenntnisse.

Die ausführlich erläuterten gesetzlichen Regelungen für die Gartendenkmalpflege (Ernst-Rainer Hönes) rufen nationale wie internationale Vorschriften in Erinnerung. Dabei wird nicht nur evident, dass die Verantwortung für historische Parks und Gärten ein globales Anliegen ist, sondern auch, wie seit den 1970er Jahren das Gartendenkmal sukzessive in die deutsche Denkmalschutzgesetzgebung Einzug gehalten und zur Einrichtung spezieller Referate in den Denkmalpflegeämtern geführt hat. Erstaunen löst möglicherweise die darüber hinaus gebotene Vielfalt an tangierenden Gesetzgebungen vom Bundesnaturschutzgesetz über das Bundeswaldgesetz und Bundesfernstraßengesetz bis hin zur Bauleitplanung aus. Die ergänzenden Bemerkungen zur Verkehrssicherheit in der Gartendenkmalpflege mögen ebenfalls verwundern, doch ist deren Kenntnis für diejenigen, die zuständig sind für die Liegenschaften Park und Garten, unerlässlich.

So könnte der Eindruck entstehen, das Schutzgut Gartendenkmal befände sich in einem gesetzlichen Hochsicherheitstrakt. Da der Denkmalpflegealltag viel zu oft das Gegenteil beweist, ist es umso wichtiger, sich stets jener juristischen Vorgaben zu vergewissern, um sie immer wieder offensiv gegen konträre Interessen zu instrumentalisieren.

Zweckdienlich war es ebenso, Sinn und Methodik der Inventarisation (Leonie Globau) noch einmal im Allgemeinen zu behandeln, da dieses Handbuch neben den qua Amt qualifizierten Denkmalpfleger*innen auch Mitarbeiter*innen in Unteren Denkmalschutzbehörden, andere interessierte Institutionen oder an der Sache engagierte Vereine und Einzelpersonen ansprechen will, für die inventarisieren kein »business as usual« ist. Verdientermaßen erfährt hierbei das Engagement von Ehrenamtlichen für historische Gärten eine adäquate Würdigung.

Zu den Prinzipalstücken des Inhalts zählt der Abriss zu Methoden der Bestandserfassung und Dokumentation (Volkmann u. a.). Er berührt mit seinen klar strukturierten Anleitungen ein wesentliches Obligo denkmalpflegerischen Wirkens, das jedoch häufig aus tatsächlichen, aber nicht selten vorgeschobenen zeitlichen oder finanziellen Gründen vernachlässigt wird. In subtilen Schritten werden die verschiedenen, in ihrer Vollständigkeit beeindruckenden Bausteine des Gesamtkonstrukts einer sorgfältigen Dokumentation aufgelistet und durch Pläne und Tabellen exemplarisch veranschaulicht. Der Blick auf weitere Dokumentationsmethoden wie archäologische Erkundungen, digitale Aufnahmetechniken, aber auch archäobotanische und dendrochronologische Untersuchungsverfahren macht deutlich, wie sehr eine fachgerechte Gartendenkmalpflege eines vergleichbaren komplexen Netzwerks mit externen Fachkompetenzen bedarf, da kaum ein Denkmalpflegeamt oder eine vergleichbare Institution in Gänze über das hier vorgestellte hochtechnisierte Equipment einschließlich des dazu benötigten Personals verfügt.

Bei der Gartendenkmalpflegerischen Methodik (Volkmann u. a.) wird die Bedeutung der Gartendenkmalpflegerischen Zielplanung, auch bekannt als Parkpflegewerk, herausgestellt. Hierbei gilt das Augenmerk vorrangig der auf Quellenmaterial und Befundanalysen basierenden Anamnese, ohne die eine denkmalpflegerische Pflege, Instandsetzung oder auch sinngebende Rekonstruktion von Gartenanlagen kaum fachgerecht erfolgen kann. Diese Handlungsanleitungen sind hilfreich, weil das beschriebene Prozedere oft an Bedenken scheitert, dass alles viel zu teuer und eigentlich gar nicht notwendig sei. Eine solche Haltung strafen die hier mit großer Sorgfalt ausgebreiteten Maßnahmen Lügen, indem sie klarstellen, dass nur auf ihrer Grundlage denkmalpflegerisches Handeln verantwortbar ist.

Erfreulich sind die Aussagen zur historischen Kulturlandschaft als Aufgabe der Denkmalpflege (Elisabeth Massuthe) deshalb, weil diese erst in letzter Zeit erkannt hat, in welchem Maße auch das Phänomen Kulturlandschaft ihre Belange tangiert, namentlich im räumlichen Beziehungsgeflecht mit (Garten-) Denkmälern. Wichtig ist die Feststellung, dass Gartendenkmale und die Kulturlandschaft hinsichtlich ihres jeweiligen Potenzials und der Zulässigkeit von Wandel unterschiedlichen Maximen unterliegen.

Die landschaftsarchitektonischen Planungsstrategien (Caroline Rolka u. a.) richten sich vorrangig an Planer, Landschaftsarchitekten und -gärtner. Deshalb werden die für sie relevanten gesetzlichen Rahmenbedingungen und Richtlinien sowie der Umgang mit Einzelpflanzen und Vegetationsbeständen erläutert. Es stimmt zufrieden, wenn in diesem Kontext neben der Lust am Gärtnern auch die Rolle der Schöpfer von Gartenkunstwerken thematisiert wird. Dass zum Erleben von deren Seele und ihren Charakter wiedergewinnenden Neugestaltungen neben der pflegenden Bewahrung auch (Teil-)Rekonstruktionen gehören können, wenn nicht müssen, verdient Beachtung. Denn Rekonstruktionen oder Neuinterpretationen zählen immer wieder zu den kontrovers debattierten Fragen innerhalb der Denkmalpflege; doch unterliegen hierbei die Gartendenkmale im Gegensatz zu den Baudenkmalen in mancherlei Hinsicht anderen Prämissen, die sich insbesondere aus der naturgegebenen Vergänglichkeit von Parks und Gärten ergeben.

Mancher hätte vielleicht den Rückblick auf die Institutionalisierung der Denkmalpflege (Martin Baumann) bereits im Zusammenhang mit den einleitenden Kapiteln und nicht erst im weiter fortgeschrittenen Stadium der verschiedenen Handlungsleitlinien erwartet. Doch bietet die damit verbundene Schilderung der Aufgaben der Gartendenkmalpflege der Denkmalämter eine schlüssige Überleitung zu den ebenfalls mit Gartendenkmalpflege befassten Organisationen (Jochen Martz). Die Vielzahl der behördlichen und gesellschaftlichen Gremien beeindruckt. Sie sollte Impetus sein für einen vermehrten fachlichen Austausch und für konzertierte Aktionen zur Durchsetzung gartendenkmalpflegerischer Ziele.

Die aktuellen Einflüsse auf historische Gärten (Rolka u. a.) stellen die mannigfachen schädlichen Faktoren vor, denen gegenwärtig nicht nur Parks und Gärten ausgesetzt sind, sondern unsere Gesellschaft insgesamt, namentlich den Klimawandel. Es zeichnet diesen Abschnitt aus, die Bedrohungen nicht nur zu benennen, sondern gleichzeitig Strategien zu deren Abwehr aufzuzeigen. In direktem Zusammenhang damit stehen die Erläuterungen zu Vitalität und Gesundheit von Bäumen (Hartmut Balder), wo Ziele und der gesetzliche Rahmen des Pflanzenschutzes und die negativen Folgen von Schädlingen sowie effiziente Maßnahmen gegen die verschiedenen Schädigungen erklärt werden.

Ebenfalls in den aktuellen Konservatorenalltag führen die Auslassungen zum Konfliktpotenzial beim Ausbau erneuerbarer Energien (Jascha Braun). Hierbei wird aufgezeigt, wie sehr Windenergieanlagen vielerorts erhebliche optische Schmälerungen baulicher und gärtnerischer Anlagen wie von Kulturlandschaften zur Folge haben. Deshalb sei es entscheidend, Auswirkungen von Störfaktoren auf denkmalwerte Bestände qualifiziert zu bewerten, um so anhand gesetzlicher Regelungen oder ergangener Gerichtsurteile denkmalpflegerischen Belangen zum Erfolg zu verhelfen.

Das mehrsätzige Handreichungskonzert dieser Publikation findet seinen Abschluss in der Coda Der Faktor Mensch in der Gartendenkmalpflege (Volkmann), die die Essenz der Buchbeiträge resümiert. Intoniert wird noch einmal das wechselseitige Verhältnis von Menschen und Gärten, das in gleicher Weise vom Sinnenaustausch wie von Verantwortung geprägt ist. So können beide Seiten voneinander profitieren in dem Wissen, dass Gärten vorrangig Orte der Entspannung und der Freude sind. Um das zu gewährleisten, bedarf es jedoch der motivierten und qualifizierten Gartendenkmalpflege.

Die angenehme Lesbarkeit aller Beiträge profitiert von dem bis auf wenige Randzitate beschränkten Verzicht auf umfängliche Anmerkungsapparate in Form von Fuß- bzw. Endnoten. Stattdessen sind weiterführende Verweise in der Regel wie beiläufig in den Fließtext eingestreut. Diese optische Klarheit des Seitenlayouts wird verstärkt durch die Auswahl der durchweg qualitätvollen Abbildungen. Mit ihrer quantitativen Disziplin bewahren sie das Handbuch davor, ins Genre eines Bildbands abzugleiten.

Charakteristisch für das Selbstverständnis des Bandes ist die Bezeichnung des Anhangs als Service, will er doch den Benutzer*innen eine effektive Dienstleistung erbringen. Diesen Anspruch erfüllt gleichfalls das mehr als 20 Seiten umfassende Literaturverzeichnis. Statt der Erwähnung von Verlagen wäre die durchgängige Angabe der Erscheinungsorte wie die der Seiten aufgeführter Aufsätze angebrachter gewesen. Das sind Marginalien, die den Wert dieses enormen Literaturfundus keineswegs schmälern, der davon zeugt, auf welcher umfassenden Quellenkenntnis und Forschungsintensität dieses Handbuch erarbeitet wurde. Zu guter Letzt gewährleistet das Register am Schluss im Verein mit dem detaillierten Inhaltsverzeichnis eine bequeme Erschließung des Buchinhalts bei der Suche nach Einzelaspekten.

Dieses (auch im Preis) stattliche Handbuch besticht durch seine Ergiebigkeit, die keinen Aspekt der Gartendenkmalpflege unberücksichtigt lässt, sowie durch seine spürbare Professionalität. Es ist für die Bewahrung unseres gartenkünstlerischen Erbes ein aufschlussreiches wie unverzichtbares Grundlagenwerk, das für die Fachwelt wie für an der Materie interessierte Laien ein zuverlässiges Vademecum sein will.

Udo Mainzer

Published Online: 2023-05-21
Published in Print: 2023-05-01

© 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston, Germany

Downloaded on 2.11.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/DKP-2023-1016/html?lang=en
Scroll to top button