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Staatsbürger in Uniform

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Willi Weiskirch Staatsbürger in Uniform Als ich Anfang der fünfziger Jahre Konrad Adenauer war seit einem knap-pen Jahr Bundeskanzler in Bonn zum ersten Mal von einer möglichen »Wie-derbewaffnung« der jungen Bundesrepublik Deutschland hörte, gab es für mich nur eine Antwort: Alles daransetzen, um so etwas zu verhindern. Ich war als 22jähriger schwerverwundet aus dem Krieg heimgekommen; meine gleichaltri-gen Kameraden hatten in der Mehrheit das Ende gar nicht mehr erlebt. Es bot sich mir auch sofort eine Gelegenheit, in aller Öffentlichkeit gegen neue deut-sche Streitkräfte anzugehen; denn ich war ausersehen worden, als Student der Zeitungswissenschaft die Chefredaktion des so hieß es »Zentralorgans« des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend mit dem Titel »Die Wacht« zu übernehmen. Die Schrift im Zeitungsformat hatte so um die 200 000 eine beachtliche Auflage und auf die von mir mitrepräsentierte Nachkriegsgenerati-on einen großen Einfluß. Was also lag für mich, den an Krücken daherhumpelnden und immer wie-der einmal operierten Ex-Soldaten, näher, als in immer neuen, scharfen Artikeln gegen neue deutsche Truppen zu polemisieren? Ich habe weder in Leserbriefen, noch in Aussprachen mit meinen Freunden aus der katholischen Jugendbewe-gung auch nur ein einziges Widerwort erfahren; im Gegenteil: ich konnte mir des Beifalls immer sicher sein. Indes: die Geschichte nahm ihren Lauf. Noch gab es vorerst keine Bundes-wehr. Aber 1954 trat unser Land der NATO bei, weil damit unsere Solidarität mit dem freiheitlichen Westen dokumentiert und ein Signal gegen den hoch-gerüsteten kommunistischen Osten gesetzt werden sollte. Für mich selbst trat ein Ereignis ein, mit dem ich zu allerletzt gerechnet hätte. Ich erhielt aus dem Palais Schaumburg einen Anruf, daß mich der Bundeskanzler einmal sprechen möchte. Ein Termin wurde vereinbart und ich erschien bei Konrad Adenauer. Ohne Umschweife kam er zur Sache. Er habe deshalb besonderes Verständ-nis für mich, sagte er zu Beginn unseres Gespräches, weil er wisse, daß ich als engagierter Katholik ich hieß überall nur »der katholische Weiskirch« un-ter normalen Umständen den Kriegsdienst wohl verweigert hätte. Und meine schwere Verwundung habe ja wohl ein übriges dazu beigetragen, daß ich mich jetzt mit aller Macht der Schaffung neuer deutscher Streitkräfte widersetze. Dann jedoch erklärte mir Konrad Adenauer in aller Ausführlichkeit, warum es eine Bundeswehr im westlichen Bündnis geben müsse: ausschließlich zur Siche-rimg des Friedens und zur Wahrung unserer noch so jungen Freiheit. Meine ge-legentlichen Einwände konnte er überzeugend entkräften. Nachdem anderthalb

Willi Weiskirch Staatsbürger in Uniform Als ich Anfang der fünfziger Jahre Konrad Adenauer war seit einem knap-pen Jahr Bundeskanzler in Bonn zum ersten Mal von einer möglichen »Wie-derbewaffnung« der jungen Bundesrepublik Deutschland hörte, gab es für mich nur eine Antwort: Alles daransetzen, um so etwas zu verhindern. Ich war als 22jähriger schwerverwundet aus dem Krieg heimgekommen; meine gleichaltri-gen Kameraden hatten in der Mehrheit das Ende gar nicht mehr erlebt. Es bot sich mir auch sofort eine Gelegenheit, in aller Öffentlichkeit gegen neue deut-sche Streitkräfte anzugehen; denn ich war ausersehen worden, als Student der Zeitungswissenschaft die Chefredaktion des so hieß es »Zentralorgans« des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend mit dem Titel »Die Wacht« zu übernehmen. Die Schrift im Zeitungsformat hatte so um die 200 000 eine beachtliche Auflage und auf die von mir mitrepräsentierte Nachkriegsgenerati-on einen großen Einfluß. Was also lag für mich, den an Krücken daherhumpelnden und immer wie-der einmal operierten Ex-Soldaten, näher, als in immer neuen, scharfen Artikeln gegen neue deutsche Truppen zu polemisieren? Ich habe weder in Leserbriefen, noch in Aussprachen mit meinen Freunden aus der katholischen Jugendbewe-gung auch nur ein einziges Widerwort erfahren; im Gegenteil: ich konnte mir des Beifalls immer sicher sein. Indes: die Geschichte nahm ihren Lauf. Noch gab es vorerst keine Bundes-wehr. Aber 1954 trat unser Land der NATO bei, weil damit unsere Solidarität mit dem freiheitlichen Westen dokumentiert und ein Signal gegen den hoch-gerüsteten kommunistischen Osten gesetzt werden sollte. Für mich selbst trat ein Ereignis ein, mit dem ich zu allerletzt gerechnet hätte. Ich erhielt aus dem Palais Schaumburg einen Anruf, daß mich der Bundeskanzler einmal sprechen möchte. Ein Termin wurde vereinbart und ich erschien bei Konrad Adenauer. Ohne Umschweife kam er zur Sache. Er habe deshalb besonderes Verständ-nis für mich, sagte er zu Beginn unseres Gespräches, weil er wisse, daß ich als engagierter Katholik ich hieß überall nur »der katholische Weiskirch« un-ter normalen Umständen den Kriegsdienst wohl verweigert hätte. Und meine schwere Verwundung habe ja wohl ein übriges dazu beigetragen, daß ich mich jetzt mit aller Macht der Schaffung neuer deutscher Streitkräfte widersetze. Dann jedoch erklärte mir Konrad Adenauer in aller Ausführlichkeit, warum es eine Bundeswehr im westlichen Bündnis geben müsse: ausschließlich zur Siche-rimg des Friedens und zur Wahrung unserer noch so jungen Freiheit. Meine ge-legentlichen Einwände konnte er überzeugend entkräften. Nachdem anderthalb

Kapitel in diesem Buch

  1. Frontmatter I
  2. Inhalt V
  3. Geleitwort des Bundesministers der Verteidigung IX
  4. Vorwort XIII
  5. Einführung XV
  6. Teil I. Von Potsdam nach Paris und Warschau
  7. Von der Entmilitarisierung zur Aufrüstung in beiden Teilen Deutschlands 1945-1952 3
  8. Adenauer und die Soldaten 37
  9. Feind und Kamerad 43
  10. Drei deutsche Generale. Dienst in der Diktatur und im Spannungsfeld des Kalten Krieges 51
  11. Anfänge der Öffentlichkeitsarbeit in der Dienststelle Blank 63
  12. Auf dem letzten Lehrgang für Regimentskommandeure in der Sowjetunion 73
  13. Zwei deutsche Staaten — zwei deutsche Armeen. Der Beitritt von Bundesrepublik und DDR zu den Bündnissen 1954/56 83
  14. Sicherheit vor Deutschland. Völkerrechtliche Bindungen der Bundesrepublik Deutschland nach den Pariser Verträgen von 1954 101
  15. Militärischer Berater auf der Konferenz von London 1954 115
  16. Teil II. Zwischen Kaltem Krieg und Entspannung. Die deutschen Streitkräfte in den Militärblöcken bis zur Wende von 1989/90
  17. Die militärische Grenzsicherung an der innerdeutschen Demarkationslinie und der Mauerbau 1961 127
  18. Der Schock des Mauerbaus aus der Sicht des Berliner Senats 145
  19. Erlebnisse und Erfahrungen als Chef Nachrichten beim Berliner Mauerbau 149
  20. Die mitteleuropäische Krise: Prag 1968 157
  21. Die Tschechenkrise 1968, wie der Kommandierende General des II. Korps diese erlebt hat 179
  22. Der Sommer 1968 im Militärbezirk Leipzig 187
  23. Schmidt, Leber, Apel: Die Ära der sozialdemokratischen Verteidigungsminister 193
  24. Die konventionelle Verteidigung Mitteleuropas und die neue Mittelstreckenbedrohung 223
  25. Sicherheitspolitik und Parteiräson 249
  26. Teil III. Militär und Gesellschaft. Die Bundeswehr als Armee in der Demokratie
  27. Militärreformen in Deutschland — zum historischen Stellenwert der Integration von Militär und Gesellschaft 263
  28. Staatsbürger in Uniform 277
  29. Reservist — Reservistenverband 283
  30. Zur Entstehung, Entwicklung und Bewährung der Konzeption der Inneren Führung 297
  31. Erinnerungen und Erfahrungen als Kommandeur der Schule der Bundeswehr für Innere Führung 1960 bis 1962 323
  32. Innere Führung im Blickpunkt der Öffentlichkeit: der Beirat Innere Führung 331
  33. Eine Debatte mit offenem Ausgang: das Ringen um den Militärseelsorgevertrag 339
  34. Pfarrer und Soldaten — dem Frieden verpflichtet 359
  35. Zum Aufbau der katholischen Militärseelsorge in den neuen Bundesländern 367
  36. Die Bundeswehrverwaltung. Vierzig Jahre Stetigkeit in der Veränderung 381
  37. Wehrverwaltung in den neuen Bundesländern und Berlin 393
  38. Teil IV. Das Ende des Kalten Krieges und die Neuordnung der Streitkräfte in Deutschland seit 1990
  39. Die Bundeswehr im deutschen Einigungsprozeß 1989/90 405
  40. »Nicht Feind, nicht Gegner, sondern Partner« Zum Transformationsprozeß der Nationalen Volksarmee auf dem Weg in die deutsche Einheit 419
  41. Die NATO und die Wende in Osteuropa 443
  42. Sicherheitspolitische Verantwortung während der »friedlichen Revolution« in Ost und West 447
  43. Wie die Wiedervereinigung die Hardthöhe erreichte! 453
  44. Der Abzug der russischen Streitkräfte aus Deutschland 463
  45. Die Bundeswehr und der Aufbau Ost 473
  46. Teil V. Verteidigung im Bündnis und die neuen Aufgaben deutscher Streitkräfte
  47. Bündnispolitik und Nationales Interesse 507
  48. Von der »massive retaliation« zur »flexible response«. Zum Strategiewechsel der sechziger Jahre 525
  49. Auf der Suche nach einer neuen NATO-Strategie 543
  50. Die Wechselwirkung Taktik — Technik — Mensch. Die Einführung des Flugzeuges F-104 G in die deutsche Luftwaffe und die »Starfighterkrise« von 1965/66 551
  51. Pilot in den Aufbaujahren der Bundeswehr 583
  52. Die Rolle der Marine in der Verteidigungsplanung für Mittel- und Nordeuropa von den 50er Jahren bis zur Wende 1989/90 591
  53. Einsatz in der Ostsee 619
  54. VN-Missionen — humanitäre Hilfe — Krisenreaktionskräfte 625
  55. Deutscher Sanitätsdienst unter der Flagge der Vereinten Nationen — Kambodscha 1992/93 645
  56. Sommer 1994 in der Adria. Der Einfluß des Karlsruher Urteils auf den Einsatz der Fregatte »Lübeck« 655
  57. (K)ein ganz normaler Flug. Die Luftbrücke nach Sarajevo 661
  58. Zum Engagement der NVA in der »Dritten Welt« 669
  59. Der Aufbau einer technischen Unteroffiziers-/Offiziersschule in Vietnam 685
  60. Aufgaben der Bundeswehr am Ende des 20. Jahrhunderts 691
  61. Die politische und militärische Zielsetzung des Eurokorps 711
  62. Die Autoren 721
  63. Bildquellenverzeichnis 727
  64. Personenregister 729
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