Home History Viertes Kapitel. Novalis und Friedrich Schlegel in den Jahren der Frühromantik
Chapter
Licensed
Unlicensed Requires Authentication

Viertes Kapitel. Novalis und Friedrich Schlegel in den Jahren der Frühromantik

Become an author with De Gruyter Brill
Band 5 Weltbürgertum und Nationalstaat
This chapter is in the book Band 5 Weltbürgertum und Nationalstaat
VIERTES KAPITEL Novalis und Friedrich Schlegel in den Jahren der Frühromantik Es war ein Wort von Novalis, an das der Schluß des letzten Kapitels erinnern sollte. Von Humboldt und Schiller kommen wir damit zu dem Kreise der Romantiker, um audi hier zu fragen, wie sie in den Jahren ihrer fruchtbarsten Gedankenproduktion, in den ausgehenden 90er Jahren des 18. Jahrhunderts, das Wesen der Nation und ihres Verhältnisses zum Staatsleben aufgefaßt haben. Aus den subtilen, aber in sidi geschlossenen Gedankengängen Humboldts treten wir hier in die Welt der Aphorismen und Frag-mente, in eine verwirrende Fülle von Anregungen und Einfäl-len. Bei Humboldt führte der Weg, von dem aus er auf Nation und Staat Blicke warf, immer deutlich und geradeaus auf das ihm vorleuchtende Ziel des »idealischen Menschen«. Bei den Roman-tikern öffnet sich eine Unzahl von Wegen und Pfaden, und kaum hat man sich einem von ihnen anvertraut, so sieht man den Führer, dem man zu folgen glaubt, leichtfüßig entweichen nach anderer Richtung, und man käme sich selbst pedantisch vor, wollte man den einmal beschrittenen Weg zu Ende gehen und systemati-sche Strenge da suchen, wo sichtlich oft nur eine vibrierende Ein-bildungskraft ihr Spiel treibt. Dennoch muß der Versuch gewagt werden, soviel feste Punkte wie möglich zu bestimmen, denn bei den Frühromantikern insbesondere darf man die ersten Spuren der späteren politischen Romantik1 vermuten, zu der unsere Unter-suchung hinführen soll. Den bitteren Ernst und die doktrinäre Strenge, die deren Ideen in dem Kreis Friedrich Wilhelms IV. 1 Der Begriff »politische Romantik«, den man neuerdings oft bemän-gelt hat, behält seinen guten Sinn und kann gar nicht entbehrt werden. Er umfaßt nicht nur die politischen Ideen und Willensakte der spezi-fisch romantischen Dichter und Schriftsteller, sondern eine ganze po-litische Gedankenwelt und Richtung, die mit jenen wohl beginnt, aber sich in bestimmten politischen Kreisen fortpflanzt und weitergestaltet bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus.
© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

VIERTES KAPITEL Novalis und Friedrich Schlegel in den Jahren der Frühromantik Es war ein Wort von Novalis, an das der Schluß des letzten Kapitels erinnern sollte. Von Humboldt und Schiller kommen wir damit zu dem Kreise der Romantiker, um audi hier zu fragen, wie sie in den Jahren ihrer fruchtbarsten Gedankenproduktion, in den ausgehenden 90er Jahren des 18. Jahrhunderts, das Wesen der Nation und ihres Verhältnisses zum Staatsleben aufgefaßt haben. Aus den subtilen, aber in sidi geschlossenen Gedankengängen Humboldts treten wir hier in die Welt der Aphorismen und Frag-mente, in eine verwirrende Fülle von Anregungen und Einfäl-len. Bei Humboldt führte der Weg, von dem aus er auf Nation und Staat Blicke warf, immer deutlich und geradeaus auf das ihm vorleuchtende Ziel des »idealischen Menschen«. Bei den Roman-tikern öffnet sich eine Unzahl von Wegen und Pfaden, und kaum hat man sich einem von ihnen anvertraut, so sieht man den Führer, dem man zu folgen glaubt, leichtfüßig entweichen nach anderer Richtung, und man käme sich selbst pedantisch vor, wollte man den einmal beschrittenen Weg zu Ende gehen und systemati-sche Strenge da suchen, wo sichtlich oft nur eine vibrierende Ein-bildungskraft ihr Spiel treibt. Dennoch muß der Versuch gewagt werden, soviel feste Punkte wie möglich zu bestimmen, denn bei den Frühromantikern insbesondere darf man die ersten Spuren der späteren politischen Romantik1 vermuten, zu der unsere Unter-suchung hinführen soll. Den bitteren Ernst und die doktrinäre Strenge, die deren Ideen in dem Kreis Friedrich Wilhelms IV. 1 Der Begriff »politische Romantik«, den man neuerdings oft bemän-gelt hat, behält seinen guten Sinn und kann gar nicht entbehrt werden. Er umfaßt nicht nur die politischen Ideen und Willensakte der spezi-fisch romantischen Dichter und Schriftsteller, sondern eine ganze po-litische Gedankenwelt und Richtung, die mit jenen wohl beginnt, aber sich in bestimmten politischen Kreisen fortpflanzt und weitergestaltet bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts hinaus.
© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

Chapters in this book

  1. Frontmatter I
  2. Inhalt V
  3. Einleitung des Herausgebers IX
  4. Vorworte zur zweiten bis siebenten Auflage 1
  5. Erstes Buch: Nation, Staat und Weltbürgertum, in der Entwicklung des deutschen Nationalstaatsgedankens
  6. Erstes Kapitel. Allgemeines über Nation, Nationalstaat und Weltbürgertum 9
  7. Zweites Kapitel. Nation und Nationalstaat seit dem Siebenjährigen Kriege 27
  8. Drittes Kapitel. Wilhelm v. Humboldt in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts 40
  9. Viertes Kapitel. Novalis und Friedrich Schlegel in den Jahren der Frühromantik 58
  10. Fünftes Kapitel. Friedrich Schlegel im Übergange zur politischen Romantik 76
  11. Sechstes Kapitel. Fichte und die Idee des deutschen Nationalstaates in den Jahren 1806-1813 84
  12. Siebentes Kapitel. Adam Müller in den Jahren 1808–1813 113
  13. Achtes Kapitel. Stein, Gneisenau und Wilhelm v. Humboldt in den Jahren 1812–1815 142
  14. Neuntes Kapitel. Übergang zur Restaurationszeit; Blick auf die öffentliche Meinung 178
  15. Zehntes Kapitel. Haller und der Kreis Friedrich Wilhelms IV 192
  16. Elftes Kapitel. Hegel 236
  17. Zwölftes Kapitel. Ranke und Bismarck 244
  18. Zweites Buch: Der preußische Nationalstaat und der deutsche Nationalstaat
  19. Erstes Kapitel. Anfänge des preußisch-deutschen Problems; von Moser zu Friedrich v. Gagern 281
  20. Zweites Kapitel. Das preußisch-deutsche Problem vom März bis zum September 1848 301
  21. Drittes Kapitel. Heinrich v. Gagerns Werbung um Preußen 327
  22. Viertes Kapitel. Die Oktroyierung der preußischen Verfassung vom 5. Dezember 1848 349
  23. Fünftes Kapitel. Von der oktroyierten Verfassung bis zur Kaiserwahl 392
  24. Sechstes Kapitel. Von Heinrich v. Gagern zu Bismarck 405
  25. Siebentes Kapitel. Fortentwicklung des preußisch-deutschen Problems 438
  26. Nachwort zur dritten Auflage 451
  27. Das preußisch-deutsche Problem im Jahre 1921 455
  28. Register 467
Downloaded on 8.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783486819564-006/html?licenseType=restricted&srsltid=AfmBOopjcnOXuXalIcVMeg8HG3BT8xARHUcoo9AtW2uL0S1PA64f0fho
Scroll to top button