Home History DOK. 215 Broneslav G. Latyškevič beobachtet im Oktober 1942 die Ermordung der Juden von Zdolbunovo (Zdołbunów) – DOK. 294 Der sechzehnjährige Jankiel Baran berichtet am 9. Mai 1945, wie er in Luck (Łuck) mehrmals vor Exekutionen fliehen konnte und wie ihn verschiedene Personen bei sich aufnahmen
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DOK. 215 Broneslav G. Latyškevič beobachtet im Oktober 1942 die Ermordung der Juden von Zdolbunovo (Zdołbunów) – DOK. 294 Der sechzehnjährige Jankiel Baran berichtet am 9. Mai 1945, wie er in Luck (Łuck) mehrmals vor Exekutionen fliehen konnte und wie ihn verschiedene Personen bei sich aufnahmen

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DOK.215 Oktober 1942519auf dem Tisch eine Karte anfertigte. Er benutzte dafür einen großen Bogen Wachspapiervon etwa 30 bis 40 Zentimetern Größe und verwendete verschiedenfarbige Tusche.Wenn ich mich recht erinnere, standen auf dem Tisch mehrere kleine Tintenfässer mitschwarzer, blauer, roter und gelber Farbe.Reez nutzte für die Erstellung der Skizze einedeutsche topographische Karte, auf der Ziffern und Quadrate zu sehen waren. DieseKarte lag immer auf dem Tisch in der Kanzlei des Gendarmerie-Gebietsführers. Ichkonnte aber nicht herausfinden, welche Symbole Reez verwendete und was genau daraufzu sehen war.Zum Schluss möchte ich anmerken, dass ich noch nie in meinem Leben und bei keinemanderen Volk, dem ich jemals begegnet bin, einen solchen Hass gesehen hatte, wie ihndie Deutschen in Bezug auf die Juden zeigten. Viel mehr noch, ich habe mir nicht vor-stellen können, dass Menschen so viel Bosheit in sich tragen können, wie es sich imVerhalten der Deutschen gegenüber den Juden offenbart hat.DOK. 215Broneslav G. Latyškevič beobachtet im Oktober 1942 die Ermordung der Judenvon Zdolbunovo (Zdołbunów)1Protokoll der Vernehmung des Zeugen Broneslav G. Latyškevič2durch den Staatsanwalt des RayonsZdolbunovo (Zdołbunów), gez. Bogatyrenko, vom 28. 11. 1944 (Abschrift)Während der deutschen Besatzung wohnte ich mehrere Monate in der Stadt Zdolbuno-vo und anschließend in Staromyl’sk, einem Dorf im Rayon Zdolbunovo.Als die Deutschen Zdolbunovo besetzten, machten sie sich sofort daran, die unbeschol-tene Zivilbevölkerung zu vernichten. Sobald die Deutschen jemanden auf der Straßegefasst hatten, erschossen sie ihn. Die ersten zwei Wochen gingen die Menschen nichtauf die Straße, sondern saßen in ihren Wohnungen. Alle Erschossenen wurden in Grä-bern hinter der Zementfabrik begraben. Ich kann nicht genau sagen, wie viele es sind,aber ich weiß genau, dass dort sehr viele Ermordete liegen.Im Oktober 1942 begannen die Deutschen mit der Massenvernichtung der jüdischenBevölkerung.Das ging so vor sich: Gegen acht Uhr morgens ging ich auf die Straße und sah einenLastwagen, voll beladen mit Frauen und Kindern, auf der Straße nach Staromyl’sk fah-ren. Ich sah außerdem, wie das Fahrzeug in Richtung der Schlucht abbog.3Das weckte mein Interesse, und ich fragte mich, was da los war. Ich ging dorthin, in derHand eine Hacke für die Kartoffelernte, und damit gelang es mir, aus der Nähe zu sehen,was mit der Menschengruppe passierte. Und als ich näher kam, bot sich folgendes Bild:Einer von den ukrainischen Polizisten nahm den todgeweihten Menschen die Papiereab, und ein zweiter Polizist zwang sie, sich nackt auszuziehen. Danach trieb man dieOpfer in Dreiergruppen in eine Grube. In die Grube führte eine Treppe hinab, und den1DARO, R 30/2/83, Bl. 93 f., Kopie: YVA, M.52/577. Das Dokument wurde aus dem Russischen über-setzt.2Broneslav Gerasimovič Latyškevič (*1913), Arbeiter in der Zementfabrik in Stary Mylsk.3Gemeint ist der Kalksteinbruch der Zementfabrik.
© 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

DOK.215 Oktober 1942519auf dem Tisch eine Karte anfertigte. Er benutzte dafür einen großen Bogen Wachspapiervon etwa 30 bis 40 Zentimetern Größe und verwendete verschiedenfarbige Tusche.Wenn ich mich recht erinnere, standen auf dem Tisch mehrere kleine Tintenfässer mitschwarzer, blauer, roter und gelber Farbe.Reez nutzte für die Erstellung der Skizze einedeutsche topographische Karte, auf der Ziffern und Quadrate zu sehen waren. DieseKarte lag immer auf dem Tisch in der Kanzlei des Gendarmerie-Gebietsführers. Ichkonnte aber nicht herausfinden, welche Symbole Reez verwendete und was genau daraufzu sehen war.Zum Schluss möchte ich anmerken, dass ich noch nie in meinem Leben und bei keinemanderen Volk, dem ich jemals begegnet bin, einen solchen Hass gesehen hatte, wie ihndie Deutschen in Bezug auf die Juden zeigten. Viel mehr noch, ich habe mir nicht vor-stellen können, dass Menschen so viel Bosheit in sich tragen können, wie es sich imVerhalten der Deutschen gegenüber den Juden offenbart hat.DOK. 215Broneslav G. Latyškevič beobachtet im Oktober 1942 die Ermordung der Judenvon Zdolbunovo (Zdołbunów)1Protokoll der Vernehmung des Zeugen Broneslav G. Latyškevič2durch den Staatsanwalt des RayonsZdolbunovo (Zdołbunów), gez. Bogatyrenko, vom 28. 11. 1944 (Abschrift)Während der deutschen Besatzung wohnte ich mehrere Monate in der Stadt Zdolbuno-vo und anschließend in Staromyl’sk, einem Dorf im Rayon Zdolbunovo.Als die Deutschen Zdolbunovo besetzten, machten sie sich sofort daran, die unbeschol-tene Zivilbevölkerung zu vernichten. Sobald die Deutschen jemanden auf der Straßegefasst hatten, erschossen sie ihn. Die ersten zwei Wochen gingen die Menschen nichtauf die Straße, sondern saßen in ihren Wohnungen. Alle Erschossenen wurden in Grä-bern hinter der Zementfabrik begraben. Ich kann nicht genau sagen, wie viele es sind,aber ich weiß genau, dass dort sehr viele Ermordete liegen.Im Oktober 1942 begannen die Deutschen mit der Massenvernichtung der jüdischenBevölkerung.Das ging so vor sich: Gegen acht Uhr morgens ging ich auf die Straße und sah einenLastwagen, voll beladen mit Frauen und Kindern, auf der Straße nach Staromyl’sk fah-ren. Ich sah außerdem, wie das Fahrzeug in Richtung der Schlucht abbog.3Das weckte mein Interesse, und ich fragte mich, was da los war. Ich ging dorthin, in derHand eine Hacke für die Kartoffelernte, und damit gelang es mir, aus der Nähe zu sehen,was mit der Menschengruppe passierte. Und als ich näher kam, bot sich folgendes Bild:Einer von den ukrainischen Polizisten nahm den todgeweihten Menschen die Papiereab, und ein zweiter Polizist zwang sie, sich nackt auszuziehen. Danach trieb man dieOpfer in Dreiergruppen in eine Grube. In die Grube führte eine Treppe hinab, und den1DARO, R 30/2/83, Bl. 93 f., Kopie: YVA, M.52/577. Das Dokument wurde aus dem Russischen über-setzt.2Broneslav Gerasimovič Latyškevič (*1913), Arbeiter in der Zementfabrik in Stary Mylsk.3Gemeint ist der Kalksteinbruch der Zementfabrik.
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