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3. Drei engere Vergleichsstudien

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Glauben, Wissen und Sagen
This chapter is in the book Glauben, Wissen und Sagen
3Drei engere VergleichsstudienNach der Erschließung und Interpretation erkenntnistheoretisch einschlägigerKonturen der drei Epochenromane will ich jetzt in drei Vergleichsstudien zeigen,dass der ›Zauberberg‹, die ›Schlafwandler‹ und der ›Mann ohne Eigenschaften‹bestimmte erkenntnistheoretische Positionen einerseits kritisieren, andererseitsin ihrer Kritik voraussetzen. Wie weit sich eine tatsächliche Bezugnahme des lite-rarischen Textes auf den philosophischen im Wortlaut nachweisen lässt, ist imEinzelfall nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die skizziertenAspekte der jeweiligen literarischen Text-epistêmêdurch diese Kontrastierung mitbestimmten erkenntnistheoretischen Denk- und Redeweisen vertieft interpretie-ren lassen.Verglichen werden sollen: Thomas Manns (1875–1955) ›Der Zauberberg‹ (1924)und Ernst Haeckels (1834–1919) ›Die Welträtsel. Gemeinverständliche Studienüber monistische Philosophie‹ (1899; hier nach111919), Hermann Brochs (1886–1951) ›Die Schlafwandler‹ (1930–32) und die neukantianische ›Logik der rei-nen Erkenntniss‹ (1902) Hermann Cohens (1842–1918) sowie Robert Musils(1880–1942) ›Der Mann ohne Eigenschaften‹ (1930/32) und Ludwig Wittgensteins(1889–1951) ›Tractatus logico-philosophicus‹ (1921; 1922 und 1933 vom Verfasserkorrigiert). Dass die jeweiligen philosophischen Texte den literarischen Autorengut vertraut waren, kann als gesichert gelten, auch wenn die überlieferten Spu-ren dieser Lektüren eher kryptisch sind und auf eine kritische Haltung schließenlassen.11Die Vergleichsstudien zu Manns ›Zauberberg‹ und Haeckels ›Welträtsel‹ sowie zuBrochs ›Schlafwandler‹ und Cohens ›Logik der reinen Erkenntniss‹ können sich mitAusnahme von Herwig: Bildungsbürger auf Abwegen, S. 72–142; und Dittrich: »Ichbin weder Monist, noch Esperantist, noch ein Freund von Welträtsel-Lösungen«; VomIn-Dividuum, auf keine wirklich einschlägigen Vorarbeiten in der Forschungsliteraturstützen. Vgl. Thomas Manns Positionierung zur Philosophie Haeckels in den Betrach-tungen eines Unpolitischen (1918): »Ich bin weder Monist, noch Esperantist, noch einFreund von Welträtsel-Lösungen, noch auch nur ein Affenorthodoxer.« (167) Brochnotiert in seinem Brief an Ea von Allesch vom 21. 7. 20: »Heute nacht nicht schlafenkönnen und Cohens Logik gelesen: ich binunendlichüber all das hinaus, wobei dieseUnendlichkeit doch nur einganzkleiner Schritt ist, aber, das weiß ich, doch etwas ganzNeues.« (46) Ähnlich kryptisch fallen Musils Bemerkungen zu Wittgenstein aus. Wohlauch deshalb steht ein umfassender Vergleich der philosophischen Konzeptionen im›Mann ohne Eigenschaften‹ und im ›Tractatus‹ nach wie vor aus, obwohl er seit Nyíri:Zwei geistige Leitsterne, als Desiderat bezeichnet wird (hier zwei Schlüsse: (1) dass »ein137

3Drei engere VergleichsstudienNach der Erschließung und Interpretation erkenntnistheoretisch einschlägigerKonturen der drei Epochenromane will ich jetzt in drei Vergleichsstudien zeigen,dass der ›Zauberberg‹, die ›Schlafwandler‹ und der ›Mann ohne Eigenschaften‹bestimmte erkenntnistheoretische Positionen einerseits kritisieren, andererseitsin ihrer Kritik voraussetzen. Wie weit sich eine tatsächliche Bezugnahme des lite-rarischen Textes auf den philosophischen im Wortlaut nachweisen lässt, ist imEinzelfall nicht entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, dass sich die skizziertenAspekte der jeweiligen literarischen Text-epistêmêdurch diese Kontrastierung mitbestimmten erkenntnistheoretischen Denk- und Redeweisen vertieft interpretie-ren lassen.Verglichen werden sollen: Thomas Manns (1875–1955) ›Der Zauberberg‹ (1924)und Ernst Haeckels (1834–1919) ›Die Welträtsel. Gemeinverständliche Studienüber monistische Philosophie‹ (1899; hier nach111919), Hermann Brochs (1886–1951) ›Die Schlafwandler‹ (1930–32) und die neukantianische ›Logik der rei-nen Erkenntniss‹ (1902) Hermann Cohens (1842–1918) sowie Robert Musils(1880–1942) ›Der Mann ohne Eigenschaften‹ (1930/32) und Ludwig Wittgensteins(1889–1951) ›Tractatus logico-philosophicus‹ (1921; 1922 und 1933 vom Verfasserkorrigiert). Dass die jeweiligen philosophischen Texte den literarischen Autorengut vertraut waren, kann als gesichert gelten, auch wenn die überlieferten Spu-ren dieser Lektüren eher kryptisch sind und auf eine kritische Haltung schließenlassen.11Die Vergleichsstudien zu Manns ›Zauberberg‹ und Haeckels ›Welträtsel‹ sowie zuBrochs ›Schlafwandler‹ und Cohens ›Logik der reinen Erkenntniss‹ können sich mitAusnahme von Herwig: Bildungsbürger auf Abwegen, S. 72–142; und Dittrich: »Ichbin weder Monist, noch Esperantist, noch ein Freund von Welträtsel-Lösungen«; VomIn-Dividuum, auf keine wirklich einschlägigen Vorarbeiten in der Forschungsliteraturstützen. Vgl. Thomas Manns Positionierung zur Philosophie Haeckels in den Betrach-tungen eines Unpolitischen (1918): »Ich bin weder Monist, noch Esperantist, noch einFreund von Welträtsel-Lösungen, noch auch nur ein Affenorthodoxer.« (167) Brochnotiert in seinem Brief an Ea von Allesch vom 21. 7. 20: »Heute nacht nicht schlafenkönnen und Cohens Logik gelesen: ich binunendlichüber all das hinaus, wobei dieseUnendlichkeit doch nur einganzkleiner Schritt ist, aber, das weiß ich, doch etwas ganzNeues.« (46) Ähnlich kryptisch fallen Musils Bemerkungen zu Wittgenstein aus. Wohlauch deshalb steht ein umfassender Vergleich der philosophischen Konzeptionen im›Mann ohne Eigenschaften‹ und im ›Tractatus‹ nach wie vor aus, obwohl er seit Nyíri:Zwei geistige Leitsterne, als Desiderat bezeichnet wird (hier zwei Schlüsse: (1) dass »ein137
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