Handbuch der historischen Stätten Deutschlands

Ilka Hebig

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This chapter is in the book Band 15, Heft 1 1988

Rezensionen 395 Stadt des 19. und 20. Jahrhunderts (S. 255 ff.). Den Abschluß des Bandes bilden zwei bemerkenswerte Beiträge. Karl Czok (Leipzig) gibt an Hand revolutionärer Forderun-gen, Programme und Aktionen der Sozialdemokratischen und der Kommunistischen Partei Deutschlands einen Überblick über die Kommunalpolitik der deutschen Arbei-terbewegung unter den Bedingungen kapitalistischer Stadtentwicklung von 1871 bis 1930 (S. 267 ff.). Ausgehend vom Grundprinzip marxistischer Kommunalpolitik, „die öffentlichen Institutionen und den Verwaltungsapparat der Städte und Dörfer als Bestandteile des bürgerlichen Staates" zu betrachten, „denen mit außerparlamentari-schem und parlamentarischem Klassenkampf begegnet werden" mußte (S. 267), schil-dert Czok die Entwicklung der kommunalpolitischen Aktivitäten und Erfolge der deut-schen Arbeiterbewegung vom Einzug erster sozialdemokratischer Abgeordneter in die Braunschweiger Stadtverordnetenversammlung 1872 über die Entwicklung früher revo-lutionärer kommunalpolitischer Programme der Sozialdemokratie am Ende des 19. Jahrhunderts und deren Weiterentwicklung durch die Linken bis zur Herausbil-dung der revolutionären Kommunalpolitik der KPD in den Jahren der Weimarer Republik. Helmut M. Hanko (München) beschreibt in seiner Studie „München 1933 bis 1935. Das Rathaus unterm Hakenkreuz" (S. 287 ff.) sehr detailliert und anschaulich, mit welchen terroristischen und raffinierten Mitteln und Methoden die Faschisten nach der Errichtung ihrer Diktatur die Münchener Stadtverwaltung unter ihren Einfluß brach-ten. Die Beiträge des Bandes vermitteln zahlreiche, z. T. bisher unbekannte Fakten und lenken die Aufmerksamkeit auf eine ganze Reihe bisher weniger beachteter Phänomene der Stadtgeschichte im 20. Jahrhundert. Zugleich gehen von den meisten Beiträgen methodische Anregungen aus, die künftigen Forschungen von Nutzen sind. Jedoch bleiben die Analysen bis auf wenige Ausnahmen auf strukturelle Aspekte der Industriealisierung, der Bevölkerungsentwicklung, des Funktionswandels, der Stadt-planung und des Städtebaues beschränkt. Auch dort, wo politische Verhältnisse und Wandlungen ins Kalkül gezogen werden, vermißt der Leser eine eingehendere Unter-suchung der Interdependenzen zwischen den Veränderungen im Überbau und ihren gesellschaftlichen Grundlagen. Bedauerlich ist ferner, daß Spezialuntersuchungen zu den sozialen Veränderungen und ihren Folgen, zu den Wandlungen in der Lebens-weise der Klassen und Schichten und zu den Klassenkämpfen fehlen. Auf solche Desi-derata verwies K. Czok in der Schlußdiskussion der Tagung, wenn er feststellte, „daß Staat, Gesellschaft und Stadt in einem Wechselverhältnis stehen, das man nicht genug hervorheben" könne, und daß die Stadt im 20. Jahrhundert „zu einem Kampffeld sozialer, politischer und wirtschaftlicher Auseinandersetzungen geworden" sei, „in einem Maße, wie sie das vorher ... nicht war ..." (S. 374 f.). Hier liegt zweifellos vor dem Arbeitskreis noch ein weites Forschungsfeld, das künftig größere Aufmerksam-keit verdient. Erfurt Willibald Gutsche Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Bd. X, Berlin/Brandenburg. Hg. von Gerd Heinrich. 2. verb. und erw. Auflage. Kröner, Stuttgart 1985. 673 S., 10 Karten, 15 Stadtpläne, 4 Stammtafeln. So wie bereits die Konzeption dieser — einen breiten Interessenkreis vom Fachhisto-riker bis zum historisch interessierten Laien — ansprechenden Reihe von den Vorstel-lungen eines Deutschland in den Grenzen von 1937 mit den Teilen Sachsen, Thüringen, Berlin/Brandenburg, Sachsen/Anhalt (also Gebiete auf dem heutigen Territorium der DDR — außer Berlin (West)), Neumark — im Band Berlin/Brandenburg —, West- und Ostpreußen, Schlesien (also Gebiete auf den heutigen Territorien der VR Polen und der UdSSR) geprägt ist, sind auch im Teilband Berlin/Brandenburg deutlich revanchi-stische Züge erkennbar. Das zeigen Formulierungen im Vorwort wie: „die Mark Bran-denburg mit der Hauptstadt Berlin ... ein Land im Wartesaal der Geschichte" (S. VII), ... die Geschichtslandschaft Berlin-Brandenburg ... als Teil des Vaterlandes der Deut-schen und als ein Stück europäischer Mitte" (S. XII), oder in der geschichtlichen Ein-führung : „Rechtszustand bleibt der einer Annexion ..., völkerrechtlich umstrittene Demarkationslinie an der unteren Oder und der Lausitzer Neiße ..." (S. LXXXVIII).

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Rezensionen 395 Stadt des 19. und 20. Jahrhunderts (S. 255 ff.). Den Abschluß des Bandes bilden zwei bemerkenswerte Beiträge. Karl Czok (Leipzig) gibt an Hand revolutionärer Forderun-gen, Programme und Aktionen der Sozialdemokratischen und der Kommunistischen Partei Deutschlands einen Überblick über die Kommunalpolitik der deutschen Arbei-terbewegung unter den Bedingungen kapitalistischer Stadtentwicklung von 1871 bis 1930 (S. 267 ff.). Ausgehend vom Grundprinzip marxistischer Kommunalpolitik, „die öffentlichen Institutionen und den Verwaltungsapparat der Städte und Dörfer als Bestandteile des bürgerlichen Staates" zu betrachten, „denen mit außerparlamentari-schem und parlamentarischem Klassenkampf begegnet werden" mußte (S. 267), schil-dert Czok die Entwicklung der kommunalpolitischen Aktivitäten und Erfolge der deut-schen Arbeiterbewegung vom Einzug erster sozialdemokratischer Abgeordneter in die Braunschweiger Stadtverordnetenversammlung 1872 über die Entwicklung früher revo-lutionärer kommunalpolitischer Programme der Sozialdemokratie am Ende des 19. Jahrhunderts und deren Weiterentwicklung durch die Linken bis zur Herausbil-dung der revolutionären Kommunalpolitik der KPD in den Jahren der Weimarer Republik. Helmut M. Hanko (München) beschreibt in seiner Studie „München 1933 bis 1935. Das Rathaus unterm Hakenkreuz" (S. 287 ff.) sehr detailliert und anschaulich, mit welchen terroristischen und raffinierten Mitteln und Methoden die Faschisten nach der Errichtung ihrer Diktatur die Münchener Stadtverwaltung unter ihren Einfluß brach-ten. Die Beiträge des Bandes vermitteln zahlreiche, z. T. bisher unbekannte Fakten und lenken die Aufmerksamkeit auf eine ganze Reihe bisher weniger beachteter Phänomene der Stadtgeschichte im 20. Jahrhundert. Zugleich gehen von den meisten Beiträgen methodische Anregungen aus, die künftigen Forschungen von Nutzen sind. Jedoch bleiben die Analysen bis auf wenige Ausnahmen auf strukturelle Aspekte der Industriealisierung, der Bevölkerungsentwicklung, des Funktionswandels, der Stadt-planung und des Städtebaues beschränkt. Auch dort, wo politische Verhältnisse und Wandlungen ins Kalkül gezogen werden, vermißt der Leser eine eingehendere Unter-suchung der Interdependenzen zwischen den Veränderungen im Überbau und ihren gesellschaftlichen Grundlagen. Bedauerlich ist ferner, daß Spezialuntersuchungen zu den sozialen Veränderungen und ihren Folgen, zu den Wandlungen in der Lebens-weise der Klassen und Schichten und zu den Klassenkämpfen fehlen. Auf solche Desi-derata verwies K. Czok in der Schlußdiskussion der Tagung, wenn er feststellte, „daß Staat, Gesellschaft und Stadt in einem Wechselverhältnis stehen, das man nicht genug hervorheben" könne, und daß die Stadt im 20. Jahrhundert „zu einem Kampffeld sozialer, politischer und wirtschaftlicher Auseinandersetzungen geworden" sei, „in einem Maße, wie sie das vorher ... nicht war ..." (S. 374 f.). Hier liegt zweifellos vor dem Arbeitskreis noch ein weites Forschungsfeld, das künftig größere Aufmerksam-keit verdient. Erfurt Willibald Gutsche Handbuch der historischen Stätten Deutschlands, Bd. X, Berlin/Brandenburg. Hg. von Gerd Heinrich. 2. verb. und erw. Auflage. Kröner, Stuttgart 1985. 673 S., 10 Karten, 15 Stadtpläne, 4 Stammtafeln. So wie bereits die Konzeption dieser — einen breiten Interessenkreis vom Fachhisto-riker bis zum historisch interessierten Laien — ansprechenden Reihe von den Vorstel-lungen eines Deutschland in den Grenzen von 1937 mit den Teilen Sachsen, Thüringen, Berlin/Brandenburg, Sachsen/Anhalt (also Gebiete auf dem heutigen Territorium der DDR — außer Berlin (West)), Neumark — im Band Berlin/Brandenburg —, West- und Ostpreußen, Schlesien (also Gebiete auf den heutigen Territorien der VR Polen und der UdSSR) geprägt ist, sind auch im Teilband Berlin/Brandenburg deutlich revanchi-stische Züge erkennbar. Das zeigen Formulierungen im Vorwort wie: „die Mark Bran-denburg mit der Hauptstadt Berlin ... ein Land im Wartesaal der Geschichte" (S. VII), ... die Geschichtslandschaft Berlin-Brandenburg ... als Teil des Vaterlandes der Deut-schen und als ein Stück europäischer Mitte" (S. XII), oder in der geschichtlichen Ein-führung : „Rechtszustand bleibt der einer Annexion ..., völkerrechtlich umstrittene Demarkationslinie an der unteren Oder und der Lausitzer Neiße ..." (S. LXXXVIII).

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