Chapter
Licensed
Unlicensed Requires Authentication

20. Die Vornamen

Become an author with De Gruyter Brill
Deutsche Namenkunde
This chapter is in the book Deutsche Namenkunde
20. Die Vornamen Kurz sei noch der rotwelschen Namen gedacht. Rotwelsch ist die Sprache des deutschen Gaunertums, ein Gemisch aus deutschen, hebräischen und zigeunerischen Wortstämmen. Tschiersch hat in einem Küstriner Programm von 1886 eine große Menge von Familiennamen zusammen-gestellt, die rotwelschen Ursprungs sein können. Bei vielen ist freilich eine andere Deutung vorzuziehen — Mumsen und Mommsen fasse ich nicht als fromme Bettler auf, Militz nicht als König (< hebr. melech), wohl aber Meilhac, Meilach. Immerhin bleiben noch viele Namen übrig, für die keine andere Ableitung denkbar ist. Siehe z. B. Baispieß, Bambler, Gallach, Hautz, Katzoff, Ziederich. 20. Die Vornamen Von Vornamen kann man erst seit dem Aufkommen der Familiennamen reden. Seitdem wurden die bisherigen Taufnamen als Vornamen verwandt. Ich kann daher auf die früheren Abschnitte verweisen, in denen diese Namen behandelt sind, und mich auf die Zeit nach 1500 beschränken1). Der Einfluß des Humanismus ist bei den Vornamen viel geringer als bei den Familiennamen. Vornamen wie Aristides und Camillus sind in Deutsch-land glücklicherweise Ausnahmen geblieben. Die christliche Gesinnung er-wies sich stärker als die humanistische Schwärmerei, und die kirchlichen Namen ließen sich ja in lateinischen Texten ruhig verwenden, zumal das Hebräische auch als klassische Sprache galt. Viel stärker ist dagegen der Einfluß der (Reformation. Mit Erbitterung wandte sich diese gegen die Heiligennamen. Da man aber selbst christliche Vornamen wünschte, blieb nichts anderes übrig, als sie im Alten Testa-mente zu suchen, das ja jetzt auch viel mehr als früher gelesen wurde (s. z. B. Reichert, S. 29 Anm.). Calvin setzte beim Genfer Rate einen Beschluß durch, der nur die in der Bibel vorkommenden Namen als Vornamen er-laubte und alle anderen Heiligennamen als papistisch verbot. Am weitesten in dieser Vorliebe für alttestamentliche Namen gingen die englischen und schottischen Tochterkirchen Genfs, und die Spitznamen Uncle Sam (= USAm < United States of America) und Bruder Jonathan enthalten noch heute einen leiditen Spott über die vielen Elihus, Habakuks und Hesekiels in Amerika. Bekannte Beispiele sind Isaak Newton, David Hume, Samuel Johnson, Jonathan Swift, Daniel Defoe; unter den amerikanischen Präsi-denten finden sich Zachary Taylor, Abraham Lincoln und Benjamin Harri-son. Im protestantischen Deutschland sind diese Vornamen immerhin selte-ner (Salomon Geßner, Samuel Hahnemann, Salomon Hirzel), außer in der reformierten Schweiz finden sie sich häufiger im Wuppertal und bei den *) Eine ausführliche Darstellung findet man vor allem bei Erich Wentscher, Die Rufnamen des deutschen Volkes, Halle 1928. Bücher, die Erklärungen der Vor-namen bieten, gibt es sonst noch eine ganze Anzahl. Für die gebräuchlichsten männlichen und weiblichen Vornamen wird der Leser eine Deutung auch in dem vorliegenden Namenbuche finden. Gar manche Mädchennamen sind einfach Lall-namen, manche südeuropäische ohne genaue Kenntnis des Ursprungs und der Heimatmundart aber überhaupt nicht zu erklären. So hat es keinen Zweck, etwa Eleonore aus dem Arabischen abzuleiten oder auf eXeetv und Heliodora zu raten und bei Isabella an die böse Königin der Bibel zu denken. 140
© 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

20. Die Vornamen Kurz sei noch der rotwelschen Namen gedacht. Rotwelsch ist die Sprache des deutschen Gaunertums, ein Gemisch aus deutschen, hebräischen und zigeunerischen Wortstämmen. Tschiersch hat in einem Küstriner Programm von 1886 eine große Menge von Familiennamen zusammen-gestellt, die rotwelschen Ursprungs sein können. Bei vielen ist freilich eine andere Deutung vorzuziehen — Mumsen und Mommsen fasse ich nicht als fromme Bettler auf, Militz nicht als König (< hebr. melech), wohl aber Meilhac, Meilach. Immerhin bleiben noch viele Namen übrig, für die keine andere Ableitung denkbar ist. Siehe z. B. Baispieß, Bambler, Gallach, Hautz, Katzoff, Ziederich. 20. Die Vornamen Von Vornamen kann man erst seit dem Aufkommen der Familiennamen reden. Seitdem wurden die bisherigen Taufnamen als Vornamen verwandt. Ich kann daher auf die früheren Abschnitte verweisen, in denen diese Namen behandelt sind, und mich auf die Zeit nach 1500 beschränken1). Der Einfluß des Humanismus ist bei den Vornamen viel geringer als bei den Familiennamen. Vornamen wie Aristides und Camillus sind in Deutsch-land glücklicherweise Ausnahmen geblieben. Die christliche Gesinnung er-wies sich stärker als die humanistische Schwärmerei, und die kirchlichen Namen ließen sich ja in lateinischen Texten ruhig verwenden, zumal das Hebräische auch als klassische Sprache galt. Viel stärker ist dagegen der Einfluß der (Reformation. Mit Erbitterung wandte sich diese gegen die Heiligennamen. Da man aber selbst christliche Vornamen wünschte, blieb nichts anderes übrig, als sie im Alten Testa-mente zu suchen, das ja jetzt auch viel mehr als früher gelesen wurde (s. z. B. Reichert, S. 29 Anm.). Calvin setzte beim Genfer Rate einen Beschluß durch, der nur die in der Bibel vorkommenden Namen als Vornamen er-laubte und alle anderen Heiligennamen als papistisch verbot. Am weitesten in dieser Vorliebe für alttestamentliche Namen gingen die englischen und schottischen Tochterkirchen Genfs, und die Spitznamen Uncle Sam (= USAm < United States of America) und Bruder Jonathan enthalten noch heute einen leiditen Spott über die vielen Elihus, Habakuks und Hesekiels in Amerika. Bekannte Beispiele sind Isaak Newton, David Hume, Samuel Johnson, Jonathan Swift, Daniel Defoe; unter den amerikanischen Präsi-denten finden sich Zachary Taylor, Abraham Lincoln und Benjamin Harri-son. Im protestantischen Deutschland sind diese Vornamen immerhin selte-ner (Salomon Geßner, Samuel Hahnemann, Salomon Hirzel), außer in der reformierten Schweiz finden sie sich häufiger im Wuppertal und bei den *) Eine ausführliche Darstellung findet man vor allem bei Erich Wentscher, Die Rufnamen des deutschen Volkes, Halle 1928. Bücher, die Erklärungen der Vor-namen bieten, gibt es sonst noch eine ganze Anzahl. Für die gebräuchlichsten männlichen und weiblichen Vornamen wird der Leser eine Deutung auch in dem vorliegenden Namenbuche finden. Gar manche Mädchennamen sind einfach Lall-namen, manche südeuropäische ohne genaue Kenntnis des Ursprungs und der Heimatmundart aber überhaupt nicht zu erklären. So hat es keinen Zweck, etwa Eleonore aus dem Arabischen abzuleiten oder auf eXeetv und Heliodora zu raten und bei Isabella an die böse Königin der Bibel zu denken. 140
© 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston
Downloaded on 21.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783111559667-023/html?licenseType=restricted&srsltid=AfmBOoqGF3eUWNVtLiet-MLj2NiwajI7MqmmJmh-X3u2ykvwuXH04iC1
Scroll to top button