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IX Taufpaten und Trauzeugen

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Überaus vielfältig und verflochten mögen die persönlichen, gesellschaftlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Bezie-hungen zwischen Taufpaten – bisweilen auch Trauzeugen – und ihren Konvertiten, mitunter schon einige Zeit vor der Taufe wie vielleicht auch bereits von deren Eltern zueinan-der gewesen sein. Andererseits stand nicht jeder Taufpate in einem Naheverhältnis zu seinen Konvertiten.1 Äußerst spärlich sind die Angaben zu den Taufpaten in den Taufmatriken wie auch in den Konvertitentaufbüchern, oft findet sich hier ledig-lich seine Unterschrift, manchmal unleserlich, nur hin und wieder können andere Quellen weiterführen, um diese bio-graphisch und sozialgeschichtlich interessanten Beziehungen aufzuschließen.2Die Namen der Taufpaten wurden in den Taufbüchern festgehalten – in protestantischen zumeist nur vom Pfarr-kanzlisten, in katholischen Taufmatriken jedoch mit eigenhän-diger Unterschrift.3 Nicht die Konvertiten, sondern die Tauf-paten unterschrieben sich hier,4 manchmal fügten sie noch ihren Beruf, Arbeitsplatz bzw. gesellschaftlichen Status hinzu, hin und wieder auch ihre Wohnadresse, wie beispielsweise Dr. Karl Renner, später Staatskanzler und Bundespräsident,51 Nähere biographische Angaben und Quellenverweise zu den Schot-tenkonvertiten finden sich im Datenteil, eine alphabetische Liste von deren prominenten Taufpaten und Trauzeugen wurden mit Anmer-kungen als Anhang diesem Kapitel (IX) hinzugefügt. Hatten sich Kir-chendiener als Paten eingetragen, ist wohl davon auszugehen, dass in diesen Fällen kein besonderes Naheverhältnis bestand, diese Paten-schaft eher eine Formsache war.2 In diesem Abschnitt konnten wir darauf hin und wieder näher ein-gehen.3 Zu den Taufpaten, ihre Stellung und Rolle bei protestantischen Kon-vertitentaufen siehe: JpK 1,177–210. – Bei den Schotten unterschrie-ben sich Taufpaten eigenhändig bis zum Sommer 1900 zumeist sowohl im Konvertitentaufbuch als auch in der Taufmatrik, später wurden ins Konvertitentaufbuch nur mehr die Namen von fremder Hand, wohl vom Pfarrkanzlisten oder auch vom Täufer eingetragen.4 Ganz selten setzten auch Konvertiten ihre Unterschrift in ein Tauf-buch, nicht jedoch in der Schottenpfarre. Nur zu St. Stefan trugen sie sich ab den 1890er Jahren hin und wieder eigenhändig in die Namens-rubrik des Taufbuches ein, wie beispielsweise Eduard Weiss, candida-tus juris, getauft auf die Namen Eduard Leopold Wilhelm. Quer über die Rubriken des Geburts- und Taufdatums, der Wohnadresse und der Namenseintragung unterschrieb er sich nicht mit seinen Taufna-men, sondern lediglich mit „Eduard Weiss, Convertit“ (TM St. Stefan 1891/10/22, fol.233). Eduard Weiss wurde Rechtsanwalt, Verwaltungs-rat der Wiener Rückversicherungsgesellschaft, verstarb 1934.5 Karl Renner, 1870–1950, Jurist und sozialdemokratischer Politi-ker, 1907 Reichsratsabgeordneter, Staatskanzler der 1. Republik, in den 1930er Jahren Abgeordneter zum Nationalrat, in der 2. Republik 1945–1950 Bundeskanzler (ÖBL09,080f.; PLÖ,399, mit Porträt; Adlgas-ser2,1006).zu jener Zeit (1900) noch Amanuensis in der Bibliothek des Reichsrates:6Abb. 63: Taufpate: Dr. Karl Renner (TM Schotten 1900/12/03: E.F. Bergson- Sonnenberg)Verpflichtend waren diese Hinzufügungen von Beruf und Wohnadresse freilich nicht. Frauen gaben statt dessen oft ihren Stand an, ob ledig, verehelicht oder verwitwet und als Beruf den ihres Vaters oder Ehemannes,7 so auch Aloisia Renner geb. Stoicsics, verehelicht mit Karl Renner.8 Jahre später zeichnete auch sie als Taufpatin: Aloisia Renner, Beam-tengattin, katholisch – das Ehepaar Renner war mittlerweile umgezogen, wohnte zu dieser Zeit nicht mehr in der Josef-stadt, sondern in Hietzing in der Aufhofstraße:96 TM Schotten 1900/12/03 Egon Felix Bergson-Sonnenberg, Taufpate: Dr. Karl Renner, kk. Amanuensis, Wien VIII. Josefstädterstraße No. 64, röm.-kath.– Ein Amanuensis war ein Hilfsbeamter, Sekretär, der vor allem für Schreibarbeiten herangezogen wurde. Man beachte hier den Wechsel von Latein- und Kurrentschrift: Wichtiges wurde in jener Zeit lateinschriftlich festgehalten, bei einem Taufpaten somit Name und Adresse, nicht jedoch sein Beruf – das kath. Religionsbekenntnis ver-stand sich von selbst, daher wurde beides hier in Kurrent gesetzt. In Wien war es üblich, bei Adressen die Bezirke mit römischen Zahlen anzugeben.7 Unverheiratete, junge Mädchen hingegen gaben zumeist den Beruf ihres Vaters an, z.B.: Helene Edle von Braumüller, kk Hofbuchhänd-lers Tochter – sie war Taufpatin der fünfjährigen Alice Josefine Pick, Tochter des Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Josef Pick (TM Schotten 1886/12/23). Ihr Vater war Wilhelm von Braumüller, dessen Buchhan-del wissenschaftlicher Literatur im Bereich der Medizin, Landwirt-schaft und Rechtswissenschaft Weltruf erlangte (ÖBL01,108; wiki).8 Zu ihrer Verehelichung mit Karl Renner, siehe: NDB21,430: Karl Renner, verehelicht in Wien 1897 mit Luise Stoicsics aus Német Ujvár (Güssing), Ungarn, heute im Burgenland.9 TM Schotten 1906/01/09 Editta Reichenfeld, getauft auf die Namen Editta Aloisia, Taufpatin: Aloisia Renner.IX Taufpaten und Trauzeugenhttps://doi.org/10.1515/9783111387710-009
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Überaus vielfältig und verflochten mögen die persönlichen, gesellschaftlichen, beruflichen und wirtschaftlichen Bezie-hungen zwischen Taufpaten – bisweilen auch Trauzeugen – und ihren Konvertiten, mitunter schon einige Zeit vor der Taufe wie vielleicht auch bereits von deren Eltern zueinan-der gewesen sein. Andererseits stand nicht jeder Taufpate in einem Naheverhältnis zu seinen Konvertiten.1 Äußerst spärlich sind die Angaben zu den Taufpaten in den Taufmatriken wie auch in den Konvertitentaufbüchern, oft findet sich hier ledig-lich seine Unterschrift, manchmal unleserlich, nur hin und wieder können andere Quellen weiterführen, um diese bio-graphisch und sozialgeschichtlich interessanten Beziehungen aufzuschließen.2Die Namen der Taufpaten wurden in den Taufbüchern festgehalten – in protestantischen zumeist nur vom Pfarr-kanzlisten, in katholischen Taufmatriken jedoch mit eigenhän-diger Unterschrift.3 Nicht die Konvertiten, sondern die Tauf-paten unterschrieben sich hier,4 manchmal fügten sie noch ihren Beruf, Arbeitsplatz bzw. gesellschaftlichen Status hinzu, hin und wieder auch ihre Wohnadresse, wie beispielsweise Dr. Karl Renner, später Staatskanzler und Bundespräsident,51 Nähere biographische Angaben und Quellenverweise zu den Schot-tenkonvertiten finden sich im Datenteil, eine alphabetische Liste von deren prominenten Taufpaten und Trauzeugen wurden mit Anmer-kungen als Anhang diesem Kapitel (IX) hinzugefügt. Hatten sich Kir-chendiener als Paten eingetragen, ist wohl davon auszugehen, dass in diesen Fällen kein besonderes Naheverhältnis bestand, diese Paten-schaft eher eine Formsache war.2 In diesem Abschnitt konnten wir darauf hin und wieder näher ein-gehen.3 Zu den Taufpaten, ihre Stellung und Rolle bei protestantischen Kon-vertitentaufen siehe: JpK 1,177–210. – Bei den Schotten unterschrie-ben sich Taufpaten eigenhändig bis zum Sommer 1900 zumeist sowohl im Konvertitentaufbuch als auch in der Taufmatrik, später wurden ins Konvertitentaufbuch nur mehr die Namen von fremder Hand, wohl vom Pfarrkanzlisten oder auch vom Täufer eingetragen.4 Ganz selten setzten auch Konvertiten ihre Unterschrift in ein Tauf-buch, nicht jedoch in der Schottenpfarre. Nur zu St. Stefan trugen sie sich ab den 1890er Jahren hin und wieder eigenhändig in die Namens-rubrik des Taufbuches ein, wie beispielsweise Eduard Weiss, candida-tus juris, getauft auf die Namen Eduard Leopold Wilhelm. Quer über die Rubriken des Geburts- und Taufdatums, der Wohnadresse und der Namenseintragung unterschrieb er sich nicht mit seinen Taufna-men, sondern lediglich mit „Eduard Weiss, Convertit“ (TM St. Stefan 1891/10/22, fol.233). Eduard Weiss wurde Rechtsanwalt, Verwaltungs-rat der Wiener Rückversicherungsgesellschaft, verstarb 1934.5 Karl Renner, 1870–1950, Jurist und sozialdemokratischer Politi-ker, 1907 Reichsratsabgeordneter, Staatskanzler der 1. Republik, in den 1930er Jahren Abgeordneter zum Nationalrat, in der 2. Republik 1945–1950 Bundeskanzler (ÖBL09,080f.; PLÖ,399, mit Porträt; Adlgas-ser2,1006).zu jener Zeit (1900) noch Amanuensis in der Bibliothek des Reichsrates:6Abb. 63: Taufpate: Dr. Karl Renner (TM Schotten 1900/12/03: E.F. Bergson- Sonnenberg)Verpflichtend waren diese Hinzufügungen von Beruf und Wohnadresse freilich nicht. Frauen gaben statt dessen oft ihren Stand an, ob ledig, verehelicht oder verwitwet und als Beruf den ihres Vaters oder Ehemannes,7 so auch Aloisia Renner geb. Stoicsics, verehelicht mit Karl Renner.8 Jahre später zeichnete auch sie als Taufpatin: Aloisia Renner, Beam-tengattin, katholisch – das Ehepaar Renner war mittlerweile umgezogen, wohnte zu dieser Zeit nicht mehr in der Josef-stadt, sondern in Hietzing in der Aufhofstraße:96 TM Schotten 1900/12/03 Egon Felix Bergson-Sonnenberg, Taufpate: Dr. Karl Renner, kk. Amanuensis, Wien VIII. Josefstädterstraße No. 64, röm.-kath.– Ein Amanuensis war ein Hilfsbeamter, Sekretär, der vor allem für Schreibarbeiten herangezogen wurde. Man beachte hier den Wechsel von Latein- und Kurrentschrift: Wichtiges wurde in jener Zeit lateinschriftlich festgehalten, bei einem Taufpaten somit Name und Adresse, nicht jedoch sein Beruf – das kath. Religionsbekenntnis ver-stand sich von selbst, daher wurde beides hier in Kurrent gesetzt. In Wien war es üblich, bei Adressen die Bezirke mit römischen Zahlen anzugeben.7 Unverheiratete, junge Mädchen hingegen gaben zumeist den Beruf ihres Vaters an, z.B.: Helene Edle von Braumüller, kk Hofbuchhänd-lers Tochter – sie war Taufpatin der fünfjährigen Alice Josefine Pick, Tochter des Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Josef Pick (TM Schotten 1886/12/23). Ihr Vater war Wilhelm von Braumüller, dessen Buchhan-del wissenschaftlicher Literatur im Bereich der Medizin, Landwirt-schaft und Rechtswissenschaft Weltruf erlangte (ÖBL01,108; wiki).8 Zu ihrer Verehelichung mit Karl Renner, siehe: NDB21,430: Karl Renner, verehelicht in Wien 1897 mit Luise Stoicsics aus Német Ujvár (Güssing), Ungarn, heute im Burgenland.9 TM Schotten 1906/01/09 Editta Reichenfeld, getauft auf die Namen Editta Aloisia, Taufpatin: Aloisia Renner.IX Taufpaten und Trauzeugenhttps://doi.org/10.1515/9783111387710-009
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