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6 Uwe Tellkamp – „Sehnsucht nach einer Konservativen Revolution“?

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6 Uwe Tellkamp–„Sehnsucht nach einerKonservativen Revolution?In einem Artikel desTagesspiegelvom 16. März 2005 wird Uwe Tellkamp, dem Autordes damals gerade erschienenen RomansDer Eisvogel,dieSehnsucht nach einerKonservativen Revolution1unterstellt. Erst im Zuge der Tellkamp-Kontroverse, diemehr als ein Jahrzehnt später im März 2018 ausbricht, taucht die Deutung des Autorsals einemrechten Anti-Demokratenerneut auf. Bis dahin wird Tellkamp durch dieKritik meist alsNationalschriftstellerlegitimiert, dessen EposDer Turm(2008) mitzahlreichen hochdotierten Literaturpreisen geehrt und als überragende, literarischeDarstellung der DDR gefeiert wird. Die nachfolgenden Kapitel widmen sich zunächstdem Eintritt des Autors ins literarische undöffentliche Diskursfeld, untersuchen da-raufhin die Rezeption desEisvogel-Romans in Zeitungen und Zeitschriften unter-schiedlicher politischer Couleur und zeigen schließlich, wie Tellkamp trotz derpolitischen Verdächtigung durch denTagespiegelmindestens bis 2014 als literari-scher Repräsentant einesgemäßigten Konservatismusreüssieren konnte. Einerseitswird dargelegt werden, wie Tellkamps Romane an diskursive Wissensbestände zumpolitisch Rechten anknüpfen, indem sie etwa Motive und Figuren konservativ-revolutionärer Stichwortgeber wie Hugo von Hofmannsthal oder Ernst Jünger auf-greifen oder Ideen der Neuen Rechten literarisch modellieren. Andererseits gilt eszu analysieren, wie diese Diskursanbindungen durch die Literaturkritik über dieJahre gedeutet, politisch eingeordnet, vorallem aber hinsichtlich ihrer Parallelen zurealen, rechtsextremen Kontexten übersehen wurden. Anhand von Tellkamps zahl-reichen Preisreden, Interviews und Stellungnahmen wird zu zeigen sein, dass derAutor vermehrt ab 2009 verschiedene, zentrale Sprecherpositionen in rechtspopulis-tischen bis rechtsextremen Diskursen einnimmt, die durch die 2013 gegründete Par-teiAfDund die 2014 initiierte BewegungPegidaihre verstärkte Verbreitung undgesellschaftliche Normalisierung erfahren. Diese Sprecherpositionen dominierenspätestens 2017 Tellkamps öffentliche Rolle als einem nunmehr explizit rechts-engagierten Autor, werden allerdings von der Kritik erst 2018 auf diese Weise inter-pretiert. Die Dresdner VeranstaltungStreitbar!, auf der Tellkamp im März 2018 jenemigrationskritischen Aussagen tätigt, die die Kontroverse um ihn auslösen, stellt indiesem Sinne eine Zuspitzung jener Positionen und Argumente dar, die der Autor inden 2010er Jahren bereits umfänglich ausentwickelt und die in seinem späteren Dis-Gregor Dotzauer, Töte, was du liebst. Sehnsucht nach einer konservativen Revolution. UweTellkampsDer Eisvogel. In: Tagesspiegel, 16. März 2005, S. 29.https://doi.org/10.1515/9783111340012-006
© 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

6 Uwe Tellkamp–„Sehnsucht nach einerKonservativen Revolution?In einem Artikel desTagesspiegelvom 16. März 2005 wird Uwe Tellkamp, dem Autordes damals gerade erschienenen RomansDer Eisvogel,dieSehnsucht nach einerKonservativen Revolution1unterstellt. Erst im Zuge der Tellkamp-Kontroverse, diemehr als ein Jahrzehnt später im März 2018 ausbricht, taucht die Deutung des Autorsals einemrechten Anti-Demokratenerneut auf. Bis dahin wird Tellkamp durch dieKritik meist alsNationalschriftstellerlegitimiert, dessen EposDer Turm(2008) mitzahlreichen hochdotierten Literaturpreisen geehrt und als überragende, literarischeDarstellung der DDR gefeiert wird. Die nachfolgenden Kapitel widmen sich zunächstdem Eintritt des Autors ins literarische undöffentliche Diskursfeld, untersuchen da-raufhin die Rezeption desEisvogel-Romans in Zeitungen und Zeitschriften unter-schiedlicher politischer Couleur und zeigen schließlich, wie Tellkamp trotz derpolitischen Verdächtigung durch denTagespiegelmindestens bis 2014 als literari-scher Repräsentant einesgemäßigten Konservatismusreüssieren konnte. Einerseitswird dargelegt werden, wie Tellkamps Romane an diskursive Wissensbestände zumpolitisch Rechten anknüpfen, indem sie etwa Motive und Figuren konservativ-revolutionärer Stichwortgeber wie Hugo von Hofmannsthal oder Ernst Jünger auf-greifen oder Ideen der Neuen Rechten literarisch modellieren. Andererseits gilt eszu analysieren, wie diese Diskursanbindungen durch die Literaturkritik über dieJahre gedeutet, politisch eingeordnet, vorallem aber hinsichtlich ihrer Parallelen zurealen, rechtsextremen Kontexten übersehen wurden. Anhand von Tellkamps zahl-reichen Preisreden, Interviews und Stellungnahmen wird zu zeigen sein, dass derAutor vermehrt ab 2009 verschiedene, zentrale Sprecherpositionen in rechtspopulis-tischen bis rechtsextremen Diskursen einnimmt, die durch die 2013 gegründete Par-teiAfDund die 2014 initiierte BewegungPegidaihre verstärkte Verbreitung undgesellschaftliche Normalisierung erfahren. Diese Sprecherpositionen dominierenspätestens 2017 Tellkamps öffentliche Rolle als einem nunmehr explizit rechts-engagierten Autor, werden allerdings von der Kritik erst 2018 auf diese Weise inter-pretiert. Die Dresdner VeranstaltungStreitbar!, auf der Tellkamp im März 2018 jenemigrationskritischen Aussagen tätigt, die die Kontroverse um ihn auslösen, stellt indiesem Sinne eine Zuspitzung jener Positionen und Argumente dar, die der Autor inden 2010er Jahren bereits umfänglich ausentwickelt und die in seinem späteren Dis-Gregor Dotzauer, Töte, was du liebst. Sehnsucht nach einer konservativen Revolution. UweTellkampsDer Eisvogel. In: Tagesspiegel, 16. März 2005, S. 29.https://doi.org/10.1515/9783111340012-006
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