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Der doppelte Sieg der Nützlichkeit: Zur Interdependenz von Staatsräson und Utopie in der politischen Theorie der Aufklärung

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PETER NrrscHKE (Münster) Der doppelte Sieg der Nützlichkeit: Zur Interdependenz von Staatsräson und Utopie in der politischen Theorie der Aufklärung Prolog Staatsräson und Utopie werden gemeinhin in der politischen Theorie als zwei Dis-kursprinzipien behandelt, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Was al-lerdings ein fundamentales Mißverständnis darstellt, denn mit Machiavellis Prin-cipe und Thomas Morus' Utopia liegen hierfür nicht nur fast zeitgleich die Basis-texte für elementare Diskursentwicklungen zum politischen Denken der Moderne vor, sondern dies gilt auch in korrelativer Hinsicht.1 Insofern ist es nicht nur ein-fach interessant, sondern substantiell, die Interdependenzmuster von Staatsräson und Utopie einmal strukturtheoretisch zu beleuchten. Die Aufklärungsepoche stellt hierfür in mehr als nur einer Hinsicht die entscheidende Schnittmenge zwischen beiden Diskursprinzipien dar, weil in den Diskussionen dieser Periode bestimmte Elemente der jeweiligen Debatten zu substantiellen Aussagen über die Legitimation von Staatlichkeit hochgradig verdichtet worden sind - und, so die These, bis auf den heutigen Tag weitgehend rekapituliert werden. I. Kriterien Nach einer einschlägigen Formel von Friedrich Meinecke zielt der Begriff der Staatsräson der Intention nach auf die Sicherheit und Selbstbehauptung des Staates „um jeden Preis, mit allen Mitteln".2 Telos dieser begrifflichen Konstruktion ist die Behauptung wie Bestätigung einer Selbstreferenzialität hinsichtlich der Hand-lungsziele und -leistungen für das System .Staat'. Mitunter - oder vielleicht sogar sehr oft - kann es sich hierbei um ein geradezu ideologisches Kriterium von Wirk-lichkeitsbehauptung handeln: d.h., das System .Staat' muß im Rahmen seiner Staatsräson keineswegs immer wirklichkeitsadäquat operieren. Es genügt (schein-bar) der Blick auf sich selbst und die Befolgung seiner selbstproduzierten Images. Das läßt sich bei Machiavelli sehr schön verdeutlichen. Auch wenn der Florenti-ner Analytiker, den man gemeinhin als den Begründer der modernen politischen 1 Vgl. daher Nitschke, Peter, Staatsräson kontra Utopie? Von Thomas Müntzer bis zu Fried-rich II. von Preußen. Stuttgart/Weimar 1995. 2 Meinecke, Friedrich, Die Idee der Staatsräson in der neueren Geschichte. München 41976, S. 251. Vgl. für neuere Literatur Nitschke, (wie Anm. 1), S. 35ff. sowie Baldini, Enzo (Hg.), Crisi dell'Aristotelismo politico e Ragion di Stato (im Druck).

PETER NrrscHKE (Münster) Der doppelte Sieg der Nützlichkeit: Zur Interdependenz von Staatsräson und Utopie in der politischen Theorie der Aufklärung Prolog Staatsräson und Utopie werden gemeinhin in der politischen Theorie als zwei Dis-kursprinzipien behandelt, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Was al-lerdings ein fundamentales Mißverständnis darstellt, denn mit Machiavellis Prin-cipe und Thomas Morus' Utopia liegen hierfür nicht nur fast zeitgleich die Basis-texte für elementare Diskursentwicklungen zum politischen Denken der Moderne vor, sondern dies gilt auch in korrelativer Hinsicht.1 Insofern ist es nicht nur ein-fach interessant, sondern substantiell, die Interdependenzmuster von Staatsräson und Utopie einmal strukturtheoretisch zu beleuchten. Die Aufklärungsepoche stellt hierfür in mehr als nur einer Hinsicht die entscheidende Schnittmenge zwischen beiden Diskursprinzipien dar, weil in den Diskussionen dieser Periode bestimmte Elemente der jeweiligen Debatten zu substantiellen Aussagen über die Legitimation von Staatlichkeit hochgradig verdichtet worden sind - und, so die These, bis auf den heutigen Tag weitgehend rekapituliert werden. I. Kriterien Nach einer einschlägigen Formel von Friedrich Meinecke zielt der Begriff der Staatsräson der Intention nach auf die Sicherheit und Selbstbehauptung des Staates „um jeden Preis, mit allen Mitteln".2 Telos dieser begrifflichen Konstruktion ist die Behauptung wie Bestätigung einer Selbstreferenzialität hinsichtlich der Hand-lungsziele und -leistungen für das System .Staat'. Mitunter - oder vielleicht sogar sehr oft - kann es sich hierbei um ein geradezu ideologisches Kriterium von Wirk-lichkeitsbehauptung handeln: d.h., das System .Staat' muß im Rahmen seiner Staatsräson keineswegs immer wirklichkeitsadäquat operieren. Es genügt (schein-bar) der Blick auf sich selbst und die Befolgung seiner selbstproduzierten Images. Das läßt sich bei Machiavelli sehr schön verdeutlichen. Auch wenn der Florenti-ner Analytiker, den man gemeinhin als den Begründer der modernen politischen 1 Vgl. daher Nitschke, Peter, Staatsräson kontra Utopie? Von Thomas Müntzer bis zu Fried-rich II. von Preußen. Stuttgart/Weimar 1995. 2 Meinecke, Friedrich, Die Idee der Staatsräson in der neueren Geschichte. München 41976, S. 251. Vgl. für neuere Literatur Nitschke, (wie Anm. 1), S. 35ff. sowie Baldini, Enzo (Hg.), Crisi dell'Aristotelismo politico e Ragion di Stato (im Druck).
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