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Taaffe - Thiersch

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Band 9 Schlumberger - Thiersch
This chapter is in the book Band 9 Schlumberger - Thiersch
TTaaffe,Eduard Graf von, ̈osterr. Politiker, * 24. 2. 1833Wien, † 29. 11. 1895 Ellischau (B ̈ohmen).T. wurde gemeinsam mit dem sp ̈ateren KaiserFranz Jo-seph I. erzogen, trat 1857 in den Staatsdienst ein und wurde1863 Landeschef des Herzogtums Salzburg, 1867 Statthaltervon Ober ̈osterreich, Innenminister und provisorischer Lei-ter des Unterrichtsministeriums. 1867-70 war er Reichsrats-abgeordneter, danach Mitglied des ̈osterr. Herrenhauses.Nach dem Ausgleich mit Ungarn wurde T. stellvertreten-der Ministerpr ̈asident und Kriegsminister im sog. „B ̈urger-ministerium“. Als Carlos Wilhelm Philipp vonAuerspergim Herbst 1868 zur ̈ucktrat, ̈ubernahm T. bis 1870 das Amtdes Ministerpr ̈asidenten. In den n ̈achsten Regierungen warer mehrfach Innenminister, 1877-93 wieder Ministerpr ̈asi-dent und gleichzeitig Statthalter von Tirol. In seiner aufVe r s ̈ohnung der Nationalit ̈aten ausgerichteten Politik st ̈utztesich T. auf eine aus Katholisch-Konservativen, Tschechenund Polen gebildete Koalition, nachdem die Bildung ei-ner Partei der Mitte gescheitert war. Diese als „EisernerRing“ bezeichnete Gruppierungerwies sich – obwohl ge-gen die liberalen Deutschen gerichtet – ̈uber l ̈angere Zeit alsdauerhaft. Die bedeutendsten Leistungen seiner Regierungs-zeit waren die Einf ̈uhrung der Gewerbeinspektorate, der Ar-beitszeitbegrenzung mit Sonntagsruhe, der Unfall- und Kran-kenversicherung und die Erweiterung des Wahlrechts durchSenkung des Zensus von zehn auf f ̈unf Gulden. Nach derAufl ̈osung des Reichsrats wurde T.s Entwurf zu einem Wahl-reformgesetz (1893) von allen Parteien abgelehnt, worauf erzur ̈ucktrat. 1922 gab Arthur Skedl T.sPolitischen Nachlaßheraus.CR ̈oßler / FranzTabernaemontanusTheodor,JakobTa b o r i ,George, urspr. Gy ̈orgy T ́abori, Journalist, Schrift-steller, ̈Ubersetzer, Schauspieler, Regisseur, Theaterleiter,* 24. 5. 1914 Budapest, † 23. 7. 2007 Berlin.T., Sohn eines Journalisten, derwie andere Familienmitgliederin Auschwitz ermordet wurde,wuchs zweisprachig auf (seineMutter war die Tochter eines ̈osterr. Kurarztes), machte nachdem Abitur Hotelpraktika inBerlin und Dresden und kehrte1934 nach Budapest zur ̈uck.1935 folgte er seinem BruderPaul ins Exil nach London undwar als ̈Ubersetzer, Journalistund Reiseleiter t ̈atig. Seit 1939hielt er sich als Korrespondentverschiedener Zeitungen in Sofia auf, ging 1941 nach Istan-bul und arbeitete dann dort, sp ̈ater in Jerusalem und Kairozusammen mit seiner ersten Frau Hanna, geb. Freund, f ̈urden Nachrichtendienst der britischen Armee und danebenals Kriegsberichterstatter f ̈ur die BBC, f ̈ur die er auch nachseiner R ̈uckkehr nach London 1943 t ̈atig war.Thema der zwischen 1945 und 1951 zuerst in Großbritannienund den USA ver ̈offentlichten Romane T.s ist die Ver-strickung der Protagonisten in ein Geflecht aus pers ̈onli-chen und sozialen Konflikten, Interessen, Abh ̈angigkeitenund Abneigungen, Gewalt, L ̈ugen und Selbstt ̈auschungen.Wie inBeneath the Stone the Scorpion(1945, dt.Unterdem Stein der Skorpion, 1945, Neuausg. unter dem TitelDas Opfer, 1996) sch ̈opfte T. inThe Caravan Passes(1951,dt.Tod in Port Aarif, 1994) aus seinen Erlebnissen im Na-hen Osten. Nach dem aus der Perspektive eines deutschenOffiziers erz ̈ahlten RomanCompanions on the Left Hand(1946, dt.Gef ̈ahrten zur linken Hand, 1999) folgteOrigi-nal Sin(1947, dt.Ein guter Mord, 1992; die ̈Ubersetzun-gen der neunziger Jahre stammen wie die fast aller WerkeT.s von seiner dritten Frau, Ursula Gr ̈utzmacher), in demer, gepr ̈agt von den Ideen des Existentialismus, die ambi-valente Beziehung von T ̈ater und Opfer, die Fragw ̈urdigkeitvon Schuldzuweisungen und die Macht der Erinnerung zumthematischen Schwerpunkt des Erz ̈ahlten macht.1947 ging T. in die USA und versuchte in Hollywood, seineliterarische Arbeit den Gesetzen der Filmindustrie anzupas-sen. 1950 ̈ubersiedelte er nach New York, wo er mit Un-terbrechungen durch Aufenthalte in Großbritannien, Frank-reich und Italien als Drehbuchautor u. a. f ̈ur Alfred Hitch-cock (I Confess, mit William Archibald, 1953) und AnthonyAsquith (The Young Lovers, 1954, ausgezeichnet mit demBritish Academy Award) t ̈atig war. Im Unterschied zu denkolportagehaften Geschichten voller Sentimentalit ̈aten ließT. sp ̈ater nur das Drehbuch zum FilmSecret Ceremony(1968, Regie: Joseph Losey) gelten. In den siebziger Jahreninszenierte er zwei Filme nach eigenen Vorlagen:Insomnia(1974) undFrohes Fest(1979).Wie seine Romane schrieb T. alle seine Theaterst ̈ucke aufenglisch; sie wurden dann jedoch meist in deutscher Spracheuraufgef ̈uhrt. 1952 inszenierte Elia Kazan am Broadway T.serstes B ̈uhnenst ̈uckFlight into Egypt, ein „ironisches Melo-dram“ ̈uber das Schicksal einer ̈osterr. Emigrantenfamilie.Seit 1956 f ̈uhrte T. Regie an Theatern in New York, begin-nend mit StrindbergsFr ̈aulein Julie(Phoenix Theater, mitseiner zweiten Frau, Viveca Lindfors, in der Hauptrolle).Seit 1959 setzte er sich intensiv mit BertoltBrecht aus-einander, den er 1947 kennengelernt hatte. Mit der 1961uraufgef ̈uhrten (u. a. mit LotteLenya) TextcollageBrechton Brecht. An Improvisationund mehreren ̈UbertragungenBrechtscher Theaterst ̈ucke trug er zur Popularit ̈at Brechtsin den USA bei. Unter dessen Einfluß entstanden u. a. dieEinakterThe Niggerlover(1967),The Cannibals(1968) undPinkville(1971), ein St ̈uck gegen den Vietnam-Krieg. T.besuchte regelm ̈aßig das Actors Studio unter der Leitungvon Lee Strasberg, wo er das Schauspielen als dynamischenProzeß („theatre-in-the-making“) erfuhr; selbst unterrichteteer zwei Jahre an der School of Communication der Univer-sity of Pennsylvania und gr ̈undete 1966 die freie Theater-gruppe „The Strolling Players“.Seinen zweiten großen Erfolg nachBrecht on BrechtfeierteT. 1969 in der Werkstatt des Schillertheaters in Berlin mitdem St ̈uck „Die Kannibalen“, das die Erinnerung und Ver-gegenw ̈artigung des Sterbens im Konzentrationslager zumThema hat. Dabei war ihm zum einen der Bruch mit der Sen-timentalisierung und Universalisierung der Leiden der Opfer,zum andern die deutliche Abgrenzung zum Dokumentarthea-857

TTaaffe,Eduard Graf von, ̈osterr. Politiker, * 24. 2. 1833Wien, † 29. 11. 1895 Ellischau (B ̈ohmen).T. wurde gemeinsam mit dem sp ̈ateren KaiserFranz Jo-seph I. erzogen, trat 1857 in den Staatsdienst ein und wurde1863 Landeschef des Herzogtums Salzburg, 1867 Statthaltervon Ober ̈osterreich, Innenminister und provisorischer Lei-ter des Unterrichtsministeriums. 1867-70 war er Reichsrats-abgeordneter, danach Mitglied des ̈osterr. Herrenhauses.Nach dem Ausgleich mit Ungarn wurde T. stellvertreten-der Ministerpr ̈asident und Kriegsminister im sog. „B ̈urger-ministerium“. Als Carlos Wilhelm Philipp vonAuerspergim Herbst 1868 zur ̈ucktrat, ̈ubernahm T. bis 1870 das Amtdes Ministerpr ̈asidenten. In den n ̈achsten Regierungen warer mehrfach Innenminister, 1877-93 wieder Ministerpr ̈asi-dent und gleichzeitig Statthalter von Tirol. In seiner aufVe r s ̈ohnung der Nationalit ̈aten ausgerichteten Politik st ̈utztesich T. auf eine aus Katholisch-Konservativen, Tschechenund Polen gebildete Koalition, nachdem die Bildung ei-ner Partei der Mitte gescheitert war. Diese als „EisernerRing“ bezeichnete Gruppierungerwies sich – obwohl ge-gen die liberalen Deutschen gerichtet – ̈uber l ̈angere Zeit alsdauerhaft. Die bedeutendsten Leistungen seiner Regierungs-zeit waren die Einf ̈uhrung der Gewerbeinspektorate, der Ar-beitszeitbegrenzung mit Sonntagsruhe, der Unfall- und Kran-kenversicherung und die Erweiterung des Wahlrechts durchSenkung des Zensus von zehn auf f ̈unf Gulden. Nach derAufl ̈osung des Reichsrats wurde T.s Entwurf zu einem Wahl-reformgesetz (1893) von allen Parteien abgelehnt, worauf erzur ̈ucktrat. 1922 gab Arthur Skedl T.sPolitischen Nachlaßheraus.CR ̈oßler / FranzTabernaemontanusTheodor,JakobTa b o r i ,George, urspr. Gy ̈orgy T ́abori, Journalist, Schrift-steller, ̈Ubersetzer, Schauspieler, Regisseur, Theaterleiter,* 24. 5. 1914 Budapest, † 23. 7. 2007 Berlin.T., Sohn eines Journalisten, derwie andere Familienmitgliederin Auschwitz ermordet wurde,wuchs zweisprachig auf (seineMutter war die Tochter eines ̈osterr. Kurarztes), machte nachdem Abitur Hotelpraktika inBerlin und Dresden und kehrte1934 nach Budapest zur ̈uck.1935 folgte er seinem BruderPaul ins Exil nach London undwar als ̈Ubersetzer, Journalistund Reiseleiter t ̈atig. Seit 1939hielt er sich als Korrespondentverschiedener Zeitungen in Sofia auf, ging 1941 nach Istan-bul und arbeitete dann dort, sp ̈ater in Jerusalem und Kairozusammen mit seiner ersten Frau Hanna, geb. Freund, f ̈urden Nachrichtendienst der britischen Armee und danebenals Kriegsberichterstatter f ̈ur die BBC, f ̈ur die er auch nachseiner R ̈uckkehr nach London 1943 t ̈atig war.Thema der zwischen 1945 und 1951 zuerst in Großbritannienund den USA ver ̈offentlichten Romane T.s ist die Ver-strickung der Protagonisten in ein Geflecht aus pers ̈onli-chen und sozialen Konflikten, Interessen, Abh ̈angigkeitenund Abneigungen, Gewalt, L ̈ugen und Selbstt ̈auschungen.Wie inBeneath the Stone the Scorpion(1945, dt.Unterdem Stein der Skorpion, 1945, Neuausg. unter dem TitelDas Opfer, 1996) sch ̈opfte T. inThe Caravan Passes(1951,dt.Tod in Port Aarif, 1994) aus seinen Erlebnissen im Na-hen Osten. Nach dem aus der Perspektive eines deutschenOffiziers erz ̈ahlten RomanCompanions on the Left Hand(1946, dt.Gef ̈ahrten zur linken Hand, 1999) folgteOrigi-nal Sin(1947, dt.Ein guter Mord, 1992; die ̈Ubersetzun-gen der neunziger Jahre stammen wie die fast aller WerkeT.s von seiner dritten Frau, Ursula Gr ̈utzmacher), in demer, gepr ̈agt von den Ideen des Existentialismus, die ambi-valente Beziehung von T ̈ater und Opfer, die Fragw ̈urdigkeitvon Schuldzuweisungen und die Macht der Erinnerung zumthematischen Schwerpunkt des Erz ̈ahlten macht.1947 ging T. in die USA und versuchte in Hollywood, seineliterarische Arbeit den Gesetzen der Filmindustrie anzupas-sen. 1950 ̈ubersiedelte er nach New York, wo er mit Un-terbrechungen durch Aufenthalte in Großbritannien, Frank-reich und Italien als Drehbuchautor u. a. f ̈ur Alfred Hitch-cock (I Confess, mit William Archibald, 1953) und AnthonyAsquith (The Young Lovers, 1954, ausgezeichnet mit demBritish Academy Award) t ̈atig war. Im Unterschied zu denkolportagehaften Geschichten voller Sentimentalit ̈aten ließT. sp ̈ater nur das Drehbuch zum FilmSecret Ceremony(1968, Regie: Joseph Losey) gelten. In den siebziger Jahreninszenierte er zwei Filme nach eigenen Vorlagen:Insomnia(1974) undFrohes Fest(1979).Wie seine Romane schrieb T. alle seine Theaterst ̈ucke aufenglisch; sie wurden dann jedoch meist in deutscher Spracheuraufgef ̈uhrt. 1952 inszenierte Elia Kazan am Broadway T.serstes B ̈uhnenst ̈uckFlight into Egypt, ein „ironisches Melo-dram“ ̈uber das Schicksal einer ̈osterr. Emigrantenfamilie.Seit 1956 f ̈uhrte T. Regie an Theatern in New York, begin-nend mit StrindbergsFr ̈aulein Julie(Phoenix Theater, mitseiner zweiten Frau, Viveca Lindfors, in der Hauptrolle).Seit 1959 setzte er sich intensiv mit BertoltBrecht aus-einander, den er 1947 kennengelernt hatte. Mit der 1961uraufgef ̈uhrten (u. a. mit LotteLenya) TextcollageBrechton Brecht. An Improvisationund mehreren ̈UbertragungenBrechtscher Theaterst ̈ucke trug er zur Popularit ̈at Brechtsin den USA bei. Unter dessen Einfluß entstanden u. a. dieEinakterThe Niggerlover(1967),The Cannibals(1968) undPinkville(1971), ein St ̈uck gegen den Vietnam-Krieg. T.besuchte regelm ̈aßig das Actors Studio unter der Leitungvon Lee Strasberg, wo er das Schauspielen als dynamischenProzeß („theatre-in-the-making“) erfuhr; selbst unterrichteteer zwei Jahre an der School of Communication der Univer-sity of Pennsylvania und gr ̈undete 1966 die freie Theater-gruppe „The Strolling Players“.Seinen zweiten großen Erfolg nachBrecht on BrechtfeierteT. 1969 in der Werkstatt des Schillertheaters in Berlin mitdem St ̈uck „Die Kannibalen“, das die Erinnerung und Ver-gegenw ̈artigung des Sterbens im Konzentrationslager zumThema hat. Dabei war ihm zum einen der Bruch mit der Sen-timentalisierung und Universalisierung der Leiden der Opfer,zum andern die deutliche Abgrenzung zum Dokumentarthea-857

Chapters in this book

  1. Frontmatter I
  2. Biographische Artikel. Schlumberger – Thiersch
  3. S
  4. Schlumberger - Seyfried 1
  5. Seyler - Szyszkowitz 421
  6. T
  7. Taaffe - Thiersch 857
Downloaded on 21.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783110965025.857/html?licenseType=restricted&srsltid=AfmBOooFRy1daJI9aGLN-Z1zCY9g22b34jrFYbQ4ze8igrutqncFhnQx
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