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APPENDIX: Zufall und χαρέγκλισις in der epikureischen Philosophie

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Plutarchs Schrift De Pythiae oraculis
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APPENDIX Zufall und χαρέγκλισις in der epikureischen Philosophie De Pyth. or. 8. 398 Β muß man hinter den Worten des Philinos, wenn sie nicht ziemlich sinnleer geraten sollen, einen Zusammenhang zwischen τύχη und παρέγκλισις in der epikureischen Philosophie vermuten. Ob ein solcher Zusammenhang bestanden hat, ist seit langem sehr umstritten, und der letzte Gelehrte, der sich ausfiirlich mit diesem Problem auseinandergesetzt hat, Α. A. Long1, ist zu einem negativen Resultat gelangt. Dabei können wir uns als Plutarch - Leser natürlich nicht beruhigen, und so soll die ganze Frage hier noch einmal einer genauen Prüfung unterzogen werden. Die epikureische Physik weist den Atomen zwei Grundbewegungen zu, nämlich die auf dem Gewicht beruhende Bewegungsart des freien Falls und die in alle Richtungen zielenden Bewegungen, die durch Zusammenstoß mit anderen Atomen und Atomkomplexen erzeugt werden2. Eine der seltsamsten Erfindungen Epikurs bestand nun darin, daß er noch eine dritte Bewegungsart einführte3, die er als παρέγκλισις bezeichnete4. Gemeint ist eine nicht weiter begründbare, ursachenlose^ Abweichung des fallenden6 Atoms von seiner Bahn um ein Minimum. Für dieses Element seiner Naturlehre finden sich bei dem Meister selbst keine Belege7, doch wird es von Anhängern wie Gegnern hinreichend oft erwähnt8. Von den antiken Zeugnissen werden normalerweise folgende Motive für die Einführung der παρέγκλισις durch Epikur angegeben: 1 Chance and natural law in Epicureanism, Phronesis 22 (1977) S. 63 - 88. 2 Nähere Ausführungen, auch zu der interessanten Frage, wie im leeren Raum "oben" und "unten" zu definieren seien, bei Bailey, Atomiste, S. 310 ff., und Rist, Epicurus, S. 47 f. 3 Daß es sich um seine Idee handelte, bezeugen Cie. De fin. I 18; Diog. Oen. Fr. 32 col. ΠΙ 3. ff. Chilton; August. Contra Acad. ΠΙ 23. 4 Eine dem heutigen Stand nicht mehr ganz entsprechende Sammlung der darauf bezüglichen Belegstellen bei Usener, 280 f., und im Spicilegium. ^ Nach Cie. fat. 22 hat Epikur die Ursachenlosigkeit wohl nicht von sich aus hervorgehoben. 6 Ob die παρέγκλισις auch von anderen Bahnen als der senkrechten Fallirne ausgehen kann, wird aus den Quellen nicht ganz klar (Bailey, Atomists, S. 324), ist aber von Epikur möglicherweise auch gar nicht bis zum Ende durchdacht worden. 1 Dazu Bailey, Atomists, S. 316 ff., und im Komm, zu II 216. Immerhin zeigen ihn Epist. ΠΙ 134 und einige Papyrusstücke ([31] und wahrscheinlich auch [32]) im Kampf gegen den Determinismus. 8 Philod. De signis col. XXXVI De Lacy; Lucr. Π 219 f. 243 ff.; Diog. Oen. Fr. 32 col. ΙΠ Chilton; Plut. De soll. an. 7. 964 C; Cie. fat. 18. 22. 46; De fin. I 19; ND I 69; August. Contra Acad. ΙΠ 23.

APPENDIX Zufall und χαρέγκλισις in der epikureischen Philosophie De Pyth. or. 8. 398 Β muß man hinter den Worten des Philinos, wenn sie nicht ziemlich sinnleer geraten sollen, einen Zusammenhang zwischen τύχη und παρέγκλισις in der epikureischen Philosophie vermuten. Ob ein solcher Zusammenhang bestanden hat, ist seit langem sehr umstritten, und der letzte Gelehrte, der sich ausfiirlich mit diesem Problem auseinandergesetzt hat, Α. A. Long1, ist zu einem negativen Resultat gelangt. Dabei können wir uns als Plutarch - Leser natürlich nicht beruhigen, und so soll die ganze Frage hier noch einmal einer genauen Prüfung unterzogen werden. Die epikureische Physik weist den Atomen zwei Grundbewegungen zu, nämlich die auf dem Gewicht beruhende Bewegungsart des freien Falls und die in alle Richtungen zielenden Bewegungen, die durch Zusammenstoß mit anderen Atomen und Atomkomplexen erzeugt werden2. Eine der seltsamsten Erfindungen Epikurs bestand nun darin, daß er noch eine dritte Bewegungsart einführte3, die er als παρέγκλισις bezeichnete4. Gemeint ist eine nicht weiter begründbare, ursachenlose^ Abweichung des fallenden6 Atoms von seiner Bahn um ein Minimum. Für dieses Element seiner Naturlehre finden sich bei dem Meister selbst keine Belege7, doch wird es von Anhängern wie Gegnern hinreichend oft erwähnt8. Von den antiken Zeugnissen werden normalerweise folgende Motive für die Einführung der παρέγκλισις durch Epikur angegeben: 1 Chance and natural law in Epicureanism, Phronesis 22 (1977) S. 63 - 88. 2 Nähere Ausführungen, auch zu der interessanten Frage, wie im leeren Raum "oben" und "unten" zu definieren seien, bei Bailey, Atomiste, S. 310 ff., und Rist, Epicurus, S. 47 f. 3 Daß es sich um seine Idee handelte, bezeugen Cie. De fin. I 18; Diog. Oen. Fr. 32 col. ΠΙ 3. ff. Chilton; August. Contra Acad. ΠΙ 23. 4 Eine dem heutigen Stand nicht mehr ganz entsprechende Sammlung der darauf bezüglichen Belegstellen bei Usener, 280 f., und im Spicilegium. ^ Nach Cie. fat. 22 hat Epikur die Ursachenlosigkeit wohl nicht von sich aus hervorgehoben. 6 Ob die παρέγκλισις auch von anderen Bahnen als der senkrechten Fallirne ausgehen kann, wird aus den Quellen nicht ganz klar (Bailey, Atomists, S. 324), ist aber von Epikur möglicherweise auch gar nicht bis zum Ende durchdacht worden. 1 Dazu Bailey, Atomists, S. 316 ff., und im Komm, zu II 216. Immerhin zeigen ihn Epist. ΠΙ 134 und einige Papyrusstücke ([31] und wahrscheinlich auch [32]) im Kampf gegen den Determinismus. 8 Philod. De signis col. XXXVI De Lacy; Lucr. Π 219 f. 243 ff.; Diog. Oen. Fr. 32 col. ΙΠ Chilton; Plut. De soll. an. 7. 964 C; Cie. fat. 18. 22. 46; De fin. I 19; ND I 69; August. Contra Acad. ΙΠ 23.
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