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V. Weltenbrand hinterm Berg

Eduard Mörike, Der Feuerreiter
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Freiheitssonne und Revolutionsgewitter
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V. Weltenbrand hinterm Berg Eduard Mörike, Der Feuerreiter Mörikes berühmte Ballade gilt seit jeher als naturmythisches Gedicht, das Dämonisches, Magisches, Elementares beschreibt. Selten ist sich die For-schung, mit nur geringer Variationsbreite, über einen Text so einig gewesen. Diese Exegese ist dabei alles andere als modern; schon Friedrich Theodor Vischer hat Mörikes Ballade ein Gedicht genannt, "worin der angstvoll wilde Geist der Feuersbrunst in einem wahnsinnigen Feuerreiter personifiziert ist".1 Der wahnsinnige Feuerreiter geistert auch sonst durch die Deutungen hindurch. So hat man von der "elementar-symbolischen Konzeption" gespro-chen;2 Feuerreiter, Jammerglöcklein und Feuer bildeten eine Art "magische Einheit",3 die für die dämonische Ausstaffierung des Gedichtes völlig ausrei-che. "Der Vorgang bleibt fragmentarisch und dunkel. In nur drei Visionen leuchtet ein dämonisch-unglückliches Menschenleben auf', so hat ein ande-rer Interpret dieses Gedicht dargestellt.4 Wer ganz sicher gehen will, bettet Mörikes Gedicht ein in den zeitgenössischen Glauben an Wunder, Geheim-nisvolles, Somnambules. So heißt es einmal: "Man darf sogar den Versuch machen, den Feuerreiter unmittelbar aus der zeitgenössischen Theorie von den übernatürlichen Kräften des Menschen zu verstehen":5 Romantischer Geisterspuk, ein dämonisches Schicksal, allerhand Dunkelheiten, die dem Gedicht aber nichts von seinem Reiz nehmen, sondern ihn eher noch ver-stärken. Abgründiges und Wahnsinniges, der Tod und die Unabweisbarkeit seiner Attraktion, das alles scheint dieses Gedicht zu prägen und hat es in der Wirkungsgeschichte Mörikes auch tatsächlich geprägt. Die Versuchung sei groß, so kann man lesen,6 "den Feuerreiter und sein Schicksal mythisch-sinnbildlich zu nehmen. Sie geht von der Form der Ballade aus. Mörike hat das Schicksal des Feuerreiters fast ganz hineinkomponiert in den zeitlichen Verlauf einer einzigen Feuersbrunst, die Feuerglocke durchtönt den ganzen Vorgang". In der Tat gibt es genug aus der romantischen Aura, was den Leser das Gruseln lehren kann. "Nicht geheuer muß es sein", so meldet schon die dritte Zeile der Ballade, und Mörike tut alles, diese Wirkung des Nichtgeheuren in den folgenden Strophen noch zu verstärken. Zur magisch-dämonischen Aura

V. Weltenbrand hinterm Berg Eduard Mörike, Der Feuerreiter Mörikes berühmte Ballade gilt seit jeher als naturmythisches Gedicht, das Dämonisches, Magisches, Elementares beschreibt. Selten ist sich die For-schung, mit nur geringer Variationsbreite, über einen Text so einig gewesen. Diese Exegese ist dabei alles andere als modern; schon Friedrich Theodor Vischer hat Mörikes Ballade ein Gedicht genannt, "worin der angstvoll wilde Geist der Feuersbrunst in einem wahnsinnigen Feuerreiter personifiziert ist".1 Der wahnsinnige Feuerreiter geistert auch sonst durch die Deutungen hindurch. So hat man von der "elementar-symbolischen Konzeption" gespro-chen;2 Feuerreiter, Jammerglöcklein und Feuer bildeten eine Art "magische Einheit",3 die für die dämonische Ausstaffierung des Gedichtes völlig ausrei-che. "Der Vorgang bleibt fragmentarisch und dunkel. In nur drei Visionen leuchtet ein dämonisch-unglückliches Menschenleben auf', so hat ein ande-rer Interpret dieses Gedicht dargestellt.4 Wer ganz sicher gehen will, bettet Mörikes Gedicht ein in den zeitgenössischen Glauben an Wunder, Geheim-nisvolles, Somnambules. So heißt es einmal: "Man darf sogar den Versuch machen, den Feuerreiter unmittelbar aus der zeitgenössischen Theorie von den übernatürlichen Kräften des Menschen zu verstehen":5 Romantischer Geisterspuk, ein dämonisches Schicksal, allerhand Dunkelheiten, die dem Gedicht aber nichts von seinem Reiz nehmen, sondern ihn eher noch ver-stärken. Abgründiges und Wahnsinniges, der Tod und die Unabweisbarkeit seiner Attraktion, das alles scheint dieses Gedicht zu prägen und hat es in der Wirkungsgeschichte Mörikes auch tatsächlich geprägt. Die Versuchung sei groß, so kann man lesen,6 "den Feuerreiter und sein Schicksal mythisch-sinnbildlich zu nehmen. Sie geht von der Form der Ballade aus. Mörike hat das Schicksal des Feuerreiters fast ganz hineinkomponiert in den zeitlichen Verlauf einer einzigen Feuersbrunst, die Feuerglocke durchtönt den ganzen Vorgang". In der Tat gibt es genug aus der romantischen Aura, was den Leser das Gruseln lehren kann. "Nicht geheuer muß es sein", so meldet schon die dritte Zeile der Ballade, und Mörike tut alles, diese Wirkung des Nichtgeheuren in den folgenden Strophen noch zu verstärken. Zur magisch-dämonischen Aura
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