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5. Hans Hinkel – eine Annäherung

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Die jüdische Presse im Dritten Reich
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5 Hans Hinkel - eine Annäherung Dem "alten Kämpfer" Hans Hinkel war kein Glück beschieden. Seine natio-nalsozialistischen Vorgesetzten nahmen ihn nicht wichtig, behandelten ihn despektierlich, besonders Joseph Goebbels. Hoffnungslos dem Nationalso-zialismus verfallen, fand Hans Hinkel keine Ruhe. Er war erfolgreich ohne Gewinn. Je höher er auf der Karriereleiter stieg, um so entbehrlicher wurde er. Sein Ressort waren die "Juden", die jeden störten, um deren Kultur er sich aber kümmerte. Ohne Juden kein "Referat Hinkel". Die Aufgabe, die er erledigte, brachte ihm Verachtung ein, wie er sie erledigte, auch. Joseph Goebbels notierte in seinen Tagebüchern1: Hinkel arbeitet gut, aber er ist persönlich nicht zuverlässig.2 Hinkel wird untragbar. Intrigiert wie ein Italiener.3 Hinkel arbeitet nicht zuverlässig. Man kann ihm kaum trauen. Ein Windmacher. Ich werde ihm etwas mehr auf die Finger schauen.4 Hinkel ist nun auch glücklich, daß er nun die Arisierung der Kulturunternehmen durchführen kann. Nun soll er aber auch Ruhe geben und keinen Blödsinn mehr.5 Eine Biographie der "groteske[n] Figur"6 Hans Hinkel steht noch aus. Der mit Komplexen befrachtete Mensch scheint nicht zu interessieren, ungeachtet seiner Macht. Hinzu kommt die zweifelhafte Genugtuung darüber, daß es sich bei Hans Hinkel um einen unglücklichen Nationalsozialisten handelt. Seine Verurteilung ist kein Bedürfnis.7 Wie im Dritten Reich, so heute: Hans 1 Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente. Elke Fröhlich (Hrsg.), Band 2 und 3. München 1987. 2 8. September 1935 (Band 2, 511) 3 23. September 1935 (Band 2, 517) 4 26. Juni 1936 (Band 2, 633) 5 25. Dezember 1937 (Band 3, 382) 6 WL. Tel Aviv. Akte "Hinkel" - Einfiihrungsblatt ohne Autor. 7 1952 wurde Hans Hinkel nach seiner Rückkehr aus polnischer Kriegsgefangenschaft vom Hildesheimer Entnazifizierungs-Hauptausschuß in die "Gruppe IV", d.h. als "Minderbelasteter", eingestuft. Minderbelastet war nach dem "Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus", "wer an sich zur Gruppe der Belasteten gehört, jedoch wegen besonderer Umstände einer milderen Beurteilung würdig er-

5 Hans Hinkel - eine Annäherung Dem "alten Kämpfer" Hans Hinkel war kein Glück beschieden. Seine natio-nalsozialistischen Vorgesetzten nahmen ihn nicht wichtig, behandelten ihn despektierlich, besonders Joseph Goebbels. Hoffnungslos dem Nationalso-zialismus verfallen, fand Hans Hinkel keine Ruhe. Er war erfolgreich ohne Gewinn. Je höher er auf der Karriereleiter stieg, um so entbehrlicher wurde er. Sein Ressort waren die "Juden", die jeden störten, um deren Kultur er sich aber kümmerte. Ohne Juden kein "Referat Hinkel". Die Aufgabe, die er erledigte, brachte ihm Verachtung ein, wie er sie erledigte, auch. Joseph Goebbels notierte in seinen Tagebüchern1: Hinkel arbeitet gut, aber er ist persönlich nicht zuverlässig.2 Hinkel wird untragbar. Intrigiert wie ein Italiener.3 Hinkel arbeitet nicht zuverlässig. Man kann ihm kaum trauen. Ein Windmacher. Ich werde ihm etwas mehr auf die Finger schauen.4 Hinkel ist nun auch glücklich, daß er nun die Arisierung der Kulturunternehmen durchführen kann. Nun soll er aber auch Ruhe geben und keinen Blödsinn mehr.5 Eine Biographie der "groteske[n] Figur"6 Hans Hinkel steht noch aus. Der mit Komplexen befrachtete Mensch scheint nicht zu interessieren, ungeachtet seiner Macht. Hinzu kommt die zweifelhafte Genugtuung darüber, daß es sich bei Hans Hinkel um einen unglücklichen Nationalsozialisten handelt. Seine Verurteilung ist kein Bedürfnis.7 Wie im Dritten Reich, so heute: Hans 1 Die Tagebücher von Joseph Goebbels. Sämtliche Fragmente. Elke Fröhlich (Hrsg.), Band 2 und 3. München 1987. 2 8. September 1935 (Band 2, 511) 3 23. September 1935 (Band 2, 517) 4 26. Juni 1936 (Band 2, 633) 5 25. Dezember 1937 (Band 3, 382) 6 WL. Tel Aviv. Akte "Hinkel" - Einfiihrungsblatt ohne Autor. 7 1952 wurde Hans Hinkel nach seiner Rückkehr aus polnischer Kriegsgefangenschaft vom Hildesheimer Entnazifizierungs-Hauptausschuß in die "Gruppe IV", d.h. als "Minderbelasteter", eingestuft. Minderbelastet war nach dem "Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus", "wer an sich zur Gruppe der Belasteten gehört, jedoch wegen besonderer Umstände einer milderen Beurteilung würdig er-
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