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6. Der Fridolin in der wissenschaftlichen Literatur

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Verweisungstechnik Saarscher Kunst in bezug auf Mythos, Philosophie und Wissen-schaft233.6. DER FRIDOLIN IN DER WISSENSCHAFTLICHEN LITERATURWie die Rezeption der Novelle in der Presse schon zeigte, findet der Fridolin,verglichen mit Saars 'klassischen' Erzählungen, nur wenig Resonanz. Dies gilt auch fürdie Beschäftigung der wissenschaftlichen Literatur mit dieser Novelle. So interessiertder Fridolin nur insofern, als er sich in das Bild des Schopenhauerianers Saar einord-nen läßt234. Die geringe Beachtung, die man in der Forschung dem Fridolin zollt, istnicht weiter verwunderlich, wenn man sich vor Augen hält, daß in den meisten StudienSaar als pessimistischer Autor eingestuft wird.Alois Maria Nagler, der als einer der ersten einen umfassenden Einblick in das WerkSaars und seine Entstehungszeit geben hat, löst das Problem dahingehend, daß er auchim Fridolin ein typisches Alterswerk Saars im Sinne seiner pessimistischen Welt-anschauuung sieht. Zudem wäre Schopenhauer am Beginn der Novelle namentlichbeschworen worden235. Ansonsten begnügt er sich mit der Bemerkung, der Dichterhabe seinen Novellen aus Österreich eben noch eine Dienergeschichte hinzufügenwollen236. Im weiteren schlüsselt Nagler die Novellen nach ihren Motiven und Haupt-typen auf237 und gibt damit einen für die folgenden Jahrzehnte richtungsgebenden In-terpretation sansatz vor. Im Fridolin sieht er das Motiv der "amour par d£pit": Miladasenttäuschte Liebe zu Fridolin sucht ihren Ersatz in dem Verhältnis zum polnischenDiener. Fridolin selber rechnet Nagler der Gruppe der Euphoriker zu, also der wahrenLebenskünstler, die den Verstand über das Herz stellen238.233 Vgl. Bittrich: Mährische Novellen, S. 163-167.234 Vgl. A199.235 Vgl. Nagler, H.5/6, S. 145.236 Ebenda, H.8/9, S. 207.Ein Verfahren, das Charue in unserer Zeit wieder aufgegriffen hat, vgl. Charue, ecrivain. DieserLinie folgt Kroeber, S. 34, wobei er an Milada die "Oberflächlichkeit" ihres Charakters festzustellenglaubt. Feiner, S. 63, stellt sie hingegen als "skrupellosen Genußmenschen]" hin. Ihre Triebhaftigkeitstehe der vernunftsmäßigen Kühle Fridolins gegenüber.238 Vgl. Nagler, S. 242. Kroeber bezeichnet Fridolin als den "bedenklichen, entschlußlosen"Ehemann Katinkas, den" einfachen, etwas phlegmatisch biedren herrschaftlichen Diener", vgl. Kroeber,S. 46. Feiner schließt sich dieser Charakterisierung nach "rassischen" Merkmalen an, vgl. Feiner, S. 63.Wenig brauchbar für das Verständnis der Novelle ist die Studie Müllers zu den Charakteren in denNovellen aus Österreich. Die einzelnen Figuren werden im Sinne einer psychologischen Analyse be-130

Verweisungstechnik Saarscher Kunst in bezug auf Mythos, Philosophie und Wissen-schaft233.6. DER FRIDOLIN IN DER WISSENSCHAFTLICHEN LITERATURWie die Rezeption der Novelle in der Presse schon zeigte, findet der Fridolin,verglichen mit Saars 'klassischen' Erzählungen, nur wenig Resonanz. Dies gilt auch fürdie Beschäftigung der wissenschaftlichen Literatur mit dieser Novelle. So interessiertder Fridolin nur insofern, als er sich in das Bild des Schopenhauerianers Saar einord-nen läßt234. Die geringe Beachtung, die man in der Forschung dem Fridolin zollt, istnicht weiter verwunderlich, wenn man sich vor Augen hält, daß in den meisten StudienSaar als pessimistischer Autor eingestuft wird.Alois Maria Nagler, der als einer der ersten einen umfassenden Einblick in das WerkSaars und seine Entstehungszeit geben hat, löst das Problem dahingehend, daß er auchim Fridolin ein typisches Alterswerk Saars im Sinne seiner pessimistischen Welt-anschauuung sieht. Zudem wäre Schopenhauer am Beginn der Novelle namentlichbeschworen worden235. Ansonsten begnügt er sich mit der Bemerkung, der Dichterhabe seinen Novellen aus Österreich eben noch eine Dienergeschichte hinzufügenwollen236. Im weiteren schlüsselt Nagler die Novellen nach ihren Motiven und Haupt-typen auf237 und gibt damit einen für die folgenden Jahrzehnte richtungsgebenden In-terpretation sansatz vor. Im Fridolin sieht er das Motiv der "amour par d£pit": Miladasenttäuschte Liebe zu Fridolin sucht ihren Ersatz in dem Verhältnis zum polnischenDiener. Fridolin selber rechnet Nagler der Gruppe der Euphoriker zu, also der wahrenLebenskünstler, die den Verstand über das Herz stellen238.233 Vgl. Bittrich: Mährische Novellen, S. 163-167.234 Vgl. A199.235 Vgl. Nagler, H.5/6, S. 145.236 Ebenda, H.8/9, S. 207.Ein Verfahren, das Charue in unserer Zeit wieder aufgegriffen hat, vgl. Charue, ecrivain. DieserLinie folgt Kroeber, S. 34, wobei er an Milada die "Oberflächlichkeit" ihres Charakters festzustellenglaubt. Feiner, S. 63, stellt sie hingegen als "skrupellosen Genußmenschen]" hin. Ihre Triebhaftigkeitstehe der vernunftsmäßigen Kühle Fridolins gegenüber.238 Vgl. Nagler, S. 242. Kroeber bezeichnet Fridolin als den "bedenklichen, entschlußlosen"Ehemann Katinkas, den" einfachen, etwas phlegmatisch biedren herrschaftlichen Diener", vgl. Kroeber,S. 46. Feiner schließt sich dieser Charakterisierung nach "rassischen" Merkmalen an, vgl. Feiner, S. 63.Wenig brauchbar für das Verständnis der Novelle ist die Studie Müllers zu den Charakteren in denNovellen aus Österreich. Die einzelnen Figuren werden im Sinne einer psychologischen Analyse be-130
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