Home Linguistics & Semiotics 3. Kognitive Karten
Chapter
Licensed
Unlicensed Requires Authentication

3. Kognitive Karten

Become an author with De Gruyter Brill
Wissenserwerb und Raumreferenz
This chapter is in the book Wissenserwerb und Raumreferenz
3 Kognitive Karten Im experimentellen Paradigma der vorliegenden Arbeit lernen Versuchspersonen (Vpn) eine räumliche Anordnung aus mehreren Einzelobjekten, beispielsweise ein Dorf, kennen und spre-chen dann aus der Vorstellung darüber. Dazu müssen sie über eine mentale Repräsentation der Gesamtanordnung verfugen. Man spricht von einer "kognitiven Karte". Mit dem Begriff der "kognitiven Karte" wird die räumliche Wissensrepräsentation bezeichnet. Eine kognitive Karte stellt eine integrierte Repräsentation von visuellen Images mehrerer Einzelobjekte und Infor-mationen anderer Sinnesmodalitäten dar. In Abschnitt 3.1 werden Kennzeichen und Formen kognitiver Karten skizziert. Ein wich-tiges Unterscheidungsmerkmal verschiedener kognitiver Karten ist die Frage, ob die Reprä-sentation einen Blickpunkt enthält, und um welchen es sich dabei handelt. Dieser Aspekt wird in Abschnitt 3.2 anhand empirischer Untersuchungen herausgearbeitet. 3.1 Elemente und Formen kognitiver Karten Entgegen ihrer anschaulichen Bezeichnung verfugen kognitive Karten über viele Eigenschaften von Landkarten gerade nicht, wie beispielsweise über Bildhaftigkeit, Stimmigkeit, Zwei-dimensionalität, Ganzheitlichkeit und Strukturierung nach euklidischer Metrik.1 - Ebenso wie für mentale Repräsentationen allgemein gilt auch hier die Behandlung als Konstrukt und die Warnung vor Ontologisierung. Der Kartenbegriff ist als Metapher zu verstehen. Hartl (1990) schlägt die folgende Definition vor: Mit dem Begriff kognitive Karte bezeichnet man nun genau die Repräsentation räumlicher Information im Gedächtnis. Unter kognitivem Kartieren versteht man den Vorgang des Erwerbs räumlichen Wissens, dessen Produkt die kognitive Karte ist. (S. 34) Diese Definition kann als Minimalexplikation für die zu dem Thema "kognitive Karte" durch-geführten Untersuchungen gelten. Kognitive Karten setzen eine Integration von verschiedenen, vorwiegend visuellen Eindrücken voraus. Gespeichert wird zumeist nicht ein Einzelobjekt, sondern mehrere Objekte, ihre Orte, die Distanzen zwischen ihnen und die räumlichen Beziehungen. Abrufbar ist damit die Information, daß ein Objekt in Relation zu einem Be-zugspunkt in einer bestimmten Richtung und Entfernung liegt (Engelkamp, 1990, S. 223 ff.; Hartl, 1990). Einige Autoren (etwa Downs & Stea, 1982; Evans, 1980; Lynch, 1960; Siegel & White, 1975) beziehen sich zudem auf realweltliche Settings (large-scale environments), in denen eine Person lebt (wohnt oder arbeitet) und Repräsentationen deshalb über einen längeren Zeitraum gewinnt. Dabei ist sie nicht passiver Beobachter von Stimuli, sondern interaktiver Bestandteil Siegel und White (1975) sprechen deshalb nicht von kognitiven Karten, sondern von "räumlicher Reprä-sentation".

3 Kognitive Karten Im experimentellen Paradigma der vorliegenden Arbeit lernen Versuchspersonen (Vpn) eine räumliche Anordnung aus mehreren Einzelobjekten, beispielsweise ein Dorf, kennen und spre-chen dann aus der Vorstellung darüber. Dazu müssen sie über eine mentale Repräsentation der Gesamtanordnung verfugen. Man spricht von einer "kognitiven Karte". Mit dem Begriff der "kognitiven Karte" wird die räumliche Wissensrepräsentation bezeichnet. Eine kognitive Karte stellt eine integrierte Repräsentation von visuellen Images mehrerer Einzelobjekte und Infor-mationen anderer Sinnesmodalitäten dar. In Abschnitt 3.1 werden Kennzeichen und Formen kognitiver Karten skizziert. Ein wich-tiges Unterscheidungsmerkmal verschiedener kognitiver Karten ist die Frage, ob die Reprä-sentation einen Blickpunkt enthält, und um welchen es sich dabei handelt. Dieser Aspekt wird in Abschnitt 3.2 anhand empirischer Untersuchungen herausgearbeitet. 3.1 Elemente und Formen kognitiver Karten Entgegen ihrer anschaulichen Bezeichnung verfugen kognitive Karten über viele Eigenschaften von Landkarten gerade nicht, wie beispielsweise über Bildhaftigkeit, Stimmigkeit, Zwei-dimensionalität, Ganzheitlichkeit und Strukturierung nach euklidischer Metrik.1 - Ebenso wie für mentale Repräsentationen allgemein gilt auch hier die Behandlung als Konstrukt und die Warnung vor Ontologisierung. Der Kartenbegriff ist als Metapher zu verstehen. Hartl (1990) schlägt die folgende Definition vor: Mit dem Begriff kognitive Karte bezeichnet man nun genau die Repräsentation räumlicher Information im Gedächtnis. Unter kognitivem Kartieren versteht man den Vorgang des Erwerbs räumlichen Wissens, dessen Produkt die kognitive Karte ist. (S. 34) Diese Definition kann als Minimalexplikation für die zu dem Thema "kognitive Karte" durch-geführten Untersuchungen gelten. Kognitive Karten setzen eine Integration von verschiedenen, vorwiegend visuellen Eindrücken voraus. Gespeichert wird zumeist nicht ein Einzelobjekt, sondern mehrere Objekte, ihre Orte, die Distanzen zwischen ihnen und die räumlichen Beziehungen. Abrufbar ist damit die Information, daß ein Objekt in Relation zu einem Be-zugspunkt in einer bestimmten Richtung und Entfernung liegt (Engelkamp, 1990, S. 223 ff.; Hartl, 1990). Einige Autoren (etwa Downs & Stea, 1982; Evans, 1980; Lynch, 1960; Siegel & White, 1975) beziehen sich zudem auf realweltliche Settings (large-scale environments), in denen eine Person lebt (wohnt oder arbeitet) und Repräsentationen deshalb über einen längeren Zeitraum gewinnt. Dabei ist sie nicht passiver Beobachter von Stimuli, sondern interaktiver Bestandteil Siegel und White (1975) sprechen deshalb nicht von kognitiven Karten, sondern von "räumlicher Reprä-sentation".
Downloaded on 14.11.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783110929676-004/pdf?licenseType=restricted&srsltid=AfmBOor0sK1b3kwLNtFYsBvP7RCtNPK32KA7mNTYZT-c6V_Brpy7XrFX
Scroll to top button