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Die Funktion der Autorintention bei der Interpretation

Axel Bühler Die Funktion der Autorintention bei der Interpretation Welche Rolle sollen Autorintentionen bei der Interpretation von Äußerungen beziehungsweise Texten spielen? Ich bespreche im folgenden drei ver-schiedene Konzeptionen von der methodologischen Rolle der Autorintention bei der Interpretation. I. Die Autorabsicht als Erkenntnismittel Nach der ersten hier zu diskutierenden Auffassung ist die Feststellung der Autorintention ein Mittel zur Aufdeckung der Textbedeutung. Die Aufdeckung der Textbedeutung gilt dabei als das eigentliche Ziel der Interpretation. Damit die Feststellung der Autorabsicht dazu dienen kann, die Textbe-deutung aufzudecken, wird ein enger Zusammenhang zwischen Absicht und Textbedeutung unterstellt. Der Begriff der Autorintention wird von Anhängern dieser Auffassung dazu verwendet, den »Begriff der Bedeutung eines literari-schen Werkes« zu explizieren.1 Dieser Explikationsversuch ist mit der Mei-nung verbunden, »daß die Bedeutung eines literarischen Werkes durch die Absicht des Autors festgelegt wird«.2 Man nimmt an, daß ein begrifflicher Zusammenhang vorliegt: zwischen dem Begriff der Autorabsicht und dem Begriff der Textbedeutung. Implizite Voraussetzung ist dabei die Annahme, daß es so etwas wie die Bedeutung eines Textes gibt, die eindeutig und einheit-lich sei. Von dieser Bedeutung nimmt man nun an, sie bestünde in den Absich-ten des Autors. Die Absicht des Autors konstituiere die Bedeutung des Textes; sie sei dafür grundlegend - nicht umgekehrt. Die Behauptung, die Autorab-sicht sei die Textbedeutung, ist auch als »Identitätsthese« bekannt geworden.3 1 Peter D. Juhl: Interpretation. An Essay in the Philosophy of Literary Criticism. Princeton, NJ 1980, S. 5. - »Explizieren« ist hier im technischen Sinn einer Begriffsexplikation gemeint. 2 Ebd., S. 9. 3 Siehe Lutz Danneberg u. Hans-Harald Müller: Der >intentionale Fehlschluß< - ein Dog-ma? I und II. In: Zeitschrift für Allgemeine Wissenschaftstheorie 14 (1983), S. 118.

Axel Bühler Die Funktion der Autorintention bei der Interpretation Welche Rolle sollen Autorintentionen bei der Interpretation von Äußerungen beziehungsweise Texten spielen? Ich bespreche im folgenden drei ver-schiedene Konzeptionen von der methodologischen Rolle der Autorintention bei der Interpretation. I. Die Autorabsicht als Erkenntnismittel Nach der ersten hier zu diskutierenden Auffassung ist die Feststellung der Autorintention ein Mittel zur Aufdeckung der Textbedeutung. Die Aufdeckung der Textbedeutung gilt dabei als das eigentliche Ziel der Interpretation. Damit die Feststellung der Autorabsicht dazu dienen kann, die Textbe-deutung aufzudecken, wird ein enger Zusammenhang zwischen Absicht und Textbedeutung unterstellt. Der Begriff der Autorintention wird von Anhängern dieser Auffassung dazu verwendet, den »Begriff der Bedeutung eines literari-schen Werkes« zu explizieren.1 Dieser Explikationsversuch ist mit der Mei-nung verbunden, »daß die Bedeutung eines literarischen Werkes durch die Absicht des Autors festgelegt wird«.2 Man nimmt an, daß ein begrifflicher Zusammenhang vorliegt: zwischen dem Begriff der Autorabsicht und dem Begriff der Textbedeutung. Implizite Voraussetzung ist dabei die Annahme, daß es so etwas wie die Bedeutung eines Textes gibt, die eindeutig und einheit-lich sei. Von dieser Bedeutung nimmt man nun an, sie bestünde in den Absich-ten des Autors. Die Absicht des Autors konstituiere die Bedeutung des Textes; sie sei dafür grundlegend - nicht umgekehrt. Die Behauptung, die Autorab-sicht sei die Textbedeutung, ist auch als »Identitätsthese« bekannt geworden.3 1 Peter D. Juhl: Interpretation. An Essay in the Philosophy of Literary Criticism. Princeton, NJ 1980, S. 5. - »Explizieren« ist hier im technischen Sinn einer Begriffsexplikation gemeint. 2 Ebd., S. 9. 3 Siehe Lutz Danneberg u. Hans-Harald Müller: Der >intentionale Fehlschluß< - ein Dog-ma? I und II. In: Zeitschrift für Allgemeine Wissenschaftstheorie 14 (1983), S. 118.

Chapters in this book

  1. i-iv i
  2. Vorwort 5
  3. Inhalt 7
  4. Einleitung 9
  5. Begriffshermetik und Signaturen. Grundzüge und Probleme der naturkundlichen Hermeneutik im frühneuzeitlichen Paracelsismus 15
  6. A Neglected Treatise on Scientific Method (methodus scientifica) published by Joannes Bellarinus in 1606 43
  7. ›Interpretatio‹ nach Valentin Wilhelm Forsters Interpres (1613) 83
  8. Das Subjekt der Interpretation. Probleme des Dichtungskommentars bei Martin Opitz 97
  9. Herausforderungen der biblischen Hermeneutik in der Frühen Neuzeit: Die neuen Diskurse der Wissenschaft und der Philosophie 119
  10. »Adamus in filiis lucis non peccavit.« Die ersten Reaktionen der reformierten Orthodoxie auf Lodewijk Meyers Programmschrift Philosophia sacrae scripturae interpres (1666) 157
  11. Probleme der Bibelinterpretation: Voetius, Clauberg, Meyer, Spinoza 187
  12. Entwicklungstendenzen der juristischen Interpretationstheorie von 1500 bis 1850 203
  13. Die Sprachauffassung Lamberts: Zwischen Charakteristik und Metaphorisierung 221
  14. Zum Artefakt-Begriff der frühmodernen Poetik 243
  15. Wie Flacius zum ersten Hermeneutiker der Moderne wurde: Dilthey, Twesten, Schleiermacher und die Historiographie der Hermeneutik 265
  16. Vom ›grammaticus‹ und ›logicus‹ über den ›analyticus‹ zum ›hermeneuticus‹ 281
  17. Ästhetische Wahrheit: Transformation der Erkenntnistheorie in der Ästhetik Georg Friedrich Meiers 365
  18. Vom ästhetischen Umgang mit poetischen Texten. Ein Beitrag zu Poetik und Hermeneutik des 18. Jahrhunderts 403
  19. Hermeneutik des Lebens 425
  20. Die Vorstruktur des Verstehens. Ein Beitrag zur Klärung des Verhältnisses zwischen traditioneller Hermeneutik und ›philosophischer Hermeneutik‹ 443
  21. Die Funktion der Autorintention bei der Interpretation 463
  22. Biographische Notizen 473
  23. Personenregister 477
Downloaded on 14.11.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783110924534.463/pdf?licenseType=restricted&srsltid=AfmBOorLWSO9AZQttKsIl3mT_xEMEf6Pv1HIONnX67bG3_HsmJcXM-kP
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