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Neulateinisches Figurengedicht und manieristische Poetik

Zum ›Poematum Liber‹ (1573) des Richard Willis
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Manier und Manierismus
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Ulrich Ernst Neulateinisches Figurengedicht und manieristische Poetik Zum >Poematum Liber< (1573) des Richard Willis In seiner Erzählung >Das Treffen in Telgte<, die im Jahr 1979 publiziert1 und in der Taschenbuchausgabe von 1981 um >Dreiundvierzig Gedichte aus dem Barock< erweitert wurde,2 berichtet Günter Grass von einer fikti-ven Zusammenkunft der deutschen Dichter des Barock im Sommer 1647. Anlaß für die Erzählung war der siebzigste Geburtstag von Hans Werner Richter, der die Gruppe 47 ins Leben gerufen und dem Grass, der an den Zusammenkünften dieses literarischen Kreises seit 1955 teilnahm und den Preis der Gruppe im Jahre 1958 erhielt, das Werk auch definitiv gewidmet hat. Nachdem die einzelnen Dichter in Telgte eingetroffen sind, werden im Quartier der Wirtin Courage unter Leitung von Simon Dach Lesungen und Disputationen veranstaltet. Am zweiten Lesetag trägt als erster Sigmund von Birken vor, »ein böhmisches Kriegskind, das, nach Nürnberg geflüch-tet, bei den Pegnitzschäfern um Harsdörffer und Klaj idyllischen Halt und Förderung in patrizischen Häusern gefunden hatte.«3 Als er, nicht zuletzt spezialisiert auf onomatopoetische Verse, bei der Dichterlesung >Carmina figurata< vorträgt, wird ihm der Applaus verwehrt, weil die kunstvolle graphische Form seiner Gedichte beim bloßen Rezitieren nicht zu ver-mitteln ist: Der Lautmaler Birken, dem alles zu Klang und Form wurde und der mit neuestem Empfinden nichts direkt sagte, sondern alles in Bildern umschrieb, las einige in Kreuz- und Herzform getürmte, hier ausladende, sich dort verjüngende, mit Fleiß gekünstelte Figurengedichte, die sich schön ansahen, doch bei der Versammlung keinen Beifall fanden, weil sich die Form beim Vorlesen nicht übertrug.4 1 Günter Grass: Das Treffen in Telgte, Darmstadt 1979. 2 Günter Grass: Das Treffen in Telgte. Eine Erzählung und dreiundvierzig Gedichte aus dem Barock, München 1994 (M997). 3 G. Grass (Anm. 2), S. 72. 4 Ebd., S. 73.

Ulrich Ernst Neulateinisches Figurengedicht und manieristische Poetik Zum >Poematum Liber< (1573) des Richard Willis In seiner Erzählung >Das Treffen in Telgte<, die im Jahr 1979 publiziert1 und in der Taschenbuchausgabe von 1981 um >Dreiundvierzig Gedichte aus dem Barock< erweitert wurde,2 berichtet Günter Grass von einer fikti-ven Zusammenkunft der deutschen Dichter des Barock im Sommer 1647. Anlaß für die Erzählung war der siebzigste Geburtstag von Hans Werner Richter, der die Gruppe 47 ins Leben gerufen und dem Grass, der an den Zusammenkünften dieses literarischen Kreises seit 1955 teilnahm und den Preis der Gruppe im Jahre 1958 erhielt, das Werk auch definitiv gewidmet hat. Nachdem die einzelnen Dichter in Telgte eingetroffen sind, werden im Quartier der Wirtin Courage unter Leitung von Simon Dach Lesungen und Disputationen veranstaltet. Am zweiten Lesetag trägt als erster Sigmund von Birken vor, »ein böhmisches Kriegskind, das, nach Nürnberg geflüch-tet, bei den Pegnitzschäfern um Harsdörffer und Klaj idyllischen Halt und Förderung in patrizischen Häusern gefunden hatte.«3 Als er, nicht zuletzt spezialisiert auf onomatopoetische Verse, bei der Dichterlesung >Carmina figurata< vorträgt, wird ihm der Applaus verwehrt, weil die kunstvolle graphische Form seiner Gedichte beim bloßen Rezitieren nicht zu ver-mitteln ist: Der Lautmaler Birken, dem alles zu Klang und Form wurde und der mit neuestem Empfinden nichts direkt sagte, sondern alles in Bildern umschrieb, las einige in Kreuz- und Herzform getürmte, hier ausladende, sich dort verjüngende, mit Fleiß gekünstelte Figurengedichte, die sich schön ansahen, doch bei der Versammlung keinen Beifall fanden, weil sich die Form beim Vorlesen nicht übertrug.4 1 Günter Grass: Das Treffen in Telgte, Darmstadt 1979. 2 Günter Grass: Das Treffen in Telgte. Eine Erzählung und dreiundvierzig Gedichte aus dem Barock, München 1994 (M997). 3 G. Grass (Anm. 2), S. 72. 4 Ebd., S. 73.
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