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FRAUENKRIMINALITÄT

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Band 5 Nachtrags- und Registerband
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Frauenkriminalität 625 FRAUENKRIMINALITÄT Α. Anteil an der Gesamtkriminalität Das Geschlecht ist für die Unterscheidung von Straftätern und Nichtstraftätern wahrscheinlich von größerer statistischer Bedeutung als jedes andere Merkmal (so Sutherland, Cressey 1978, 130; Conklin 1995, 103). In allen Ländern und zu allen Zeiten, für die brauchbare Kriminalstatistiken vorliegen, ist der Anteil der Täterinnen in allen Altersgruppen und für nahezu alle Delikte geringer als derjenige der männ-lichen Täter. Eine Ausnahme bilden nur die typi-schen Frauendelikte, wie Kindestötung und -ausset-zung oder Eigenabtreibung, die teilweise bereits nach ihrer gesetzlichen Definition täterschaftlich nur von Frauen begangen werden können (vgl. im deutschen Strafgesetzbuch § 217 und § 218 III). 1. Hellfeld Im Jahre 1995 betrug der Anteil der Frauen und Mädchen an der Gesamtzahl der polizeilich ermittel-ten Tatverdächtigen lediglich 22,1% (vgl. PKS für 1995, 95). Verkehrsdelikte sind dabei nicht berück-sichtigt. Gut 11% aller wegen Straftaten im Straßen-verkehr und knapp 18% aller wegen sonstiger Straf-taten Verurteilten waren 1994 im alten Bundesgebiet Frauen (vgl. Stat. BA 1996, 17). Ein ähnliches Bild ergibt sich für Österreich und die Schweiz. In Österreich machte der Anteil der Frauen und Mädchen an der Gesamtzahl aller we-gen einer strafbaren Handlung Tatverdächtigen 1994 rund 19% aus (PKS Österreich für 1994); in der Schweiz belief sich der Anteil der Täterinnen 1995 auf 15,6% der Tatverdächtigen (PKS Schweiz für 1995, Anhang D). In den USA waren im Jahre 1992 19% aller wegen Straftaten festgenommenen Perso-nen weiblich (U.S. Department of Justice 1993,430). Dabei war der Anteil der Frauen und Mädchen an den Festgenommenen in Städten (19,3%) und städti-schen Vororten (19%) höher als in ländlichen Bezir-ken (17,5%) (U.S. Department of Justice 1993, 435, 439, 443). Überschlägig ist in den Industrieländern insgesamt mit einem Frauenanteil von 10% bis 20% unter den polizeilich ermittelten Tatverdächtigen zu rechnen (vgl. die Übersicht bei Kaiser 1988, 435; H. J. Schneider 1986, 268; für die Niederlande Bruinsma, Dessaur, van Hezewijk 1981). Unter den Verurteilten ist der Frauenanteil allgemein niedriger (vgl. für Großbritannien Gibbens 1981, 104). Es wird davon ausgegangen, daß in den Entwicklungs-ländern Frauen und Mädchen in noch geringerem Umfang an der offiziell registrierten Kriminalität be-teiligt sind (vgl. H. J. Schneider 1986, 268; Feest 1993, 144; für Nigeria: Oloruntimehin 1981, 160; für Indien: Bhanot, Misra 1981, 230). Diese niedrigere Kriminalitätsbelastung wird auf die abhängigere so-ziale Stellung der Frau zurückgeführt (Sutherland, Cressey 1978, 131 f.). Alle Gegenüberstellungen von Tatverdächtigen-und Verurteiltenzahlen und ihre Interpretation lei-den an der mangelnden internationalen Vergleich-barkeit der jeweiligen Länderstatistiken. Nicht nur die Unterschiede in der Strafgesetzgebung und das unterschiedliche Maß der Zuverlässigkeit der Stati-stiken lassen Vergleiche zweifelhaft erscheinen. Offi-zielle Kriminalstatistiken stehen immer unter dem Vorbehalt eines mehr oder minder großen Dunkel-feldes, dessen Ausmaß nicht nur von der Leistungs-fähigkeit der Strafverfolgungsbehörden, sondern auch von ihrer Verfolgungsbereitschaft sowie von der Anzeigebereitschaft der Opfer und damit letzt-lich von den gesellschaftlich geprägten Einstellungen der reagierenden Personen abhängt. Es ist zu erwar-ten, daß die Bereitschaft zur Anzeige und zur Verfol-gung weiblicher Straftäter in verschiedenen Gesell-schaften unterschiedlich ist. So mag eine von starker Abhängigkeit geprägte Stellung der Frauen dazu führen, daß ihre Kriminalität weniger ernst genom-men und eher informell erledigt wird, indem die Sanktionierung und weitere Kontrolle der Rechts-brecherin der Familie oder der Gemeinschaft über-lassen wird. 2. Dunkelfeld Die in den offiziellen Kriminalstatistiken auf-scheinende relativ geringe kriminelle Belastung von Frauen und Mädchen wird teilweise unter Hinweis auf die Existenz eines „geschlechtsspezifischen Dun-kelfeldes" angezweifelt. Es wird angenommen, daß das weibliche Geschlecht in Wirklichkeit kaum weni-ger kriminell aktiv sei als das männliche (Pollak 1950, 44ff.; Leder 1984; 1988). Straftaten von Frauen sollen jedoch in weit höherem Maße unent-deckt bleiben als Straftaten von Männern. Frauen werden angeblich weniger häufig angezeigt, über-führt und verurteilt. Tatsächlich ist in zahlreichen Dunkelfelduntersu-chungen ein wesentlich höherer Anteil an weiblicher Kriminalität und Jugenddelinquenz ermittelt wor-den, als aufgrund offizieller Daten zu erwarten war (Short, Nye 1958, 300; Williams, Gold 1972; Jensen, Eve 1976; Hindelang 1979, 525 f.; Smith, Visher 1980; Canter 1982b; Kreuzer 1986; Siegel 1995, 69; vgl. auch die Übersichten über Dunkelfelduntersu-chungen in den USA bei Hindelang, Hirschi, Weis 1979, 998 und für die Niederlande bei Bruinsma, Dessaur, van Hezewijk 1981, 26 ff.). Jedoch gelangen auch diese Untersuchungen übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß Frauen und Mädchen insgesamt seltener eigene kriminelle Taten berichten als männli-che Probanden und daß die eingeräumten Taten im Durchschnitt weniger schwer sind als diejenigen der männlichen Vergleichspersonen. Das Delikt, das in der Selbstberichtsstudie von Jensen und Eve (1976)

Frauenkriminalität 625 FRAUENKRIMINALITÄT Α. Anteil an der Gesamtkriminalität Das Geschlecht ist für die Unterscheidung von Straftätern und Nichtstraftätern wahrscheinlich von größerer statistischer Bedeutung als jedes andere Merkmal (so Sutherland, Cressey 1978, 130; Conklin 1995, 103). In allen Ländern und zu allen Zeiten, für die brauchbare Kriminalstatistiken vorliegen, ist der Anteil der Täterinnen in allen Altersgruppen und für nahezu alle Delikte geringer als derjenige der männ-lichen Täter. Eine Ausnahme bilden nur die typi-schen Frauendelikte, wie Kindestötung und -ausset-zung oder Eigenabtreibung, die teilweise bereits nach ihrer gesetzlichen Definition täterschaftlich nur von Frauen begangen werden können (vgl. im deutschen Strafgesetzbuch § 217 und § 218 III). 1. Hellfeld Im Jahre 1995 betrug der Anteil der Frauen und Mädchen an der Gesamtzahl der polizeilich ermittel-ten Tatverdächtigen lediglich 22,1% (vgl. PKS für 1995, 95). Verkehrsdelikte sind dabei nicht berück-sichtigt. Gut 11% aller wegen Straftaten im Straßen-verkehr und knapp 18% aller wegen sonstiger Straf-taten Verurteilten waren 1994 im alten Bundesgebiet Frauen (vgl. Stat. BA 1996, 17). Ein ähnliches Bild ergibt sich für Österreich und die Schweiz. In Österreich machte der Anteil der Frauen und Mädchen an der Gesamtzahl aller we-gen einer strafbaren Handlung Tatverdächtigen 1994 rund 19% aus (PKS Österreich für 1994); in der Schweiz belief sich der Anteil der Täterinnen 1995 auf 15,6% der Tatverdächtigen (PKS Schweiz für 1995, Anhang D). In den USA waren im Jahre 1992 19% aller wegen Straftaten festgenommenen Perso-nen weiblich (U.S. Department of Justice 1993,430). Dabei war der Anteil der Frauen und Mädchen an den Festgenommenen in Städten (19,3%) und städti-schen Vororten (19%) höher als in ländlichen Bezir-ken (17,5%) (U.S. Department of Justice 1993, 435, 439, 443). Überschlägig ist in den Industrieländern insgesamt mit einem Frauenanteil von 10% bis 20% unter den polizeilich ermittelten Tatverdächtigen zu rechnen (vgl. die Übersicht bei Kaiser 1988, 435; H. J. Schneider 1986, 268; für die Niederlande Bruinsma, Dessaur, van Hezewijk 1981). Unter den Verurteilten ist der Frauenanteil allgemein niedriger (vgl. für Großbritannien Gibbens 1981, 104). Es wird davon ausgegangen, daß in den Entwicklungs-ländern Frauen und Mädchen in noch geringerem Umfang an der offiziell registrierten Kriminalität be-teiligt sind (vgl. H. J. Schneider 1986, 268; Feest 1993, 144; für Nigeria: Oloruntimehin 1981, 160; für Indien: Bhanot, Misra 1981, 230). Diese niedrigere Kriminalitätsbelastung wird auf die abhängigere so-ziale Stellung der Frau zurückgeführt (Sutherland, Cressey 1978, 131 f.). Alle Gegenüberstellungen von Tatverdächtigen-und Verurteiltenzahlen und ihre Interpretation lei-den an der mangelnden internationalen Vergleich-barkeit der jeweiligen Länderstatistiken. Nicht nur die Unterschiede in der Strafgesetzgebung und das unterschiedliche Maß der Zuverlässigkeit der Stati-stiken lassen Vergleiche zweifelhaft erscheinen. Offi-zielle Kriminalstatistiken stehen immer unter dem Vorbehalt eines mehr oder minder großen Dunkel-feldes, dessen Ausmaß nicht nur von der Leistungs-fähigkeit der Strafverfolgungsbehörden, sondern auch von ihrer Verfolgungsbereitschaft sowie von der Anzeigebereitschaft der Opfer und damit letzt-lich von den gesellschaftlich geprägten Einstellungen der reagierenden Personen abhängt. Es ist zu erwar-ten, daß die Bereitschaft zur Anzeige und zur Verfol-gung weiblicher Straftäter in verschiedenen Gesell-schaften unterschiedlich ist. So mag eine von starker Abhängigkeit geprägte Stellung der Frauen dazu führen, daß ihre Kriminalität weniger ernst genom-men und eher informell erledigt wird, indem die Sanktionierung und weitere Kontrolle der Rechts-brecherin der Familie oder der Gemeinschaft über-lassen wird. 2. Dunkelfeld Die in den offiziellen Kriminalstatistiken auf-scheinende relativ geringe kriminelle Belastung von Frauen und Mädchen wird teilweise unter Hinweis auf die Existenz eines „geschlechtsspezifischen Dun-kelfeldes" angezweifelt. Es wird angenommen, daß das weibliche Geschlecht in Wirklichkeit kaum weni-ger kriminell aktiv sei als das männliche (Pollak 1950, 44ff.; Leder 1984; 1988). Straftaten von Frauen sollen jedoch in weit höherem Maße unent-deckt bleiben als Straftaten von Männern. Frauen werden angeblich weniger häufig angezeigt, über-führt und verurteilt. Tatsächlich ist in zahlreichen Dunkelfelduntersu-chungen ein wesentlich höherer Anteil an weiblicher Kriminalität und Jugenddelinquenz ermittelt wor-den, als aufgrund offizieller Daten zu erwarten war (Short, Nye 1958, 300; Williams, Gold 1972; Jensen, Eve 1976; Hindelang 1979, 525 f.; Smith, Visher 1980; Canter 1982b; Kreuzer 1986; Siegel 1995, 69; vgl. auch die Übersichten über Dunkelfelduntersu-chungen in den USA bei Hindelang, Hirschi, Weis 1979, 998 und für die Niederlande bei Bruinsma, Dessaur, van Hezewijk 1981, 26 ff.). Jedoch gelangen auch diese Untersuchungen übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß Frauen und Mädchen insgesamt seltener eigene kriminelle Taten berichten als männli-che Probanden und daß die eingeräumten Taten im Durchschnitt weniger schwer sind als diejenigen der männlichen Vergleichspersonen. Das Delikt, das in der Selbstberichtsstudie von Jensen und Eve (1976)
Downloaded on 24.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783110895841.625/html?licenseType=restricted&srsltid=AfmBOop5pGF6srqTOoFsziMfNmDBtcAl1VQUJ1D4SfQmabuFXZFZ5V76
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