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§ 41. Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz

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§41 Al Vierter Teil. Die Lehre vom Rechtsgeschäft III. Richterliche Vertragsgestaltung 1034 Über die für die ergänzende Vertragsauslegung gebotenen Grenzen hinaus gab das Vertragshilfegesetz von 1952 - wie auch schon die Vertragshilfe VO von 1939 und ähnliche Vertragshilferegelungen - dem Richter die Möglichkeit, unabhängig vom Parteiwillen die Parteibeziehungen rechtsgestaltend zu verändern, insbeson-dere an die Leistungsfähigkeit des Schuldners anzupassen. Der damit verbundene Eingriff der Staatsgewalt in privatautonome Bereiche kann nur in Kriegs- oder ähnlichen Notsituationen gerechtfertigt sein. Dementsprechend beschränkte sich das Vertragshilfegesetz von 1952 auf Verbindlichkeiten, die vor der Währungsre-form (21. 6. 1948) begründet worden waren. §41 Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz A. Einleitung DAMM Verbraucherrechtliche Sondergesetzgebung und Privatrechtssystem, JZ 1978, 173; Ε. v. HIPPEL Verbraucherschutz, 3. Aufl., 1986; F. v. HIPPEL Das Problem der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie, 1936; HÖNN Kompensation gestörter Vertrags-parität, 1982; ders., Zur Problematik der Privatautonomie jura 1984,57 ff; H. HÜBNER Rechtsgeschäftslehre und Verbraucherschutz, Festschrift für Börner, 1992, 717 ff; KILIAN Kontrahierungszwang und Zivilrechtssystem, AcP 180 (1980), 47 ff; SCHMIDT-SALZER Verbraucherschutz, Produkthaftung, Umwelthaftung, Unternehmensverant-wortung, NJW 1994, 1305 ff; SCHMUDE Verbraucherschutz und Vertragsfreiheit, Festschrift für Ballerstedt, 1975, 481 ff; SIMITIS Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, 1976; VON WESTPHALEN Schattenseiten des Verbraucherschutzes, DB 1981, 61 ff. 1035 7. Grundsätzlich deckt das Individuum in einer arbeitsteiligen Gesellschaft seinen Lebensbedarf selbständig durch Verträge. Hierzu gewährt ihm die Rechtsord-nung als Kern der Privatautonomie die Vertragsfreiheit (s. o. Rdn. 980 f). Im Gegensatz zu dieser freiheitlichen Auffassung, die dem Individuum die Selbstgestaltung der Lebensverhältnisse gewährleistet, stehen Vorstellungen, daß dem Individuum die - zumindest notwendigen - Lebensgüter durch Zuteilung gewährt werden. Die Erfahrung hat gelehrt, daß das sozialistische Prinzip der Zuteilung den Lebensbedürfnissen des Individuums nicht gerecht wird. 1036 Die vom BGB vorausgesetzte Vertragsfreiheit basiert allerdings zum einen darauf, daß die Lebensgüter in ausreichender Menge zur Verfügung stehen; vorausgesetzt ist zum anderen, daß zwischen den Vertragsparteien keine persön-lichen Machtungleichgewichte bestehen, da nur die Äquivalenz gewährleistet, 434

§41 Al Vierter Teil. Die Lehre vom Rechtsgeschäft III. Richterliche Vertragsgestaltung 1034 Über die für die ergänzende Vertragsauslegung gebotenen Grenzen hinaus gab das Vertragshilfegesetz von 1952 - wie auch schon die Vertragshilfe VO von 1939 und ähnliche Vertragshilferegelungen - dem Richter die Möglichkeit, unabhängig vom Parteiwillen die Parteibeziehungen rechtsgestaltend zu verändern, insbeson-dere an die Leistungsfähigkeit des Schuldners anzupassen. Der damit verbundene Eingriff der Staatsgewalt in privatautonome Bereiche kann nur in Kriegs- oder ähnlichen Notsituationen gerechtfertigt sein. Dementsprechend beschränkte sich das Vertragshilfegesetz von 1952 auf Verbindlichkeiten, die vor der Währungsre-form (21. 6. 1948) begründet worden waren. §41 Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz A. Einleitung DAMM Verbraucherrechtliche Sondergesetzgebung und Privatrechtssystem, JZ 1978, 173; Ε. v. HIPPEL Verbraucherschutz, 3. Aufl., 1986; F. v. HIPPEL Das Problem der rechtsgeschäftlichen Privatautonomie, 1936; HÖNN Kompensation gestörter Vertrags-parität, 1982; ders., Zur Problematik der Privatautonomie jura 1984,57 ff; H. HÜBNER Rechtsgeschäftslehre und Verbraucherschutz, Festschrift für Börner, 1992, 717 ff; KILIAN Kontrahierungszwang und Zivilrechtssystem, AcP 180 (1980), 47 ff; SCHMIDT-SALZER Verbraucherschutz, Produkthaftung, Umwelthaftung, Unternehmensverant-wortung, NJW 1994, 1305 ff; SCHMUDE Verbraucherschutz und Vertragsfreiheit, Festschrift für Ballerstedt, 1975, 481 ff; SIMITIS Verbraucherschutz, Schlagwort oder Rechtsprinzip?, 1976; VON WESTPHALEN Schattenseiten des Verbraucherschutzes, DB 1981, 61 ff. 1035 7. Grundsätzlich deckt das Individuum in einer arbeitsteiligen Gesellschaft seinen Lebensbedarf selbständig durch Verträge. Hierzu gewährt ihm die Rechtsord-nung als Kern der Privatautonomie die Vertragsfreiheit (s. o. Rdn. 980 f). Im Gegensatz zu dieser freiheitlichen Auffassung, die dem Individuum die Selbstgestaltung der Lebensverhältnisse gewährleistet, stehen Vorstellungen, daß dem Individuum die - zumindest notwendigen - Lebensgüter durch Zuteilung gewährt werden. Die Erfahrung hat gelehrt, daß das sozialistische Prinzip der Zuteilung den Lebensbedürfnissen des Individuums nicht gerecht wird. 1036 Die vom BGB vorausgesetzte Vertragsfreiheit basiert allerdings zum einen darauf, daß die Lebensgüter in ausreichender Menge zur Verfügung stehen; vorausgesetzt ist zum anderen, daß zwischen den Vertragsparteien keine persön-lichen Machtungleichgewichte bestehen, da nur die Äquivalenz gewährleistet, 434

Chapters in this book

  1. Frontmatter i
  2. Vorwort v
  3. Inhaltsverzeichnis vii
  4. Verzeichnis der Abkürzungen xxiii
  5. EINLEITUNG: Das deutsche bürgerliche Recht
  6. §1. Privatrecht und öffentliches Recht 1
  7. §2. Die Vorgeschichte des Bürgerlichen Gesetzbuchs, seine Entstehung und Weiterentwicklung 4
  8. §3. Die Quellen und Erscheinungsformen des deutschen bürgerlichen Rechts 14
  9. §4. Der Geltungsbereich des deutschen bürgerlichen Rechts 26
  10. §5. System, Charakter und Normarten des BGB 47
  11. §6. Anwendung des bürgerlichen Rechts 54
  12. § 7. Schrifttum zum bürgerlichen Recht 69
  13. ERSTER TEIL: Personen
  14. §8. Grundbegriffe 77
  15. ERSTER ABSCHNITT: Natürliche Personen
  16. §9. Beginn und Ende der Rechtsfähigkeit 79
  17. §10. Rechtlich erhebliche Eigenschaften und Zustände 86
  18. §11. Namensrecht 93
  19. §12. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht 100
  20. ZWEITER ABSCHNITT: Juristische Personen
  21. §13. Grundlagen 110
  22. § 14. Vereine 117
  23. §15. Die Stiftung 154
  24. ZWEITER TEIL: Rechtsgegenstände
  25. §16. Gegenstand und Sache 163
  26. §17. Arten der Sachen 169
  27. §18. Sache und Sachbestandteil 175
  28. §19. Zubehör 181
  29. § 20. Nutzungen und Früchte 185
  30. DRITTER TEIL: Die Rechte der Person
  31. § 21. Rechtsverhältnis und Rechte der Person 191
  32. § 22. Die Arten der subjektiven Rechte 192
  33. § 23. Erwerb, Übergang und Verlust von Rechten 200
  34. § 24. Schranken der Rechte 208
  35. § 25. Anspruch und Einrede 212
  36. § 26. Die Verwirklichung des Rechtsschutzes und das Haftungssystem 223
  37. § 27. Eigenmächtige Durchsetzung der Rechte 256
  38. VIERTER TEIL: Die Lehre vom Rechtsgeschäft
  39. ERSTER ABSCHNITT: Rechtshandlung und Rechtsgeschäft
  40. § 28. Die Rechtshandlung im allgemeinen 267
  41. § 29. Rechtswirksames Verhalten 269
  42. ZWEITER ABSCHNITT: Das Rechtsgeschäft
  43. § 30. Rechtsgeschäft und Privatautonomie 276
  44. § 31. Der Tatbestand und die Arten des Rechtsgeschäfts 279
  45. DRITTER ABSCHNITT: Die Willenserklärung
  46. § 32. Tatbestand der Willenserklärung 298
  47. § 33. Geschäftsfähigkeit 312
  48. § 34. Abgabe und Zugang der Willenserklärung 322
  49. VIERTER ABSCHNITT: Form und zulässiger Inhalt des Rechtsgeschäfts
  50. § 37. Formerfordernisse und Formverstöße 366
  51. § 38. Zulässiger Inhalt der Rechtsgeschäfte 376
  52. FÜNFTER ABSCHNITT: Das System der Rechtsfolgen fehlerhafter Rechtsgeschäfte
  53. § 39. Arten der Unwirksamkeit 392
  54. SECHSTER ABSCHNITT: Die Lehre vom Vertrag
  55. § 40. Der Vertrag 413
  56. § 41. Vertragsfreiheit und Verbraucherschutz 434
  57. § 42. Sonderprobleme des Vertragsrechts 451
  58. SIEBENTER ABSCHNITT: Bedingungen und Zeitbestimmung
  59. § 43. Die Bedingung 469
  60. § 44. Die Befristung 484
  61. ACHTER ABSCHNITT: Stellvertretung
  62. § 45. Funktion und Abgrenzung 486
  63. § 46. Indirekte Stellvertretung 492
  64. § 47. Die direkte Stellvertretung 503
  65. § 48. Die Vertretungsmacht 514
  66. § 49. Vertretung ohne Vertretungsmacht 539
  67. § 50. Das Insichgeschäft 546
  68. NEUNTER ABSCHNITT: Zustimmungsbedürftige Rechtsgeschäfte
  69. § 51. Die Zustimmung 551
  70. ZEHNTER ABSCHNITT Die Zeit
  71. § 52. Auslegung und Berechnung der Zeitbestimmung 563
  72. § 53. Die Anspruchsverjährung 566
  73. § 54. Die Verwirkung 577
  74. Stichwortverzeichnis 581
Downloaded on 14.11.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783110868753.434/html?srsltid=AfmBOorN0DQBzb8qucbMD6eGbhX2IzZoWTYMnD-L5jioGTIc-CvXlaZz
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