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VIII . EUTHYPHRON Der Zweifel an Athen

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Platon
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Dies Lebensgefühl der hohen Weltzeit: Sokrates in Jünglinge verliebt und ihre Liebe zu Knaben ermunternd starb mit Piaton und war den Folgezeiten unverständlich. Selbst Nietzsche staunt: „man traut seinen Augen nicht, gesetzt schon, daß man Piaton traut!" Wunderbar war aber nicht, was heute anstößig scheint, denn dies war alte hellenische Sitte, wunderbar war nur, wie Sokrates-Platon dies erregte Fluidum zum Fahrzeug des neuen staatschöpferischen Geistes formte. Der Agon ist der Boden hellenischer Kultur, und Wettkampf um höchste Staats-kunst hat Raum nur in männlicher Gesellschaft, die durch Liebe zum Weibe gefährdet wird. („Der Ritter, der sich verliegt" ist das warnende Motiv selbst in Minnesängerzeit.) Die Absicht der leitenden Männer, die seelische Leidenschaft für die Frau fernzuhalten vom Leben der künf-tigen Krieger ist also nicht verwunderlich, wohl aber daß dieser männ-liche Lebensraum gefüllt und in sich geschlossen blieb, daß der Sokratisch-Platonische Geistesstaat eins wurde mit der Jünglings- und Knabenliebe, nachdem sie die zu körperhafte Liebe der Spartaner aus-geschlossen hatte. Der Wunsch, daß jeder der gewonnenen Jünglinge einen neuen Liebes-kreis um sich bilden soll, damit der Keim gewaltig zum Baum sich ver-ästle, mag die staatliche Aufgabe allzu zweckhaft betonen, aber der „Lysis" erinnert, daß diese staatliche Aufgabe nur Ausdruck des unsag-baren Welttriebes, der unlöslichen Fuge von Blut und Geist ist. Lysis ist wohl Bild der Enkel, die in ihrer Vielheit den Staat gründen sollen, aber die Erschütterung des Sokrates zeigt an, daß er zugleich Abbild der Vollkommenheit ist. Wenn der Knabe von so schönem Wesen zum König und Retter Griechenlands heranwüchse, dann wäre Piatons schön-ster Traum erfüllt. Wenn er aber einen anderen Weg ginge, dann bliebe er doch immer das Bild des Vollkommenen, das für den Griechen in der Gestalt des Jünglings sich am nächsten offenbart, bliebe er Bild des schönen Lebens, um deswillen allein die Staatgründung Sinn hat. Auch er hat Piatons Blut in die Wallung gebracht, aus der der Plan des Staates für „Göttersöhne" erblüht. VIII. EUTHYPHRON Der Zweifel an Athen Noch fehlt die vierte Platonische Tugend, die Gerechtigkeit, und es lag nahe, diese staatliche Tugend zu verbinden mit dem entscheidenden Wort an Athen, mit der Lehre vom Staat, wie es viel später in der „Politeia" geschah. In der Tat hat damals Piaton den Dialog über die 105
© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

Dies Lebensgefühl der hohen Weltzeit: Sokrates in Jünglinge verliebt und ihre Liebe zu Knaben ermunternd starb mit Piaton und war den Folgezeiten unverständlich. Selbst Nietzsche staunt: „man traut seinen Augen nicht, gesetzt schon, daß man Piaton traut!" Wunderbar war aber nicht, was heute anstößig scheint, denn dies war alte hellenische Sitte, wunderbar war nur, wie Sokrates-Platon dies erregte Fluidum zum Fahrzeug des neuen staatschöpferischen Geistes formte. Der Agon ist der Boden hellenischer Kultur, und Wettkampf um höchste Staats-kunst hat Raum nur in männlicher Gesellschaft, die durch Liebe zum Weibe gefährdet wird. („Der Ritter, der sich verliegt" ist das warnende Motiv selbst in Minnesängerzeit.) Die Absicht der leitenden Männer, die seelische Leidenschaft für die Frau fernzuhalten vom Leben der künf-tigen Krieger ist also nicht verwunderlich, wohl aber daß dieser männ-liche Lebensraum gefüllt und in sich geschlossen blieb, daß der Sokratisch-Platonische Geistesstaat eins wurde mit der Jünglings- und Knabenliebe, nachdem sie die zu körperhafte Liebe der Spartaner aus-geschlossen hatte. Der Wunsch, daß jeder der gewonnenen Jünglinge einen neuen Liebes-kreis um sich bilden soll, damit der Keim gewaltig zum Baum sich ver-ästle, mag die staatliche Aufgabe allzu zweckhaft betonen, aber der „Lysis" erinnert, daß diese staatliche Aufgabe nur Ausdruck des unsag-baren Welttriebes, der unlöslichen Fuge von Blut und Geist ist. Lysis ist wohl Bild der Enkel, die in ihrer Vielheit den Staat gründen sollen, aber die Erschütterung des Sokrates zeigt an, daß er zugleich Abbild der Vollkommenheit ist. Wenn der Knabe von so schönem Wesen zum König und Retter Griechenlands heranwüchse, dann wäre Piatons schön-ster Traum erfüllt. Wenn er aber einen anderen Weg ginge, dann bliebe er doch immer das Bild des Vollkommenen, das für den Griechen in der Gestalt des Jünglings sich am nächsten offenbart, bliebe er Bild des schönen Lebens, um deswillen allein die Staatgründung Sinn hat. Auch er hat Piatons Blut in die Wallung gebracht, aus der der Plan des Staates für „Göttersöhne" erblüht. VIII. EUTHYPHRON Der Zweifel an Athen Noch fehlt die vierte Platonische Tugend, die Gerechtigkeit, und es lag nahe, diese staatliche Tugend zu verbinden mit dem entscheidenden Wort an Athen, mit der Lehre vom Staat, wie es viel später in der „Politeia" geschah. In der Tat hat damals Piaton den Dialog über die 105
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