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ACHTES KAPITEL: Kontinuität und Wandel des Preußenbildes nach 1947

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Das Ende Preußens in polnischer Sicht
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ACHTES KAPITEL Kontinuität und Wandel des Preußenbildes nach 1947 Das Trauma der Nazi-Okkupation hat, wie wir gesehen haben, be-dingt, daß sich im polnischen Bewußtsein die Unterschiede zwischen dem preußisch-polnischen Staatenkonflikt und dem deutsch-polni-schen Nationenkonflikt zeitweise weitgehend verwischten. Gleichzei-tig ist Preußen aber offenbar stets als ein besonderer Faktor im Rahmen des nationalen Konflikts gesehen worden. An den Wendepunkten 1848 und 1871 beginnend, konnte in diesem Sinne bis 1945/47 eine „negative Kontinuität" der Rolle Preußens im polnischen Bewußtsein beobachtet werden. Die definitive Auflösung des preußischen Staates seit 1945/47 mochte nun die Frage seiner „negativen Kontinuität" zumindest für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg als ein rein akademisches Problem der Geschichtswissenschaft und allenfalls noch als ein ideologisches Problem erscheinen lassen. Neben diesen zwei Faktoren dem histori-schen Interesse einerseits und der politischen Funktionalisierung ande-rerseits hatte Preußen für Polen aber auch nach der Auflösung zudem realpolitische Bedeutung: Man fürchtete, daß es ein Modell zur Lösung der Deutschlandfrage werden könnte. Das deutsch-polnische Verhältnis der Nachkriegszeit ist aus der polnischen Perspektive nicht allein durch das Problem der „Versöhnung" oder „Vergebung" be-stimmt, sondern zumindest ebenso durch das Bedürfnis, entweder eine nicht-preußische Lösung der Deutschlandfrage herbeizuführen oder diese überhaupt ungelöst zu lassen. Es galt, jedem Bestreben entgegen-zuwirken, die deutsche Frage in Anlehnung an das preußische Modell — ob territorial oder politisch gesehen zu lösen. Der Versuch, das Fortleben und den Wandel des Preußenbildes in Polen nach 1947 zu analysieren, ist daher nicht auf eine eng verstandene historiographiegeschichtliche Fragestellung beschränkt und dabei auch nicht auf das Problem der Uberwindung nationalistischer Kriterien in

ACHTES KAPITEL Kontinuität und Wandel des Preußenbildes nach 1947 Das Trauma der Nazi-Okkupation hat, wie wir gesehen haben, be-dingt, daß sich im polnischen Bewußtsein die Unterschiede zwischen dem preußisch-polnischen Staatenkonflikt und dem deutsch-polni-schen Nationenkonflikt zeitweise weitgehend verwischten. Gleichzei-tig ist Preußen aber offenbar stets als ein besonderer Faktor im Rahmen des nationalen Konflikts gesehen worden. An den Wendepunkten 1848 und 1871 beginnend, konnte in diesem Sinne bis 1945/47 eine „negative Kontinuität" der Rolle Preußens im polnischen Bewußtsein beobachtet werden. Die definitive Auflösung des preußischen Staates seit 1945/47 mochte nun die Frage seiner „negativen Kontinuität" zumindest für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg als ein rein akademisches Problem der Geschichtswissenschaft und allenfalls noch als ein ideologisches Problem erscheinen lassen. Neben diesen zwei Faktoren dem histori-schen Interesse einerseits und der politischen Funktionalisierung ande-rerseits hatte Preußen für Polen aber auch nach der Auflösung zudem realpolitische Bedeutung: Man fürchtete, daß es ein Modell zur Lösung der Deutschlandfrage werden könnte. Das deutsch-polnische Verhältnis der Nachkriegszeit ist aus der polnischen Perspektive nicht allein durch das Problem der „Versöhnung" oder „Vergebung" be-stimmt, sondern zumindest ebenso durch das Bedürfnis, entweder eine nicht-preußische Lösung der Deutschlandfrage herbeizuführen oder diese überhaupt ungelöst zu lassen. Es galt, jedem Bestreben entgegen-zuwirken, die deutsche Frage in Anlehnung an das preußische Modell — ob territorial oder politisch gesehen zu lösen. Der Versuch, das Fortleben und den Wandel des Preußenbildes in Polen nach 1947 zu analysieren, ist daher nicht auf eine eng verstandene historiographiegeschichtliche Fragestellung beschränkt und dabei auch nicht auf das Problem der Uberwindung nationalistischer Kriterien in
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