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Nicht der Philosophen Gott? Denken Gottes zwischen Mythos und Metaphysik

Nicht der Philosophen Gott? Denken Gottes zwischen Mythos und Metaphysik1 ULRICH H.J. KÖRTNER Die neuzeitliche Metaphysik beginnt mit dem Abschied nehmenden Abstand gegen den christlichen Gott. Walter Schulz In memoriam Jörg Salaquarda (1938-1999) 1. Pascals Memorial „,Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs', nicht der Philosophen und Gelehrten." So beginnt das berühmte „Memorial" Blaise Pascals, die Aufzeichnung seiner in der Nacht des 23. November 1654 erlebten religiösen Ekstase2, in der er von jener Gewißheit des Glaubens über-wältigt wurde, die ihm zur Antwort auf die Frage nach dem Grund des Seins und des Denkens wurde. „Gewißheit" ist das entscheidende Wort in diesem denkwürdigen Text. „Gewißheit, Gewißheit, Empfinden: Freude, Friede", lesen wir in der nächsten Zeile. Pascal ist durchdrun-gen von der freudigen Gewißheit, die Antwort auf die Frage nach dem Ursprung aller Dinge, von der Gewißheit, Gott gefunden zu haben. Aber dieser Gott ist nicht derjenige der Philosophen, sondern der „Gott Jesu Christi", wie es in der folgenden Zeile heißt. Dieser Gott möge, wie Pascal in Anspielung auf das Buch Ruth (1,16) erbittet, fortan auch sein Gott sein: „Deum meum et Deum vestrum. / ,Dein Gott wird mein Gott sein* - Ruth - / Vergessen von der Welt und von allem, außer Gott. / Nur auf den Wegen die das Evangelium lehrt, ist er zu finden." Allein auf diesen Wegen auch kann man den Gott Jesu Christi bzw. diesen selbst 1 Erstveröffentlichung in: U.Körtner, Der verborgene Gott. Zur Gotteslehre, Neu-kirchen-Vluyn 2000, S.63-79. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmi-gung des Verlages. 2 Gleichsam als Überschrift steht in Großbuchstaben das Wort „Feuer"! Der Text wird im folgenden zitiert nach der Auswahledition von E.Wasmuth: B.Pascal, Gedanken. Eine Auswahl, übersetzt, hg. u. eingeh v. E.Wasmuth, Stuttgart 1956/ 1979, S.15f. Die Zählung der Fragmente folgt der Ausgabe der Fragmente von L.Brunschwicg. Vgl. auch die vollständige Übertragung der „Pensées" von E.Wasmuth, Heidelberg 51954.

Nicht der Philosophen Gott? Denken Gottes zwischen Mythos und Metaphysik1 ULRICH H.J. KÖRTNER Die neuzeitliche Metaphysik beginnt mit dem Abschied nehmenden Abstand gegen den christlichen Gott. Walter Schulz In memoriam Jörg Salaquarda (1938-1999) 1. Pascals Memorial „,Gott Abrahams, Gott Isaaks, Gott Jakobs', nicht der Philosophen und Gelehrten." So beginnt das berühmte „Memorial" Blaise Pascals, die Aufzeichnung seiner in der Nacht des 23. November 1654 erlebten religiösen Ekstase2, in der er von jener Gewißheit des Glaubens über-wältigt wurde, die ihm zur Antwort auf die Frage nach dem Grund des Seins und des Denkens wurde. „Gewißheit" ist das entscheidende Wort in diesem denkwürdigen Text. „Gewißheit, Gewißheit, Empfinden: Freude, Friede", lesen wir in der nächsten Zeile. Pascal ist durchdrun-gen von der freudigen Gewißheit, die Antwort auf die Frage nach dem Ursprung aller Dinge, von der Gewißheit, Gott gefunden zu haben. Aber dieser Gott ist nicht derjenige der Philosophen, sondern der „Gott Jesu Christi", wie es in der folgenden Zeile heißt. Dieser Gott möge, wie Pascal in Anspielung auf das Buch Ruth (1,16) erbittet, fortan auch sein Gott sein: „Deum meum et Deum vestrum. / ,Dein Gott wird mein Gott sein* - Ruth - / Vergessen von der Welt und von allem, außer Gott. / Nur auf den Wegen die das Evangelium lehrt, ist er zu finden." Allein auf diesen Wegen auch kann man den Gott Jesu Christi bzw. diesen selbst 1 Erstveröffentlichung in: U.Körtner, Der verborgene Gott. Zur Gotteslehre, Neu-kirchen-Vluyn 2000, S.63-79. Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmi-gung des Verlages. 2 Gleichsam als Überschrift steht in Großbuchstaben das Wort „Feuer"! Der Text wird im folgenden zitiert nach der Auswahledition von E.Wasmuth: B.Pascal, Gedanken. Eine Auswahl, übersetzt, hg. u. eingeh v. E.Wasmuth, Stuttgart 1956/ 1979, S.15f. Die Zählung der Fragmente folgt der Ausgabe der Fragmente von L.Brunschwicg. Vgl. auch die vollständige Übertragung der „Pensées" von E.Wasmuth, Heidelberg 51954.

Chapters in this book

  1. Frontmatter i
  2. Inhaltsverzeichnis v
  3. Einführung 1
  4. Gott und Zeit. Theologie und Metaphysik an den Grenzen der Moderne 5
  5. Metaphysik und Offenbarung 20
  6. Themenkreis I: Religion in der Moderne
  7. Mehr als Kitt oder Stolperstein Erwägungen zum philosophischen Profil von Religion in der Moderne 41
  8. Die symbolische Existenz des Göttlichen Mythos und Religion bei Ernst Cassirer 56
  9. Selbsterfahrung, Dauerreflexion und Religion 85
  10. Religion in der Moderne 104
  11. Themenkreis II: Religion und Metaphysik
  12. Worin besteht die Irreduzibilität religiöser Wahrheitsansprüche? Religion und negative Metaphysik 113
  13. Der religiöse Glaube als Tugend 127
  14. Der metaphysische Substanzbegriff in seiner Bedeutung für die Religion 145
  15. Metaphysik nach dem Ende der Metaphysik? 160
  16. Themenkreis III: Metaphysik und Moderne
  17. Die Wahrheit der Grenze. Zu den metaphysischen Implikationen des modernen Wissenschaftsbegriffs 169
  18. Inter Subjektivität und Freiheit. Zu den metaphysischen Voraussetzungen des modernen Freiheitsbegriffs 187
  19. Statement zu den Vorträgen von Walter Schweidler und Theo Kobusch 204
  20. Themenkreis IV: Die Gottesfrage in der Moderne
  21. Nicht der Philosophen Gott? Denken Gottes zwischen Mythos und Metaphysik 213
  22. Zur theoretischen Verantwortung der Rede von Gott 230
  23. Die Unnachsichtigkeit des moralischen Blicks. Habermas‘ Diskursethik und die ,Impulse‘ der Religion 253
  24. Moderation der Vorträge von Körtner, Pröpper und Kodalle Die Frage nach dem Unbedingten und das Sprachproblem der Metaphysik 278
  25. Themenkreis V: Theologie und Metaphysik
  26. Ist Theologie ohne Metaphysik möglich? 291
  27. Der trinitarische Gottesgedanke als Zentrum einer Theologie jenseits der Metaphysik? Eine theologische Auseinandersetzung mit Hegels Trinitätsverständnis 307
  28. Chalkedonische Christologie und Metaphysik 333
  29. Einführung in den Themenkreis V: „Theologie und Metaphysik“ 355
Downloaded on 23.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783110824865.213/html?licenseType=restricted&srsltid=AfmBOorjpKuGT3gILyzW03GnJSHOHSiOcmotbhpyAoX0bET2rHyrOpRW
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