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Fränkische Lehnwörter, Ortsnamen und Personennamen im Nordosten der Gallia. Die ‚Germania submersa‘ als Quelle der Sprach- und Siedlungsgeschichte

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Fränkische Lehnwörter, Ortsnamen und Personennamen im Nordosten der Gallia Die .Germania submersa' als Quelle der Sprach- und Siedlungsgeschichte VON WOLFGANG HAUBRICHS Die Sprache der Franken, zumal die Sprache der Franken vor 600 zu beschrei-ben ist - wer hätte es gedacht - schwierig: De nihilo nihil sagt Titus Lucretius in seinem Traktat JDe rerum natura' (I, 1501). Und es mag sein, daß hier ein Fall vorliegt, wie ihn Thomas Gray 1747 in seinem Essay ,Uber die Fernsicht auf Eton College' ansprach: „Wo Nichtwissen Seligkeit, ist's Torheit, klug zu sein"2. Wirklich? Die Schwierigkeiten, die Sprache oder die Sprachen der frühen Franken ad-äquat zu beschreiben3, erwachsen nämlich aus der desolaten Quellenlage. An direkten Quellen gibt es für das 6. und 7. Jh. fast nur Runeninschriften mit der diesen Dokumenten eigenen, besonderen Deutungsproblematik. Gerade noch in die späte Merowingerzeit hinein reichen erste volkssprachige Glossierungen von Rechtstexten (»Malbergische Glossen*), überliefert in den Codices bestimmter Klassen der ,Lex Salica', und von Evangelien aus dem luxemburgischen Kloster Echternach (8. Jh., 1. Hälfte). Hierzu liegen bedeutsame und ertragreiche For-schungen von Rudolf SCHÜTZEICHEL (1973), Ruth SCHMEDT-WIEGAND (1985; 1991), Heinrich TIEFENBACH (1986) sowie von Rolf BERGMANN (1966; 1983) u.a.4 vor. Ansonsten bleibt eine (freilich beträchtliche) Anzahl von Ortsnamen5 und Personennamen6, die früh in lateinischen Kontext eingebunden erscheinen7, jedoch ihre eigenen Interpretationsprobleme aufwerfen und zudem mangelhaft erforscht sind8. Um so mehr gewinnen indirekte Sprachquellen wie der Wort-1 Martin 1957: 1. 2 Gosse 1968: 21. 3 Vgl. auch Quak 1995; Haubrichs 1996. 4 Vgl. dazu Lit. bei Sonderegger 1965; Haubrichs 1995a: 152f. 185ff.; 1995b: 203ff.; 1996: 564ff. 5 Förstemann 1900/16: Π; Bach 1953/78: II; Gysseling 1960; 1973; Jungandreas 1962/63; Bandle 1984; Debus 1985; Künzel & Blok & Verhoeff 1988; Andersson 1995; Menke 1996. 6 Förstemann 1900/16: I; Bach 1953/78: I; Kaufmann 1965; 1968; Reichert 1987/90; Greule 1996. 7 Schützeichel 1962; Blok 1990. 8 Vgl. Gamillscheg 1934; 1970; von Wartburg 1950; 1973; Petri 1973; 1977; Draye 1960; 1983;

Fränkische Lehnwörter, Ortsnamen und Personennamen im Nordosten der Gallia Die .Germania submersa' als Quelle der Sprach- und Siedlungsgeschichte VON WOLFGANG HAUBRICHS Die Sprache der Franken, zumal die Sprache der Franken vor 600 zu beschrei-ben ist - wer hätte es gedacht - schwierig: De nihilo nihil sagt Titus Lucretius in seinem Traktat JDe rerum natura' (I, 1501). Und es mag sein, daß hier ein Fall vorliegt, wie ihn Thomas Gray 1747 in seinem Essay ,Uber die Fernsicht auf Eton College' ansprach: „Wo Nichtwissen Seligkeit, ist's Torheit, klug zu sein"2. Wirklich? Die Schwierigkeiten, die Sprache oder die Sprachen der frühen Franken ad-äquat zu beschreiben3, erwachsen nämlich aus der desolaten Quellenlage. An direkten Quellen gibt es für das 6. und 7. Jh. fast nur Runeninschriften mit der diesen Dokumenten eigenen, besonderen Deutungsproblematik. Gerade noch in die späte Merowingerzeit hinein reichen erste volkssprachige Glossierungen von Rechtstexten (»Malbergische Glossen*), überliefert in den Codices bestimmter Klassen der ,Lex Salica', und von Evangelien aus dem luxemburgischen Kloster Echternach (8. Jh., 1. Hälfte). Hierzu liegen bedeutsame und ertragreiche For-schungen von Rudolf SCHÜTZEICHEL (1973), Ruth SCHMEDT-WIEGAND (1985; 1991), Heinrich TIEFENBACH (1986) sowie von Rolf BERGMANN (1966; 1983) u.a.4 vor. Ansonsten bleibt eine (freilich beträchtliche) Anzahl von Ortsnamen5 und Personennamen6, die früh in lateinischen Kontext eingebunden erscheinen7, jedoch ihre eigenen Interpretationsprobleme aufwerfen und zudem mangelhaft erforscht sind8. Um so mehr gewinnen indirekte Sprachquellen wie der Wort-1 Martin 1957: 1. 2 Gosse 1968: 21. 3 Vgl. auch Quak 1995; Haubrichs 1996. 4 Vgl. dazu Lit. bei Sonderegger 1965; Haubrichs 1995a: 152f. 185ff.; 1995b: 203ff.; 1996: 564ff. 5 Förstemann 1900/16: Π; Bach 1953/78: II; Gysseling 1960; 1973; Jungandreas 1962/63; Bandle 1984; Debus 1985; Künzel & Blok & Verhoeff 1988; Andersson 1995; Menke 1996. 6 Förstemann 1900/16: I; Bach 1953/78: I; Kaufmann 1965; 1968; Reichert 1987/90; Greule 1996. 7 Schützeichel 1962; Blok 1990. 8 Vgl. Gamillscheg 1934; 1970; von Wartburg 1950; 1973; Petri 1973; 1977; Draye 1960; 1983;

Chapters in this book

  1. I-IV I
  2. Vorwort V
  3. Inhaltsverzeichnis IX
  4. Abkürzungen XIII
  5. Trojamythos und fränkische Frühgeschichte 1
  6. Franken und Romanen im Spiegel spätrömischer Grabfunde im nördlichen Gallien 31
  7. La progression des Francs en Gaule du Nord au Ve siècle. Histoire et archéologie 59
  8. Zur Verwaltungsorganisation in der nördlichen Galloromania 82
  9. Die „Franken”. Staat oder Volk? 95
  10. Fränkische Lehnwörter, Ortsnamen und Personennamen im Nordosten der Gallia. Die ‚Germania submersa‘ als Quelle der Sprach- und Siedlungsgeschichte 102
  11. Mosella Romana. Hydronymie, Toponymie und Reliktwortdistribution 130
  12. Sprachraumbildung am Niederrhein und die Franken. Anmerkungen zu Verfahren der Sprachgeschichtsschreibung 156
  13. Frühfränkische Funde aus Zülpich 193
  14. Riparii - Ribuarier - Rheinfranken nebst einigen Bemerkungen zum Geographen von Ravenna 200
  15. Theorien zur Herkunft und Entstehung der Alemannen. Archäologische Forschungsansätze 270
  16. Die Höhensiedlungen der Alemannen und ihre Deutungsmöglichkeiten zwischen Fürstensitz, Heerlager, Rückzugsraum und Kultplatz 325
  17. Semnonen - Juthungen - Alemannen. Neues (und Altes) zur Herkunft und Ethnogenese der Alemannen 349
  18. Zur Entstehung des Stammes der Alamanni aus römischer Sicht 367
  19. Die Alemannen um die Mitte des 4. Jahrhunderts nach dem Zeugnis des Ammianus Marcellinus 384
  20. Alemannen im römischen Heer - eine verpaßte Integration und ihre Folgen 407
  21. Chlodwigs Alemannenschlacht(en) und Taufe 423
  22. Die Bedeutung von Religion und Bekehrung im frühen Mittelalter 438
  23. Christianisme et „paganisme“ dans la Gaule septentrionale aux Ve et VIe siècles. Mit deutscher Zusammenfassung 451
  24. Probleme einer völkerwanderungszeitlichen Religionsgeschichte 475
  25. Der Kollierfund vom fünischen Gudme und das Mythenwissen skandinavischer Führungsschichten in der Mitte des Ersten Jahrtausends. Mit zwei runologischen Beiträgen von Wilhelm Heizmann 489
  26. Rechtsvorstellungen bei den Franken und Alemannen vor 500 545
  27. Alemannen und Franken. Archäologische Überlegungen zu ethnischen Strukturen in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts 558
  28. Strukturveränderungen in der westgermanischen Welt am Vorabend der fränkischen Großreichsbildung. Fragen, Suchbilder, Hypothesen 581
  29. Typen der Ethnogenese. Ein Versuch 608
  30. Bemerkungen und Notizen zur „Ethnogenese“ von „Franken“ und „Alemannen“ 628
  31. Alemannen und Franken. Schlußbetrachtung aus historischer Sicht 636
  32. Sprachliche Aspekte des Problems Franken - Alemannen um 500 652
  33. Die Franken und Alemannen vor 500. Ein chronologischer Überblick 656
Downloaded on 14.11.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783110804348.102/pdf?licenseType=restricted&srsltid=AfmBOoo_7jNLa7fbPrzxNzTsVuycPQOaQaoc3tRSIT-V6mE87YARitsz
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