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4 Epistemische Ignoranz und Unwissenheit

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Epistemische Ungerechtigkeiten
This chapter is in the book Epistemische Ungerechtigkeiten
4EpistemischeIgnoranz undUnwissenheitUnwissenheitist nichtnotwendigerweiseetwasSchlechtes.Tatsächlichkönnen wirin unseremalltäglichenLebennurdeshalbfunktionieren,weilwirbestimmteBe-reichevollkommenausblenden.So ist es beispielsweisevollkommenirrelevantzuwissen,wievieleGrashalmebeiunsim Gartenwachsen.¹Undesist nichtnurir-relevant,sondern sogaräußerstsinnvoll, diesesUnwissenaufrechtzuerhalten;würdeich anfangen,die Grashalmein unseremGartenzu zählen, hätteich kaumnochZeit undEnergie,WissenüberwirklichwichtigeDingezuerwerbenundauch ganzsicherkeineZeit,diesesBuchzu schreiben.CynthiaTownley(2011)argumentiertunteranderem,dassunsereepistemischeKooperationabhängig davonist,dass wiranderenkeineunwichtigen oderfürsieschädlichenDingemitteilenundsomitihrUnwissennochweiter vergrößern.²Natürlich ist aber Unwissenheit nichtallgemein erstrebenswert,es kommtvielmehraufdie richtigeBalancean: Wirmüssenwissen,waswirwissenmüssenundsollten.Im Deutschengibt es fürgutesundschlechtesUnwissentatsächlichzweiun-terschiedlicheBegriffeUnwissenundIgnoranz;wasdie Debatteim VergleichzumEnglischen(wofür beideFormendes UnwissensdasWortignorancebenutzt wird)etwasvereinfacht.UnwissenbeziehtsichaufeineepistemischunschuldigeFormdesnichtWissenswobeisich zeigen wird,dassauch Unwissensowohlvorteilhaftals auch nachteiligseinkann.Ignoranzhingegen beziehtsichaufkognitivesVer-sagen. Hierstelltsich die Frage, ob diesesVersagen moralisch problematischist undob es sichumunsereigenesVerschuldenhandeltundauch Ignoranzkannsowohlvorteilhaftals auch nachteiligsein,wobeidieshäufigmitdersozialenPositionzutunhatin derwirunsbefinden.EpistemologiendesUnwissensundderIgnoranzverweisenoftmalsaufCharlesMillsArbeitzu weißerIgnoranz(2007; in Englisch:whiteignorance)sowiediefe-ministischeStandpunkttheoriemitdemprimärenZiel, fruchtbaremetaphiloso-phischeUntersuchungen derproblematischenPraktiken,diesichin derPhiloso-phiefestgesetzt haben,anzustellen.DazuzähltdasAufzeigen problematischerLeerstellenim philosophischenDiskurs(undaußerhalbderakademischenPhilo-1Natürlichgibtes eineganzeReihean Dingen, bei denenes egal wäre,ob ich sie weißodernicht;die mirpersönlichaberwichtigsein können.So weißich beispielsweise mittlerweiledie Namenundwichtigsten Eigenschaftenvonmindestens30 verschiedenen Dinosauriern;diesesWissenist zwarirrelevantfür meineArbeitodermeinFunktionierenin derGesellschaft, es machtaber meinenfünfjährigenSohnsehrglücklich,diesesWissenmitmirzu teilenwases wiederumfürmichpersönlichwichtigmacht.2ManchePhilosoph*innen gehensogarsoweit zu argumentieren, dasses moralischschlechtwäre,bestimmteDingezuwissen(vgl.Zagzebski 2003).https://doi.org/10.1515/9783110759792-005
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4EpistemischeIgnoranz undUnwissenheitUnwissenheitist nichtnotwendigerweiseetwasSchlechtes.Tatsächlichkönnen wirin unseremalltäglichenLebennurdeshalbfunktionieren,weilwirbestimmteBe-reichevollkommenausblenden.So ist es beispielsweisevollkommenirrelevantzuwissen,wievieleGrashalmebeiunsim Gartenwachsen.¹Undesist nichtnurir-relevant,sondern sogaräußerstsinnvoll, diesesUnwissenaufrechtzuerhalten;würdeich anfangen,die Grashalmein unseremGartenzu zählen, hätteich kaumnochZeit undEnergie,WissenüberwirklichwichtigeDingezuerwerbenundauch ganzsicherkeineZeit,diesesBuchzu schreiben.CynthiaTownley(2011)argumentiertunteranderem,dassunsereepistemischeKooperationabhängig davonist,dass wiranderenkeineunwichtigen oderfürsieschädlichenDingemitteilenundsomitihrUnwissennochweiter vergrößern.²Natürlich ist aber Unwissenheit nichtallgemein erstrebenswert,es kommtvielmehraufdie richtigeBalancean: Wirmüssenwissen,waswirwissenmüssenundsollten.Im Deutschengibt es fürgutesundschlechtesUnwissentatsächlichzweiun-terschiedlicheBegriffeUnwissenundIgnoranz;wasdie Debatteim VergleichzumEnglischen(wofür beideFormendes UnwissensdasWortignorancebenutzt wird)etwasvereinfacht.UnwissenbeziehtsichaufeineepistemischunschuldigeFormdesnichtWissenswobeisich zeigen wird,dassauch Unwissensowohlvorteilhaftals auch nachteiligseinkann.Ignoranzhingegen beziehtsichaufkognitivesVer-sagen. Hierstelltsich die Frage, ob diesesVersagen moralisch problematischist undob es sichumunsereigenesVerschuldenhandeltundauch Ignoranzkannsowohlvorteilhaftals auch nachteiligsein,wobeidieshäufigmitdersozialenPositionzutunhatin derwirunsbefinden.EpistemologiendesUnwissensundderIgnoranzverweisenoftmalsaufCharlesMillsArbeitzu weißerIgnoranz(2007; in Englisch:whiteignorance)sowiediefe-ministischeStandpunkttheoriemitdemprimärenZiel, fruchtbaremetaphiloso-phischeUntersuchungen derproblematischenPraktiken,diesichin derPhiloso-phiefestgesetzt haben,anzustellen.DazuzähltdasAufzeigen problematischerLeerstellenim philosophischenDiskurs(undaußerhalbderakademischenPhilo-1Natürlichgibtes eineganzeReihean Dingen, bei denenes egal wäre,ob ich sie weißodernicht;die mirpersönlichaberwichtigsein können.So weißich beispielsweise mittlerweiledie Namenundwichtigsten Eigenschaftenvonmindestens30 verschiedenen Dinosauriern;diesesWissenist zwarirrelevantfür meineArbeitodermeinFunktionierenin derGesellschaft, es machtaber meinenfünfjährigenSohnsehrglücklich,diesesWissenmitmirzu teilenwases wiederumfürmichpersönlichwichtigmacht.2ManchePhilosoph*innen gehensogarsoweit zu argumentieren, dasses moralischschlechtwäre,bestimmteDingezuwissen(vgl.Zagzebski 2003).https://doi.org/10.1515/9783110759792-005
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