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VII. RHEUMATOLOGIE

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Innere Medizin 2020
This chapter is in the book Innere Medizin 2020
- 660 - VII. RHEUMATOLOGIE Internet-Infos:www.rheumanet.org; www.dgrh.de Bei den im Folgenden dargestellten entzündlichen Systemerkrankungen des rheumatischen Formenkreises ist die Ätiologie meist unbekannt. Häufig sind Klassifikationskriterien angegeben, die zur Einschätzung der Krankheitsbilder dienen, aber v.a. für klinische Studien entwickelt wurden. Die Anwendung solcher Kriteriensetzt immer die klinische bzw. ggf. mittels Bildgebung oder Biopsie gesicherte Diagnose (z.B. gesicherte Arthritis oder Vaskulitis) voraus! Autoimmunreaktionen sind gekennzeichnet durch das Auftreten autoreaktiver B- und T-Zellen. Auch bei Gesunden lassen sich autoreaktive Zellklone nachweisen, die jedoch 1. nicht durch andere Zellen aktiviert werden und 2. nicht sehr spezifisch reagieren (z.B. Produktion von Autoantikörpern mit niedriger Avidität). Voraussetzung für eine ausreichende Toleranz des Immunsystems gegenüber dem eigenen Körper ist eine Balance proinflammatorischer und regulierender Mechanismen. Neben einer genetischen Prädisposition spielen Umweltfaktoren (z.B. Rauchen, Infektionskrankheiten, Ernährung, Exposition gegenüber Schadstoffen) eine Rolle bei der Entwicklung von Autoimmunerkrankun-gen. Hierbei scheinen oft mehrere Schritte notwendig, bis es zum Ausbruch einer Erkrankung kommt. Es können verschiedene Reaktionsmuster der T-Zellen vorherrschen (z.B. TH1-Muster: Überwiegend zelluläre Aktivierung bei rheumatoider Arthritis, TH2-Muster: Überwiegend humorale Aktivierung bei SLE, zunehmend wird auch dominierende Rolle von TH17-Zellen als Effektorzellen autoimmuner Prozesse diskutiert). Verschiedene Mechanismen können zur Aktivierung autoreaktiver T-Helferzellen führen: 1. Spezielle T-Zellen (NK-Zellen) unterlaufen die T-Suppressorzellen und bewirken eine Aktivierung der T-Helferzellen. 2. Regulatorische T-Zellen (Tregs, CD4+CD25+) weisen vermehrte oder verminderte Aktivität auf. 3. Die Expression eines Autoantigens zusammen mit einem HLA-Antigen auf Monozyten und anderen anti-gen-präsentierenden Zellen (z.B. dendritischen Zellen) aktiviert T-Helferzellen (z.B. im Rahmen eines Virusinfekts). 4. Die Aktivierung membranständiger Toll-like-receptors (TLRs) löst intrazelluläre Signalkaskaden mit Akti-vierung/Proliferation der betroffenen Zellen, Zytokinausschüttung und Autoimmunreaktionen aus. Ver-schiedene TLR-Polymorphismen können bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen nachgewiesen werden. 5. Die Änderung eines tolerierten Autoantigens durch Konjugation mit einem viralen oder bakteriellen Anti-gen oder einer chemischen Substanz kann die T-Helferzelle aktivieren (molekulare Mimikry, z.B. soge-nanntes arthritogenes Peptid bei HLA B 27). 6. Viren können B-Zellen und zytotoxische T-Zellen unter Umgehung der T-Helferzellen aktivieren. RHEUMATOIDE ARTHRITIS (RA) [M06.99] Def: Chronisch-entzündliche Systemerkrankung, die durch Synovialitis zu Arthritis, Bursitis und Tendo-vaginitis führt. Häufig extraartikuläre Organmanifestationen. Der schubweise progrediente Verlauf führt unbehandelt zu invalidisierender Gelenkdestruktion und erhöhter Mortalität. Ep.: Prävalenz: < 1 %; im Alter > 55 J. ca. 2 %; Erkrankungsgipfel zwischen dem 55. und 75. Lebensjahr; w : m = 2 bis 3 : 1, familiäre Häufung. Ca. 70 % der RA-Patienten haben das HLA-Antigen DR4/DRB1 (Häufigkeit bei Gesunden ca. 25 %). Ät.: Unbekannt Pg.: Bei genetisch disponierten Personen wird durch unbekannte Triggermechanismen (virale - z.B. EBV - oder bakterielle Antigene, z.B. Porphyromonas gingivalis? Inhalative Noxen) eine Autoimmuner-krankung induziert mit entzündlicher Infiltration der Gelenkschleimhaut (Synovialis) mit autoreaktiven T-Helferlymphozyten, B-Lymphozyten, Plasmazellen und sog. dendritic cells (die sich von Monozy-ten/Makrophagen ableiten). Im Zentrum der immunologischen Reaktion steht die Interaktion von Lymphozyten und Monozyten mit Produktion proinflammatorischer Zytokine (z.B. IL-1, IL-6, TNF, IL-15 ). Außerdem lässt sich die Bildung von Autoantikörpern gegen das Fc-Fragment des IgG = Rheumafaktoren (RF) sowie die Citrullinierung humaner Peptide und Bildung entsprechender Anti-körper (Ak gegen cyclisches citrulliniertes Peptid = Anti-CCP-Ak) beobachten, die möglicherweise zuerst im Rahmen entzündlicher Vorgänge in der Lunge gebildet werden ( was den Risikofaktor Rauchen erklären würde!). Häufig lassen sich Anti-CCP-Ak bereits Jahre vor einer Krankheitsmani-festation nachweisen. Rauchen und Übergewicht stellen bei bereits nachweisbaren Anti-CCP-Ak und Rheumafaktoren unabhängige Risikofaktoren für die baldige Entwicklung einer RA dar. Eine Be-teiligung innererOrganez.B. infolgeeiner Immunkomplexvaskulitisist möglich. Merke: „Die Synovialitis ist der Schurke in dem Drama.“
© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

- 660 - VII. RHEUMATOLOGIE Internet-Infos:www.rheumanet.org; www.dgrh.de Bei den im Folgenden dargestellten entzündlichen Systemerkrankungen des rheumatischen Formenkreises ist die Ätiologie meist unbekannt. Häufig sind Klassifikationskriterien angegeben, die zur Einschätzung der Krankheitsbilder dienen, aber v.a. für klinische Studien entwickelt wurden. Die Anwendung solcher Kriteriensetzt immer die klinische bzw. ggf. mittels Bildgebung oder Biopsie gesicherte Diagnose (z.B. gesicherte Arthritis oder Vaskulitis) voraus! Autoimmunreaktionen sind gekennzeichnet durch das Auftreten autoreaktiver B- und T-Zellen. Auch bei Gesunden lassen sich autoreaktive Zellklone nachweisen, die jedoch 1. nicht durch andere Zellen aktiviert werden und 2. nicht sehr spezifisch reagieren (z.B. Produktion von Autoantikörpern mit niedriger Avidität). Voraussetzung für eine ausreichende Toleranz des Immunsystems gegenüber dem eigenen Körper ist eine Balance proinflammatorischer und regulierender Mechanismen. Neben einer genetischen Prädisposition spielen Umweltfaktoren (z.B. Rauchen, Infektionskrankheiten, Ernährung, Exposition gegenüber Schadstoffen) eine Rolle bei der Entwicklung von Autoimmunerkrankun-gen. Hierbei scheinen oft mehrere Schritte notwendig, bis es zum Ausbruch einer Erkrankung kommt. Es können verschiedene Reaktionsmuster der T-Zellen vorherrschen (z.B. TH1-Muster: Überwiegend zelluläre Aktivierung bei rheumatoider Arthritis, TH2-Muster: Überwiegend humorale Aktivierung bei SLE, zunehmend wird auch dominierende Rolle von TH17-Zellen als Effektorzellen autoimmuner Prozesse diskutiert). Verschiedene Mechanismen können zur Aktivierung autoreaktiver T-Helferzellen führen: 1. Spezielle T-Zellen (NK-Zellen) unterlaufen die T-Suppressorzellen und bewirken eine Aktivierung der T-Helferzellen. 2. Regulatorische T-Zellen (Tregs, CD4+CD25+) weisen vermehrte oder verminderte Aktivität auf. 3. Die Expression eines Autoantigens zusammen mit einem HLA-Antigen auf Monozyten und anderen anti-gen-präsentierenden Zellen (z.B. dendritischen Zellen) aktiviert T-Helferzellen (z.B. im Rahmen eines Virusinfekts). 4. Die Aktivierung membranständiger Toll-like-receptors (TLRs) löst intrazelluläre Signalkaskaden mit Akti-vierung/Proliferation der betroffenen Zellen, Zytokinausschüttung und Autoimmunreaktionen aus. Ver-schiedene TLR-Polymorphismen können bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen nachgewiesen werden. 5. Die Änderung eines tolerierten Autoantigens durch Konjugation mit einem viralen oder bakteriellen Anti-gen oder einer chemischen Substanz kann die T-Helferzelle aktivieren (molekulare Mimikry, z.B. soge-nanntes arthritogenes Peptid bei HLA B 27). 6. Viren können B-Zellen und zytotoxische T-Zellen unter Umgehung der T-Helferzellen aktivieren. RHEUMATOIDE ARTHRITIS (RA) [M06.99] Def: Chronisch-entzündliche Systemerkrankung, die durch Synovialitis zu Arthritis, Bursitis und Tendo-vaginitis führt. Häufig extraartikuläre Organmanifestationen. Der schubweise progrediente Verlauf führt unbehandelt zu invalidisierender Gelenkdestruktion und erhöhter Mortalität. Ep.: Prävalenz: < 1 %; im Alter > 55 J. ca. 2 %; Erkrankungsgipfel zwischen dem 55. und 75. Lebensjahr; w : m = 2 bis 3 : 1, familiäre Häufung. Ca. 70 % der RA-Patienten haben das HLA-Antigen DR4/DRB1 (Häufigkeit bei Gesunden ca. 25 %). Ät.: Unbekannt Pg.: Bei genetisch disponierten Personen wird durch unbekannte Triggermechanismen (virale - z.B. EBV - oder bakterielle Antigene, z.B. Porphyromonas gingivalis? Inhalative Noxen) eine Autoimmuner-krankung induziert mit entzündlicher Infiltration der Gelenkschleimhaut (Synovialis) mit autoreaktiven T-Helferlymphozyten, B-Lymphozyten, Plasmazellen und sog. dendritic cells (die sich von Monozy-ten/Makrophagen ableiten). Im Zentrum der immunologischen Reaktion steht die Interaktion von Lymphozyten und Monozyten mit Produktion proinflammatorischer Zytokine (z.B. IL-1, IL-6, TNF, IL-15 ). Außerdem lässt sich die Bildung von Autoantikörpern gegen das Fc-Fragment des IgG = Rheumafaktoren (RF) sowie die Citrullinierung humaner Peptide und Bildung entsprechender Anti-körper (Ak gegen cyclisches citrulliniertes Peptid = Anti-CCP-Ak) beobachten, die möglicherweise zuerst im Rahmen entzündlicher Vorgänge in der Lunge gebildet werden ( was den Risikofaktor Rauchen erklären würde!). Häufig lassen sich Anti-CCP-Ak bereits Jahre vor einer Krankheitsmani-festation nachweisen. Rauchen und Übergewicht stellen bei bereits nachweisbaren Anti-CCP-Ak und Rheumafaktoren unabhängige Risikofaktoren für die baldige Entwicklung einer RA dar. Eine Be-teiligung innererOrganez.B. infolgeeiner Immunkomplexvaskulitisist möglich. Merke: „Die Synovialitis ist der Schurke in dem Drama.“
© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

Chapters in this book

  1. Frontmatter I
  2. Verzeichnis häufig gebrauchter Abkürzungen 11
  3. INHALTSVERZEICHNIS 12
  4. Erklärung der Umschlagfotos 23
  5. DANKSAGUNG 27
  6. INHALTSVERZEICHNIS 35
  7. EVIDENZBASIERTE MEDIZIN 45
  8. ETHIK IN DER MEDIZIN 47
  9. BESTIMMUNGSGEMÄSSER GEBRAUCH VON ARZNEIMITTELN UND OFF-LABEL-USE 48
  10. ARZNEIMITTELTHERAPIESICHERHEIT 49
  11. I. HÄMATOLOGIE
  12. ZYTOKINE-HÄMORRHAGISCHE DIATHESEN 51
  13. II. KARDIOLOGIE
  14. Erkrankungen des Endokards- Perikarditis und Perimyokarditis 307
  15. Akutes Koronarsyndrom-Herz-Kreislaufstillstand und kardiopulmonale Reanimation 388
  16. Arterielle Hypertonie-Sepsis 452
  17. III. PNEUMOLOGIE
  18. Störungen der Atemfunktion und Lungenfunktionsdiagnostik- Aspiration von Magensaft (Mendelson-Syndrom) 655
  19. Systemische Mykosen-Pleuraerkrankungen, Pneumothorax 759
  20. IV.GASTROENTEROLOGIE
  21. Ösophaguskrankheiten- Neuroendokrine Tumoren (NET) des gastroentero-pankreatischen Systems (GEP) 863
  22. Lebererkrankungen- Gallenblasen- und Gallenwegserkrankungen 946
  23. GASTROÖSOPHAGEALE REFLUXKRANKHEIT- TUMOREN DER GALLENBLASE UND GALLENWEGE 1007
  24. V. WASSER- UND ELEKTROLYTHAUSHALT 1143
  25. VI. NEPHROLOGIE 1171
  26. VII. RHEUMATOLOGIE 1232
  27. VIII. STOFFWECHSELKRANKHEITEN
  28. PORPHYRIEN-MAGNESIUM 1273
  29. Hypomagnesiämie-Biochemie der Enzymdefekte bei Porphyrien 1308
  30. IX.ENDOKRINOLOGIE
  31. DIABETES MELLITUS (DM)-NEBENNIERENRINDE (NNR) 1445
  32. RENIN - ANGIOTENSIN - ALDOSTERON - SYSTEM (RAAS) SCHWARTZ-BARTTER-SYNDROM 1505
  33. X. KRANKHEITEN DER GEFÄSSE - ANGIOLOGIE 1613
  34. XI. WICHTIGE INFEKTIONSKRANKHEITEN
  35. EXANTHEMATISCHE INFEKTIONSKRANKHEITEN- LEISHMANIOSE 1654
  36. AKUTER ARTERIENVERSCHLUSS IM EXTREMITÄTENBEREICH LEISHMANIOSE 1722
  37. XII. ANHANG ZUM KAP. INFEKTIONSKRANKHEITEN 1831
  38. XIII. ALLGEMEINMEDIZINISCHE THEMEN 1841
  39. XIV. Klinisch-chemische und hämatologische Laborparameter und ihre Referenzbereiche 1879
  40. STICHWORT-VERZEICHNIS 1890
Downloaded on 21.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783110688481-020/html?licenseType=restricted&srsltid=AfmBOoohXnonapFiXAuE69z29e2-cRrnWkoBsE61wPV7u-ILMOYhia2k
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