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»Ich will ein Lied Euch singen« Fontane und die patriotische Liedkultur der Aufklärung

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»Ich will ein Lied Euch singen« Fontane und die patriotische Liedkultur der Aufklärung Baptiste Baumann und Jana Kittelmann Prolog In Theodor Fontanes Die Grafschaft Ruppin sind den Ausführungen zum Re-giment Prinz Ferdinand Nr. 34 folgende Verse vorangestellt: »Unüberwunde-nes Heer/ O Heer, bereit zum Siegen oder Sterben.«1 Die Zeilen stammen aus der Feder des Dichters und Militärs Ewald Christian von Kleist, der damit 1757 seine Ode an die preußische Armee eröffnet.2 Kleist findet wenige Jahre später selbst den von ihm geschilderten »Tod im rasenden Getüm-mel«:3 Nach einer schweren Verwundung auf dem Schlachtfeld von Kunersdorf (heute Kunowicze) stirbt er am 24. August 1759 in Frankfurt an der Oder. Jahrzehnte danach lässt Fontane in Vor dem Stur m seinen Pro-tagonisten Lewin von Vitzewitz über einen Besuch von »Kleists Grabmal« berichten. Trotz dessen »zopfigen« Stils mit »Schmetterling und Inschrift in drei Sprachen«4 ist der Eindruck auf Lewin ein tiefer und bleibender. Die Ode an die preußische Armee zählt freilich nicht zu den populärsten Gedichten Kleists, der vielmehr als empfindsamer Idyllendichter mit Schäferstücken und lyrischen Zyklen wie Der Frühling ab 1749 das literarische Parkett seiner Epoche erobert und europaweit Bekanntheit erlangt hat. Dass Fontane sei-nen Ausführungen gerade diese Verse Kleists als Motto bzw. Paratext vo-ranstellt, mag einerseits in der Thematik begründet sein. Andererseits zeugt es von einer spezifischen Rezeption Kleists als empfindsamem preußisch-deutschen Helden5, der als populärer Akteur und mobilisierender Sänger –––––––––––– 1GBA, Wanderungen durch die Mark Brandenburg 1, S. 205. 2Die Verse stammen aus der ersten Strophe der Ode, vgl. Ewald Christian von Kleist, Ode an die preußische Armee. Im Merz 1757. In: Ders., Neue Gedichte vom Verfaßer des Frühlings, Berlin 1758, S. 11–15, hier S. 11: »Unüberwundnes Heer! mit dem Tod und Verderben/ In Legionen Feinde dringt,/ Um das der frohe Sieg die güldnen Flügel schwingt/ O Heer! bereit zum Siegen oder Sterben.« 3 Ebd. S. 15. 4Vor dem Stur m, GBA, Das erzählerische Werk 2/IV, S. 385. 5Vgl. dazu auch Michael Gratzke, Blut und Feuer : Heldentum bei Lessing, Kleist, Fontane, Jünger und Heiner Müller, Würzburg 2011, S. 111. https://doi.org/10.1515/9783110666984-008
© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

»Ich will ein Lied Euch singen« Fontane und die patriotische Liedkultur der Aufklärung Baptiste Baumann und Jana Kittelmann Prolog In Theodor Fontanes Die Grafschaft Ruppin sind den Ausführungen zum Re-giment Prinz Ferdinand Nr. 34 folgende Verse vorangestellt: »Unüberwunde-nes Heer/ O Heer, bereit zum Siegen oder Sterben.«1 Die Zeilen stammen aus der Feder des Dichters und Militärs Ewald Christian von Kleist, der damit 1757 seine Ode an die preußische Armee eröffnet.2 Kleist findet wenige Jahre später selbst den von ihm geschilderten »Tod im rasenden Getüm-mel«:3 Nach einer schweren Verwundung auf dem Schlachtfeld von Kunersdorf (heute Kunowicze) stirbt er am 24. August 1759 in Frankfurt an der Oder. Jahrzehnte danach lässt Fontane in Vor dem Stur m seinen Pro-tagonisten Lewin von Vitzewitz über einen Besuch von »Kleists Grabmal« berichten. Trotz dessen »zopfigen« Stils mit »Schmetterling und Inschrift in drei Sprachen«4 ist der Eindruck auf Lewin ein tiefer und bleibender. Die Ode an die preußische Armee zählt freilich nicht zu den populärsten Gedichten Kleists, der vielmehr als empfindsamer Idyllendichter mit Schäferstücken und lyrischen Zyklen wie Der Frühling ab 1749 das literarische Parkett seiner Epoche erobert und europaweit Bekanntheit erlangt hat. Dass Fontane sei-nen Ausführungen gerade diese Verse Kleists als Motto bzw. Paratext vo-ranstellt, mag einerseits in der Thematik begründet sein. Andererseits zeugt es von einer spezifischen Rezeption Kleists als empfindsamem preußisch-deutschen Helden5, der als populärer Akteur und mobilisierender Sänger –––––––––––– 1GBA, Wanderungen durch die Mark Brandenburg 1, S. 205. 2Die Verse stammen aus der ersten Strophe der Ode, vgl. Ewald Christian von Kleist, Ode an die preußische Armee. Im Merz 1757. In: Ders., Neue Gedichte vom Verfaßer des Frühlings, Berlin 1758, S. 11–15, hier S. 11: »Unüberwundnes Heer! mit dem Tod und Verderben/ In Legionen Feinde dringt,/ Um das der frohe Sieg die güldnen Flügel schwingt/ O Heer! bereit zum Siegen oder Sterben.« 3 Ebd. S. 15. 4Vor dem Stur m, GBA, Das erzählerische Werk 2/IV, S. 385. 5Vgl. dazu auch Michael Gratzke, Blut und Feuer : Heldentum bei Lessing, Kleist, Fontane, Jünger und Heiner Müller, Würzburg 2011, S. 111. https://doi.org/10.1515/9783110666984-008
© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston
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