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1. Kapitel: Fünfstündige Klausuren

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Fall 1: Internationales Deliktsrecht|63 https://doi.org/10.1515/9783110664157-003 1. Kapitel: Fünfstündige Klausuren A. IPR- und IZPR-Fälle Fall 1: Internationales Deliktsrecht Fall 1:Internationales DeliktsrechtSachverhalt https://doi.org/10.1515/9783110664157-003S ist der noch minderjährige Sohn, T die volljährige Tochter des V aus seiner Ehe mit der bereits verstorbenen M. Alle drei sind Basken spanischer Staatsan-gehörigkeit. V lebt und arbeitet seit 15 Jahren in München. Er verbringt jedes Jahr seinen Urlaub in seinem Heimatort bei der Familie seines Bruders B. Dieser Ort liegt in einem Teil des spanischen Baskenlandes, in dem kein vom Código Civil abweichendes Foralrecht gilt. Dorthin begleitet ihn im August 2021 auch sein Sohn S, der mit ihm in Deutschland lebt, während T schon vor Jahren nach Spanien zurückgekehrt ist. Auf einer Autofahrt in der Nähe seines Heimatdorfes geriet V leicht fahrläs-sig infolge unangepasster Geschwindigkeit mit dem PKW seines Bruders auf den unbefestigten Seitenstreifen der Straße. Dadurch überschlug sich der Wa-gen. Bei diesem Unfall wurde nicht nur V, sondern auch S und T, die sich eben-falls im Auto befanden, leicht verletzt. V und S kehrten nach Ende einer kurzen stationären Behandlung im Krankenhaus nach Deutschland zurück, T blieb in Spanien. Der PKW ist in Spanien zugelassen und bei der in Spanien ansässigen Ver-sicherungsgesellschaft H haftpflichtversichert. S und T verlangen von V und H im Klagewege vor dem Amtsgericht Mün-chen die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von je 5.000,– €. H, die den Schadensfall durch ihre Zweigniederlassung in München ab- wickelt, bestreitet nicht, dass V grundsätzlich für den vollen Schaden aus dem von ihm verschuldeten Unfall einstehen muss. Aber eine Familie sei eine Soli-dargemeinschaft, in der jedenfalls aus leichter Fahrlässigkeit kein Schadenser-satzanspruch entstehen könne. Sie selbst sei im Übrigen schon deshalb von der Verpflichtung zur Leistung frei, weil B vor dem Unfall die fällige Versicherungs-prämie trotz Mahnung mit zweiwöchiger Zahlungsfrist nicht gezahlt habe. Wei-terhin wehrt sie sich mit dem Hinweis, dass der Schmerzensgeldbetrag zwar nach deutschen Rechtsvorstellungen gerechtfertigt sei, nicht aber nach dem einschlägigen spanischen Recht; in Spanien gebe es bei geringfügigen Verlet-zungen nur einen Bruchteil des deutschen Schmerzensgeldes. Die Anwendung deutschen Rechts sei auch deshalb absurd, weil man bei einem Verkehrsunfall
© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Fall 1: Internationales Deliktsrecht|63 https://doi.org/10.1515/9783110664157-003 1. Kapitel: Fünfstündige Klausuren A. IPR- und IZPR-Fälle Fall 1: Internationales Deliktsrecht Fall 1:Internationales DeliktsrechtSachverhalt https://doi.org/10.1515/9783110664157-003S ist der noch minderjährige Sohn, T die volljährige Tochter des V aus seiner Ehe mit der bereits verstorbenen M. Alle drei sind Basken spanischer Staatsan-gehörigkeit. V lebt und arbeitet seit 15 Jahren in München. Er verbringt jedes Jahr seinen Urlaub in seinem Heimatort bei der Familie seines Bruders B. Dieser Ort liegt in einem Teil des spanischen Baskenlandes, in dem kein vom Código Civil abweichendes Foralrecht gilt. Dorthin begleitet ihn im August 2021 auch sein Sohn S, der mit ihm in Deutschland lebt, während T schon vor Jahren nach Spanien zurückgekehrt ist. Auf einer Autofahrt in der Nähe seines Heimatdorfes geriet V leicht fahrläs-sig infolge unangepasster Geschwindigkeit mit dem PKW seines Bruders auf den unbefestigten Seitenstreifen der Straße. Dadurch überschlug sich der Wa-gen. Bei diesem Unfall wurde nicht nur V, sondern auch S und T, die sich eben-falls im Auto befanden, leicht verletzt. V und S kehrten nach Ende einer kurzen stationären Behandlung im Krankenhaus nach Deutschland zurück, T blieb in Spanien. Der PKW ist in Spanien zugelassen und bei der in Spanien ansässigen Ver-sicherungsgesellschaft H haftpflichtversichert. S und T verlangen von V und H im Klagewege vor dem Amtsgericht Mün-chen die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von je 5.000,– €. H, die den Schadensfall durch ihre Zweigniederlassung in München ab- wickelt, bestreitet nicht, dass V grundsätzlich für den vollen Schaden aus dem von ihm verschuldeten Unfall einstehen muss. Aber eine Familie sei eine Soli-dargemeinschaft, in der jedenfalls aus leichter Fahrlässigkeit kein Schadenser-satzanspruch entstehen könne. Sie selbst sei im Übrigen schon deshalb von der Verpflichtung zur Leistung frei, weil B vor dem Unfall die fällige Versicherungs-prämie trotz Mahnung mit zweiwöchiger Zahlungsfrist nicht gezahlt habe. Wei-terhin wehrt sie sich mit dem Hinweis, dass der Schmerzensgeldbetrag zwar nach deutschen Rechtsvorstellungen gerechtfertigt sei, nicht aber nach dem einschlägigen spanischen Recht; in Spanien gebe es bei geringfügigen Verlet-zungen nur einen Bruchteil des deutschen Schmerzensgeldes. Die Anwendung deutschen Rechts sei auch deshalb absurd, weil man bei einem Verkehrsunfall
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