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3. Die philosophische Aufklärung nach der Enttäuschung

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Der Einzige und die Deutsche Ideologie
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https://doi.org/10.1515/9783110620825-004Die philosophische Aufklärung nach der Enttäuschung Mit dem im vorigen Kapitel behandelten Scheitern des philosophisch-aufklärerischen Diskurses und der in diesem Scheitern sich zeigenden Diskrepanz zwischen den eige-nen Erfahrungen von Evidenz und denen der Adressaten setzte eine die vormärzliche Spätaufklärung nachhaltig prägende Phase der Pluralisierung des aufklärerischen Diskurses ein. Zwar gelang es Feuerbach und Bauer, ihre zentrale Stellung noch eine Zeit lang nach der Enttäuschung von 1842/43 zu behaupten, doch die von ihnen zur Kompensation der Enttäuschung unternommenen Änderungen ihrer kritischen An-sätze bildeten schließlich den Ausgangspunkt, von welchem aus Stirner, Marx und Engels alternative Formen des aufklärerischen Diskurses konzipierten. Sowohl Feu-erbach, als auch Bauer blieben, wenn auch auf je eigene Weise, innerhalb der philo-sophischen Gleise der klassischen Aufklärung. Vor dem Hintergrund der in der Ent-täuschung offen zutage getretenen Ohnmacht der philosophischen Evidenzerfahrun-gen bei der Initiierung revolutionärer Massenbewegungen waren sie jedoch gezwungen, für die Wahrung der philosophischen Form des aufklärerischen Diskur-ses mit der Entpolitisierung dieses Diskurses zu zahlen. Es ist beiden zugute zu hal-ten, dass sie die Notwendigkeit dieser Konsequenz selbst gesehen und explizit vertre-ten haben. Leisteten sie insofern beide Verzicht auf eine unmittelbare Überzeugungs-leistung, so wurde deren zukünftiges Gelingen dafür umso vehementer behauptet. Nicht zuletzt die damit einhergegangene Aufforderung zum geduldigen Abwarten des Eintretens dieser (sehr fernen) Zukunft, deren unmittelbare Konsequenz die Ze-mentierung der Hierarchie der kritischen Stimmen war, wie sie vor der Enttäuschung geherrscht hatte – also der besonderen Bedeutung Feuerbachs und Bauers –, sollte Stirner dann veranlassen, die philosophische Form des aufklärerischen Diskurses zu-gunsten seiner politischen Relevanz zu opfern. Im Folgenden wird zuerst die Feuerbach’sche Reaktion auf die Enttäuschung mit ihrer Erklärung des Scheiterns aus der verfrühten Ausweitung der Religionskritik auf politische Gegenstände, ihrer stärkeren Gewichtung der sensualistischen Produktion von Evidenz und ihrer Verlagerung der Überzeugungsleistung in die Zukunft darge-stellt (Abschnitt 1). Die Bauer’sche Reaktion mit der Einnahme einer äquidistanten Position zwischen Opposition und Reaktion, der Verabschiedung der Französischen Revolution als aufklärerischem Leitbild und der Konzipierung von „Kritik“ und „Masse“ als historischen Zentralkategorien erfährt danach ihre Behandlung (Ab-schnitt 2), und dieses Kapitel findet seinen Abschluss dann mit einer Darstellung des Dilemmas der enttäuschten Aufklärung im Vormärz (Abschnitt 3).
© 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

https://doi.org/10.1515/9783110620825-004Die philosophische Aufklärung nach der Enttäuschung Mit dem im vorigen Kapitel behandelten Scheitern des philosophisch-aufklärerischen Diskurses und der in diesem Scheitern sich zeigenden Diskrepanz zwischen den eige-nen Erfahrungen von Evidenz und denen der Adressaten setzte eine die vormärzliche Spätaufklärung nachhaltig prägende Phase der Pluralisierung des aufklärerischen Diskurses ein. Zwar gelang es Feuerbach und Bauer, ihre zentrale Stellung noch eine Zeit lang nach der Enttäuschung von 1842/43 zu behaupten, doch die von ihnen zur Kompensation der Enttäuschung unternommenen Änderungen ihrer kritischen An-sätze bildeten schließlich den Ausgangspunkt, von welchem aus Stirner, Marx und Engels alternative Formen des aufklärerischen Diskurses konzipierten. Sowohl Feu-erbach, als auch Bauer blieben, wenn auch auf je eigene Weise, innerhalb der philo-sophischen Gleise der klassischen Aufklärung. Vor dem Hintergrund der in der Ent-täuschung offen zutage getretenen Ohnmacht der philosophischen Evidenzerfahrun-gen bei der Initiierung revolutionärer Massenbewegungen waren sie jedoch gezwungen, für die Wahrung der philosophischen Form des aufklärerischen Diskur-ses mit der Entpolitisierung dieses Diskurses zu zahlen. Es ist beiden zugute zu hal-ten, dass sie die Notwendigkeit dieser Konsequenz selbst gesehen und explizit vertre-ten haben. Leisteten sie insofern beide Verzicht auf eine unmittelbare Überzeugungs-leistung, so wurde deren zukünftiges Gelingen dafür umso vehementer behauptet. Nicht zuletzt die damit einhergegangene Aufforderung zum geduldigen Abwarten des Eintretens dieser (sehr fernen) Zukunft, deren unmittelbare Konsequenz die Ze-mentierung der Hierarchie der kritischen Stimmen war, wie sie vor der Enttäuschung geherrscht hatte – also der besonderen Bedeutung Feuerbachs und Bauers –, sollte Stirner dann veranlassen, die philosophische Form des aufklärerischen Diskurses zu-gunsten seiner politischen Relevanz zu opfern. Im Folgenden wird zuerst die Feuerbach’sche Reaktion auf die Enttäuschung mit ihrer Erklärung des Scheiterns aus der verfrühten Ausweitung der Religionskritik auf politische Gegenstände, ihrer stärkeren Gewichtung der sensualistischen Produktion von Evidenz und ihrer Verlagerung der Überzeugungsleistung in die Zukunft darge-stellt (Abschnitt 1). Die Bauer’sche Reaktion mit der Einnahme einer äquidistanten Position zwischen Opposition und Reaktion, der Verabschiedung der Französischen Revolution als aufklärerischem Leitbild und der Konzipierung von „Kritik“ und „Masse“ als historischen Zentralkategorien erfährt danach ihre Behandlung (Ab-schnitt 2), und dieses Kapitel findet seinen Abschluss dann mit einer Darstellung des Dilemmas der enttäuschten Aufklärung im Vormärz (Abschnitt 3).
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