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2. Grundlagen qualitativer Sozialforschung

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2 Grundlagen qualitativer SozialforschungQualitativer Forscher:Viele Menschen heutzutage sind von ihrer Arbeit gelangweilt und sind . . .Quantitativer Forscher:Welche Leute, wie viele, wann und wie lange sind sie gelangweilt, woarbeiten sie, wieso sind sie gelangweilt, woher kommen diese Leute,welcher Teil der Arbeit langweilt sie besonders ...?Qualitativer Forscher:Das spielt keine Rolle.Dieser Dialog zwischen einem qualitativen und quantitativen Forscher ist zunächsteinmal nur für jemanden, der schon seit vielen Jahren Sozialforschung betreibt, wit­zig. Darüberhinausmachter aberdeutlich, dassdie Frage danach,wasqualitative So­zialforschung ist, häufig damit beantwortet wird, was sie nicht ist: Statistik, Zahlen,Diagramme und endlose Tabellen – also alles, nur nicht quantitativ. Selbst einschlä­gige Lehrbücher zu qualitativer Forschung beginnen mit der Gegenüberstellung vonqualitativer und quantitativer Forschung,um deutlich zu machen, dass quantitativeForschung genau das ist, was man nicht betreiben möchte (etwa Lamnek, 1995a: 3).Dies hat zwei Gründe: Erstens liefern sich qualitative und quantitative Forschung seitAnbeginn einen erbitterten Kampf darüber, welche der beidenRichtungen dieWelt imAllgemeinen und den Menschen im Besonderen besser erfassen kann. Zweitens ist esimmereinfacher zu sagen, wasmannichtist, alszu sagen, wasmanist. Oswald (2003)hatdaraufhingewiesen, dassmitdem Begriff„qualitativ“alsKonterpart zu„quantita­tiv“ zu ungenau umgegangen wird, weil auch qualitative Forschung manchmal nichtumhinkommt, zu zählen. Streng genommen müsste ein nicht zählender (qualitativer)Forscher sagen: „Ich habe diesen und jenen Schüler befragt und die Interviews emp­fand ich als sehr lang.“ 15 Interviews à 45 Minuten. Das ist präziser, verständlicherund zudem noch kürzer. Die strenge, zuweilen dogmatische Abkehr von den „Fliegen­beinzählern“ hilft also erstens nicht zu verstehen, was qualitative Forschung ist, undkann zweitens dazu führen, dass manchmal die Möglichkeit genauer Beschreibungenverschenkt wird (auch wenn das genannte Beispiel überzogen ist).Am liebsten ist dem geneigten Leser, gleich zu Beginn eine Definition zu erhal­ten, etwa in dem Stil: „Qualitative Sozialforschung ist ...“.Das ist aber bei qualita­tiver Sozialforschung nicht so ohne Weiteres möglich, denn es besteht eine Vielfaltvon Methoden, Methodologien, Theorien und vor allem Disziplinen, die sich „quali­tativ“ nennen lassen. Deshalb heißt dieses Kapitel nicht „Was ist qualitative Sozialfor­schung?“sondern„GrundlagenqualitativerSozialforschung“.EineIdeevonqualitati­verForschungerhältmandann,wenngrundlegendeVoraussetzungendiesesZugangsbenannt sind. So beschreiben Flick, von Kardorff und Steinke (2000) als Ziele quali­tativer Forschung, die „Lebenswelten ‚von innen heraus‘ aus der Sicht der handeln­den Menschen zu beschreiben. Damit soll sie zu einem besseren Verständnis sozialerWirklichkeit(en) beitragen und auf Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmaleaufmerksam machen.“ (Flick, von Kardorff & Steinke, 2000: 14)
© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

2 Grundlagen qualitativer SozialforschungQualitativer Forscher:Viele Menschen heutzutage sind von ihrer Arbeit gelangweilt und sind . . .Quantitativer Forscher:Welche Leute, wie viele, wann und wie lange sind sie gelangweilt, woarbeiten sie, wieso sind sie gelangweilt, woher kommen diese Leute,welcher Teil der Arbeit langweilt sie besonders ...?Qualitativer Forscher:Das spielt keine Rolle.Dieser Dialog zwischen einem qualitativen und quantitativen Forscher ist zunächsteinmal nur für jemanden, der schon seit vielen Jahren Sozialforschung betreibt, wit­zig. Darüberhinausmachter aberdeutlich, dassdie Frage danach,wasqualitative So­zialforschung ist, häufig damit beantwortet wird, was sie nicht ist: Statistik, Zahlen,Diagramme und endlose Tabellen – also alles, nur nicht quantitativ. Selbst einschlä­gige Lehrbücher zu qualitativer Forschung beginnen mit der Gegenüberstellung vonqualitativer und quantitativer Forschung,um deutlich zu machen, dass quantitativeForschung genau das ist, was man nicht betreiben möchte (etwa Lamnek, 1995a: 3).Dies hat zwei Gründe: Erstens liefern sich qualitative und quantitative Forschung seitAnbeginn einen erbitterten Kampf darüber, welche der beidenRichtungen dieWelt imAllgemeinen und den Menschen im Besonderen besser erfassen kann. Zweitens ist esimmereinfacher zu sagen, wasmannichtist, alszu sagen, wasmanist. Oswald (2003)hatdaraufhingewiesen, dassmitdem Begriff„qualitativ“alsKonterpart zu„quantita­tiv“ zu ungenau umgegangen wird, weil auch qualitative Forschung manchmal nichtumhinkommt, zu zählen. Streng genommen müsste ein nicht zählender (qualitativer)Forscher sagen: „Ich habe diesen und jenen Schüler befragt und die Interviews emp­fand ich als sehr lang.“ 15 Interviews à 45 Minuten. Das ist präziser, verständlicherund zudem noch kürzer. Die strenge, zuweilen dogmatische Abkehr von den „Fliegen­beinzählern“ hilft also erstens nicht zu verstehen, was qualitative Forschung ist, undkann zweitens dazu führen, dass manchmal die Möglichkeit genauer Beschreibungenverschenkt wird (auch wenn das genannte Beispiel überzogen ist).Am liebsten ist dem geneigten Leser, gleich zu Beginn eine Definition zu erhal­ten, etwa in dem Stil: „Qualitative Sozialforschung ist ...“.Das ist aber bei qualita­tiver Sozialforschung nicht so ohne Weiteres möglich, denn es besteht eine Vielfaltvon Methoden, Methodologien, Theorien und vor allem Disziplinen, die sich „quali­tativ“ nennen lassen. Deshalb heißt dieses Kapitel nicht „Was ist qualitative Sozialfor­schung?“sondern„GrundlagenqualitativerSozialforschung“.EineIdeevonqualitati­verForschungerhältmandann,wenngrundlegendeVoraussetzungendiesesZugangsbenannt sind. So beschreiben Flick, von Kardorff und Steinke (2000) als Ziele quali­tativer Forschung, die „Lebenswelten ‚von innen heraus‘ aus der Sicht der handeln­den Menschen zu beschreiben. Damit soll sie zu einem besseren Verständnis sozialerWirklichkeit(en) beitragen und auf Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmaleaufmerksam machen.“ (Flick, von Kardorff & Steinke, 2000: 14)
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