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1944

338DOK.107 6. Januar 1944DOK. 107Der Stürmer: Julius Streicher behauptet am 6. Januar 1944, der Antisemitismusin Großbritannien sei stark gestiegen1Bewegung in England. Geständnisse eines Judenblattes,von Julius Streicher2Es gibt im internationalen Sprachgebrauch Ausdrücke, die nicht immer wörtlich genom-men werden dürfen. So ist es auch mit dem Wort „Antisemitismus“. Wörtlich genommenwürde Antisemitismus ein Ausdruck sein, mit dem eine Stimmung bezeichnet wird, diesich gegen die semitischen Volksstämme in Vorderasien und Nordafrika richtet. Eine sol-che Stimmung ist aber nirgendwo nachzuweisen. Das Wort Antisemitismus ist am Endedes 19. Jahrhunderts durch Wilhelm Marr3in den internationalen Sprachgebrauch einge-führt worden. Mit dem Wort Antisemitismus meint man heute überall in der Welt die biszum offenen Haß sich steigernde Abneigung der Nichtjuden gegen die Juden.Im Judentum weiß man genau, daß die gegen Juden gerichtete Abneigung eine ganznatürlich entstandene Erscheinung ist. Führende Juden haben dies immer wieder offenbekannt. So schreibt der Jude Dr. J. Fromer (Elias Jakob) in seinem in Berlin im Jahre1905 erschienenen Buch „Das Wesen des Judentums“ auf Seite 45:„Der Judenhaß ist so alt wie das Judentum selbst. Er begleitet es wie ein Schatten, ist alsoin der Natur der Menschen begründet.“Daß der Antisemitismus keine vorübergehende Sache ist, darüber hat der Jude ArthurSchnitzler in der in Neuyork erscheinenden Zeitschrift „The Literary Digest“ (Ausgabe18.10.1930) keinen Zweifel gelassen. Er schrieb:Es wird einen Antisemitismus geben, so lange die Juden Juden bleiben, denn die Ursachendes Antisemitismus können nie beseitigt werden.In der im Jahre 1938 in Zürich erschienenen Schrift „Jude erwache!“ schreibt Ben Chaimauf Seite 7:„Der Antisemitismus ist durchaus keine Zeiterscheinung, er ist wirklich so alt wie Methusa-lem, er ist weder an Zeit, Ort noch an ein bestimmtes Land gebunden, sondern unabhängigdavon entsteht er überall dort, wo Juden mit anderen Völkern in Berührung kommen, undseine Entwicklung und Ausdehnung steht in einem direkten Verhältnis zu der Dichte derjüdischen Siedlung in dem betreffenden Lande.“4Wilhelm Marr schreibt in seinem im Jahre 1879 in Bern erschienenen Buch „Der Siegdes Judentums über das Germanentum“ auf Seite 5/6:1Der Stürmer. Deutsches Wochenblatt zum Kampfe um die Wahrheit, 22. Jg., Nr. 1 vom 6.1.1944,S. 1 f. Die antisemitische Wochenzeitung wurde von Julius Streicher herausgegeben und erschienvon 1923 bis 1945 in Nürnberg. 1933 betrug die Auflage mehr als 20 000 Exemplare, in den Kriegs-jahren 300 000 bis 400 000 Exemplare.2Julius Streicher (1885–1946), Lehrer; 1922 NSDAP- und SA-Eintritt; 1923 Teilnahme am Hitler-Putsch; 1923–1944 Herausgeber der Zeitschrift Der Stürmer, 1925–1940 Gauleiter von Mittelfran-ken, 1940 wurde er wegen Korruption seines Amtes enthoben; 1946 im Nürnberger Prozess zumTode verurteilt und hingerichtet.3Wilhelm Marr (1819–1904), Journalist; Autor von „Der Sieg des Judenthums über das Germanen-thum“ (1879).4Ben-Chaim, Juda erwache! Proklamation an das jüdische Volk, Zürich 1938.
© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

338DOK.107 6. Januar 1944DOK. 107Der Stürmer: Julius Streicher behauptet am 6. Januar 1944, der Antisemitismusin Großbritannien sei stark gestiegen1Bewegung in England. Geständnisse eines Judenblattes,von Julius Streicher2Es gibt im internationalen Sprachgebrauch Ausdrücke, die nicht immer wörtlich genom-men werden dürfen. So ist es auch mit dem Wort „Antisemitismus“. Wörtlich genommenwürde Antisemitismus ein Ausdruck sein, mit dem eine Stimmung bezeichnet wird, diesich gegen die semitischen Volksstämme in Vorderasien und Nordafrika richtet. Eine sol-che Stimmung ist aber nirgendwo nachzuweisen. Das Wort Antisemitismus ist am Endedes 19. Jahrhunderts durch Wilhelm Marr3in den internationalen Sprachgebrauch einge-führt worden. Mit dem Wort Antisemitismus meint man heute überall in der Welt die biszum offenen Haß sich steigernde Abneigung der Nichtjuden gegen die Juden.Im Judentum weiß man genau, daß die gegen Juden gerichtete Abneigung eine ganznatürlich entstandene Erscheinung ist. Führende Juden haben dies immer wieder offenbekannt. So schreibt der Jude Dr. J. Fromer (Elias Jakob) in seinem in Berlin im Jahre1905 erschienenen Buch „Das Wesen des Judentums“ auf Seite 45:„Der Judenhaß ist so alt wie das Judentum selbst. Er begleitet es wie ein Schatten, ist alsoin der Natur der Menschen begründet.“Daß der Antisemitismus keine vorübergehende Sache ist, darüber hat der Jude ArthurSchnitzler in der in Neuyork erscheinenden Zeitschrift „The Literary Digest“ (Ausgabe18.10.1930) keinen Zweifel gelassen. Er schrieb:Es wird einen Antisemitismus geben, so lange die Juden Juden bleiben, denn die Ursachendes Antisemitismus können nie beseitigt werden.In der im Jahre 1938 in Zürich erschienenen Schrift „Jude erwache!“ schreibt Ben Chaimauf Seite 7:„Der Antisemitismus ist durchaus keine Zeiterscheinung, er ist wirklich so alt wie Methusa-lem, er ist weder an Zeit, Ort noch an ein bestimmtes Land gebunden, sondern unabhängigdavon entsteht er überall dort, wo Juden mit anderen Völkern in Berührung kommen, undseine Entwicklung und Ausdehnung steht in einem direkten Verhältnis zu der Dichte derjüdischen Siedlung in dem betreffenden Lande.“4Wilhelm Marr schreibt in seinem im Jahre 1879 in Bern erschienenen Buch „Der Siegdes Judentums über das Germanentum“ auf Seite 5/6:1Der Stürmer. Deutsches Wochenblatt zum Kampfe um die Wahrheit, 22. Jg., Nr. 1 vom 6.1.1944,S. 1 f. Die antisemitische Wochenzeitung wurde von Julius Streicher herausgegeben und erschienvon 1923 bis 1945 in Nürnberg. 1933 betrug die Auflage mehr als 20 000 Exemplare, in den Kriegs-jahren 300 000 bis 400 000 Exemplare.2Julius Streicher (1885–1946), Lehrer; 1922 NSDAP- und SA-Eintritt; 1923 Teilnahme am Hitler-Putsch; 1923–1944 Herausgeber der Zeitschrift Der Stürmer, 1925–1940 Gauleiter von Mittelfran-ken, 1940 wurde er wegen Korruption seines Amtes enthoben; 1946 im Nürnberger Prozess zumTode verurteilt und hingerichtet.3Wilhelm Marr (1819–1904), Journalist; Autor von „Der Sieg des Judenthums über das Germanen-thum“ (1879).4Ben-Chaim, Juda erwache! Proklamation an das jüdische Volk, Zürich 1938.
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