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§ 22. Rechtmäßigkeit und Rechtswirkungen von Verwaltungsakten

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Allgemeines Verwaltungsrecht
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Verwaltungshandeln und Verwaltungsrechtsverhältnis673§22 I 1ser Wirkung verstößt nicht gegen das Grundgesetz, weil Art23 I 1 und 24 I GG auch die Einbindung der Bundesrepublik in Netzwerke grenzüberschreitender Verwaltungskooperation ermöglichen sollen .217217Vgl Ruffert Verw 34 (2001) 453, 478ff .§22Rechtmäßigkeit und Rechtswirkungen von VerwaltungsaktenI.Rechtmäßigkeit und Rechtswirksamkeit1.GrundlagenNach §43 I 1 VwVfG wird ein Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten im Zeitpunkt der Bekanntgabe wirksam und bleibt es gem §43 II VwVfG, solange und soweit er nicht aufgeho-ben wird oder erledigt ist . Die Rechtmäßigkeit zählt nicht zu den Wirksamkeitsvoraussetzun-gen des VerwaltungsaktsRechtswirksamkeit und Rechtmäßigkeit fallen auseinander . Anders als Rechtsnormen1 und öffentlich-rechtliche Verträge können auch rechtswidrige Verwaltungs-akte rechtswirksam sein . In der Entstehungszeit der Rechtsfigur Verwaltungsakt, im deutschen Spätkonstitutionalismus um die Wende vom 19 . zum 20 . Jahrhundert, war dies unproblema-tisch durch das allgemeine Gewaltverhältnis zwischen Obrigkeitsstaat und Untertanen zu er-klären . Für den Rechtsstaat (Art20 III GG) des Grundgesetzes wie auch die der Rechtsstaat-lichkeit verpflichtete Europäische Union (Art2 S 1 EUV) ist die rechtmäßigkeitsunabhängige Rechtswirksamkeit hingegen eine Provokation .2 Sie kann nur toleriert werden, weil das Gesetz selbst in §43 II VwVfG diese Anordnung zugunsten einer effektiven Verwaltung trifft, bei besonders gravierender Rechtswidrigkeit die Rechtswirksamkeit entfallen lässt (Nichtigkeit, §44 VwVfG), der Verwaltung Mittel zur Aufhebung rechtswidriger Verwaltungsakte zur Ver-fügung stellt und dem Bürger innerhalb bestimmter Fristen Rechtsschutz gegen rechtswidrige Verwaltungsakte einräumt (s §43 II VwVfG) . Das Gesetz nennt die Rechtswirksamkeit ohne generellen Rückgriff auf die Rechtmäßigkeit Bestandskraft (Überschrift von Abschnitt 2 in Teil III des VwVfG; näher zu diesem Begriff Rn24 f) . Für Rechtsakte des Unionsrechts hat der Gerichtshof eine entsprechende Rechtsregel als allgemeinen Rechtsgrundsatz entwickelt .3Rechtmäßig ist ein Verwaltungsakt, wenn er allen Anforderungen der Rechtsordnung genügt;4 er ist dementsprechend rechtswidrig, wenn er durch unrichtige Anwendung bestehen-der Rechtssätze zustande gekommen ist . Die Maßstäbe der Rechtsordnung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten werden nach formellen und materiellen Kriterien 1Krit Breuer DVBl 2008, 555 .2Zur diesbezüglichen Kritik am Verwaltungsakt instruktiv Bumke in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aß-mann/Voßkuhle, Grundlagen II, §35 Rn14 sowie 17–19 .3EuGH Slg 1994, I-2555 Rn48– Kommission/BASF JK EGV Art85/1; Slg 1999, I-4399 Rn69– ICI; Slg 1999, 4443 Rn69– Hoechst; Slg 1999, I-4501 Rn55– Shell/Kommission; Slg 1999, I-4539 Rn96Montecatini/Kommission; Slg 1999, I-4643 Rn93– Chemie Linz/Kommission . S dazu D. Schroeder Bindungswirkungen von Entscheidungen nach Art249 EG im Vergleich zu denen von Verwaltungsak-ten nach deutschem Recht, 2006; Annacker Der fehlerhafte Rechtsakt im Gemeinschafts- und Unions-recht, 1998, 92ff .4Vgl Maurer Allg VwR, §10 Rn2 . Zum Sonderproblem fortgeltender DDR-Verwaltungsakte Jessberger NJ 2007, 247 .12
© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

Verwaltungshandeln und Verwaltungsrechtsverhältnis673§22 I 1ser Wirkung verstößt nicht gegen das Grundgesetz, weil Art23 I 1 und 24 I GG auch die Einbindung der Bundesrepublik in Netzwerke grenzüberschreitender Verwaltungskooperation ermöglichen sollen .217217Vgl Ruffert Verw 34 (2001) 453, 478ff .§22Rechtmäßigkeit und Rechtswirkungen von VerwaltungsaktenI.Rechtmäßigkeit und Rechtswirksamkeit1.GrundlagenNach §43 I 1 VwVfG wird ein Verwaltungsakt gegenüber dem Adressaten im Zeitpunkt der Bekanntgabe wirksam und bleibt es gem §43 II VwVfG, solange und soweit er nicht aufgeho-ben wird oder erledigt ist . Die Rechtmäßigkeit zählt nicht zu den Wirksamkeitsvoraussetzun-gen des VerwaltungsaktsRechtswirksamkeit und Rechtmäßigkeit fallen auseinander . Anders als Rechtsnormen1 und öffentlich-rechtliche Verträge können auch rechtswidrige Verwaltungs-akte rechtswirksam sein . In der Entstehungszeit der Rechtsfigur Verwaltungsakt, im deutschen Spätkonstitutionalismus um die Wende vom 19 . zum 20 . Jahrhundert, war dies unproblema-tisch durch das allgemeine Gewaltverhältnis zwischen Obrigkeitsstaat und Untertanen zu er-klären . Für den Rechtsstaat (Art20 III GG) des Grundgesetzes wie auch die der Rechtsstaat-lichkeit verpflichtete Europäische Union (Art2 S 1 EUV) ist die rechtmäßigkeitsunabhängige Rechtswirksamkeit hingegen eine Provokation .2 Sie kann nur toleriert werden, weil das Gesetz selbst in §43 II VwVfG diese Anordnung zugunsten einer effektiven Verwaltung trifft, bei besonders gravierender Rechtswidrigkeit die Rechtswirksamkeit entfallen lässt (Nichtigkeit, §44 VwVfG), der Verwaltung Mittel zur Aufhebung rechtswidriger Verwaltungsakte zur Ver-fügung stellt und dem Bürger innerhalb bestimmter Fristen Rechtsschutz gegen rechtswidrige Verwaltungsakte einräumt (s §43 II VwVfG) . Das Gesetz nennt die Rechtswirksamkeit ohne generellen Rückgriff auf die Rechtmäßigkeit Bestandskraft (Überschrift von Abschnitt 2 in Teil III des VwVfG; näher zu diesem Begriff Rn24 f) . Für Rechtsakte des Unionsrechts hat der Gerichtshof eine entsprechende Rechtsregel als allgemeinen Rechtsgrundsatz entwickelt .3Rechtmäßig ist ein Verwaltungsakt, wenn er allen Anforderungen der Rechtsordnung genügt;4 er ist dementsprechend rechtswidrig, wenn er durch unrichtige Anwendung bestehen-der Rechtssätze zustande gekommen ist . Die Maßstäbe der Rechtsordnung für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten werden nach formellen und materiellen Kriterien 1Krit Breuer DVBl 2008, 555 .2Zur diesbezüglichen Kritik am Verwaltungsakt instruktiv Bumke in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aß-mann/Voßkuhle, Grundlagen II, §35 Rn14 sowie 17–19 .3EuGH Slg 1994, I-2555 Rn48– Kommission/BASF JK EGV Art85/1; Slg 1999, I-4399 Rn69– ICI; Slg 1999, 4443 Rn69– Hoechst; Slg 1999, I-4501 Rn55– Shell/Kommission; Slg 1999, I-4539 Rn96Montecatini/Kommission; Slg 1999, I-4643 Rn93– Chemie Linz/Kommission . S dazu D. Schroeder Bindungswirkungen von Entscheidungen nach Art249 EG im Vergleich zu denen von Verwaltungsak-ten nach deutschem Recht, 2006; Annacker Der fehlerhafte Rechtsakt im Gemeinschafts- und Unions-recht, 1998, 92ff .4Vgl Maurer Allg VwR, §10 Rn2 . Zum Sonderproblem fortgeltender DDR-Verwaltungsakte Jessberger NJ 2007, 247 .12
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Chapters in this book

  1. Frontmatter I
  2. Vorwort zur 15. Auflage V
  3. Aus dem Vorwort zur 1. Auflage VII
  4. Autoren- und Inhaltsübersicht IX
  5. Inhaltsverzeichnis XI
  6. Verzeichnis der abgekürzt zitierten Literatur XXIX
  7. Abkürzungsverzeichnis XXXIII
  8. Erster Abschnitt
  9. Verwaltung Und Verwaltungsrecht Im Demokratischen Und Sozialen Rechtsstaat
  10. Gliederung 1
  11. § 1. Staatliche Verwaltung 7
  12. § 2. Rechtsquellen Und Rechtsnormen Der Verwaltung 72
  13. § 3. Verwaltungsrecht 138
  14. § 4. Internationales Verwaltungsrecht 189
  15. § 5. Europäisches Recht Und Verwaltungsrecht 195
  16. § 6. Verfassungsrecht Und Verwaltungsrecht 239
  17. Zweiter Abschnitt
  18. Verwaltungsorganisationsrecht
  19. Gliederung 255
  20. § 7. Grundlagen 256
  21. § 8. Strukturen und Organisationseinheiten 275
  22. § 9. Bestand und Aufbau der unmittelbaren Staatsverwaltung 297
  23. § 10. Entwicklungslinien 305
  24. Dritter Abschnitt
  25. Maßstäbe des Verwaltungshandelns
  26. Gliederung 325
  27. § 11. Maßstäbe des Verwaltungshandelns 325
  28. Vierter Abschnitt
  29. Subjektiv-öffentliche Rechte
  30. Gliederung 373
  31. § 12. Subjektiv-öffentliche Rechte 374
  32. Fünfter Abschnitt
  33. Verwaltungsverfahren
  34. Gliederung 405
  35. § 13. Grundlagen 407
  36. § 14. Grundmodell des Verwaltungsverfahrens 436
  37. § 15. Modifikationen des Grundmodells: Planfeststellungsverfahren und andere besondere Verfahrensarten und -gestaltungen 499
  38. § 16. Mediation und andere Formen der alternativen Streitbeilegung in Verwaltungsverfahren 549
  39. Sechster Abschnitt
  40. Verwaltungshandeln und Verwaltungsrechtsverhältnis
  41. 1. Teil Verwaltungshandeln und Verwaltungsrechtsverhältnis im Überblick
  42. Gliederung 569
  43. § 17. Handlungsformen der Verwaltung 569
  44. § 18. Verwaltungsrechtsverhältnis 579
  45. 2. Teil Normative Handlungsformen
  46. Gliederung 595
  47. § 19. Allgemeiner Teil 595
  48. § 20. Besonderer Teil 624
  49. 3. Teil Verwaltungsakt
  50. Gliederung 646
  51. § 21. Bedeutung, Funktion und Begriff des Verwaltungsakts 648
  52. § 22. Rechtmäßigkeit und Rechtswirkungen von Verwaltungsakten 673
  53. § 23. Nebenbestimmungen 686
  54. § 24. Rücknahme von Verwaltungsakten 692
  55. § 25. Widerruf von Verwaltungsakten 707
  56. § 26. Wiederaufgreifen des Verfahrens 713
  57. § 27. Vollstreckung von Verwaltungsakten 718
  58. 4. Teil Verwaltungsrechtlicher Vertrag und andere verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen
  59. Gliederung 725
  60. § 28. Die verwaltungsrechtliche Willenserklärung 726
  61. § 29. Begriff, Bedeutung und Arten des Verwaltungsvertrages 731
  62. § 30. Bestimmung der Rechtsnatur von Verwaltungsverträgen 736
  63. § 31 Zustandekommen von Verwaltungsverträgen 743
  64. § 32. Wirksamkeit von Verwaltungsverträgen 747
  65. § 33. Vertragserfüllung und Leistungsstörungen 764
  66. § 34. Durchsetzung vertraglicher Ansprüche 768
  67. § 35. Weitere Verwaltungsrechtliche Sonderverbindungen 770
  68. 5. Teil Schlichtes Verwaltungshandeln
  69. Gliederung 794
  70. § 36. Grundlagen des schlichten Verwaltungshandelns 794
  71. § 37. Einzelfälle 805
  72. Siebenter Abschnitt
  73. Recht der öffentlichen Sachen
  74. Gliederung 815
  75. § 38. Begriff und Wesen der öffentlichen Sachen 816
  76. § 39. Die Arten der öffentlichen Sachen 825
  77. § 40. Entstehung, Inhalt und Beendigung des öffentlich-rechtlichen Status 838
  78. § 41. Der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen 852
  79. § 42. Sondernutzung 873
  80. Achter Abschnitt
  81. Staatshaftungsrecht
  82. Gliederung 881
  83. § 43. Einleitung 882
  84. § 44. Amtshaftung und Beamtenhaftung 884
  85. § 45. Grundrechtshaftung 906
  86. § 46. Ergänzungen des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Schadensersatz- und Entschädigungsrechts 946
  87. § 47. Haftung nach europäischem Recht 958
  88. 48. Künftige Entwicklung des Staatshaftungsrechts 980
  89. Sachverzeichnis 983
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