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IV. Der Krieg als Chance?

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Soldaten im Nachkrieg
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IV. Der Krieg als Chance?Kaum waren die letzten Generale aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt, wur­den die ersten neuen ernannt. Die »Wiederbewaffnung« der beiden deutschen Staaten, die Kontroversen über die mögliche Aufstellung neuer Streitkräfte, führ­te zu der ersten großen, auch auf der Straße ausgetragenen Auseinandersetzung in der bundesrepublikanischen Gesellschaft1. Die Demoskopen vermaßen akribisch die Gräben, die diese Frage durch die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft aufriss. Den Aufbau einer »neuen Wehrmacht« im Rahmen einer europäischen Armee und der NATO lehnte im März 1950 eine knappe Mehrheit (52  %) der Männer und Frauen in der Bundesrepublik ab, ein Drittel der Befragten befürwortete die Wiederbewaffnung, 15 Prozent hatten keine Meinung. Als sich das Szenario Anfang 1952 konkretisierte und die Forderungen der Westmächte nach einer Beteiligung der Bundesdeutschen an einer »europäischen Verteidigungsarmee« laut wurden, lag die Quote der Ablehnung noch bei 40 Prozent (März 1953: 44 %), während der Anteil der Unentschlossenen auf 25 Prozent (März 1953: 23 %) gestiegen war. Weiterhin machten die Befürworter etwa ein Drittel (35  %, März 1953: 33  %) aus2. »Die Wiederbewaffnung Deutschlands hemmt den Wiederaufbau und außerdem haben wir von Kriegen endgültig genug« – diese Formulierung drückte im September 1951 die Meinung von 36 Prozent der befragten Bundesbürger aus.Fast ebenso viele verknüpften freilich Staatlichkeit und Militär miteinander. Kein Staat ohne eine eigene Armee: Nach diesem Grundsatz war die Wiederbewaffnung Deutschlands notwendig3. Und trotz der Kriegsfurcht, von der gleich die Rede sein wird, hielten es nur ein Viertel der Befragten auf lange Sicht für besser, sich im Falle eines Angriffs überrollen zu lassen. 45  Prozent befürworteten eine Verteidigung, 29  Prozent waren unentschieden4. Schaut man auf die Entwicklung zwischen Juli 1950 und Juli 1954, bewegte sich die Zustimmung zur »Teilnahme deutscher Truppen an einer westeuropäischen Armee« zwischen dem Höchstwert von 50 Pro­zent im Sommer 1951 und dem Tiefstwert von 33  Prozent zwei Jahre später, mit Spitzen von 45 Prozent bzw. 43 Prozent im Oktober 1952 und März 1953 und ei­nem leichten Anstieg auf 36 Prozent Mitte 1954. Im selben Zeitraum stieg die Zahl 1Vgl. zum politischen Hintergrund: Höfner, Die Aufrüstung Westdeutschlands; Krieger, Adenauer und die Wiederbewaffnung; Schubert, Wiederbewaffnung und Westintegration; Herbst, Stil und Handlungsspielräume; Steininger, Wiederbewaffnung; Zwischen Kaltem Krieg und Entspannung; Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd 3 (Beitrag Thoß), bes. S. 154177.2Jahrbuch der Öffentlichen Meinung 19471955, S. 357 f.3Ebd., S. 359.4Ebd., S. 355.

IV. Der Krieg als Chance?Kaum waren die letzten Generale aus der Kriegsgefangenschaft heimgekehrt, wur­den die ersten neuen ernannt. Die »Wiederbewaffnung« der beiden deutschen Staaten, die Kontroversen über die mögliche Aufstellung neuer Streitkräfte, führ­te zu der ersten großen, auch auf der Straße ausgetragenen Auseinandersetzung in der bundesrepublikanischen Gesellschaft1. Die Demoskopen vermaßen akribisch die Gräben, die diese Frage durch die westdeutsche Nachkriegsgesellschaft aufriss. Den Aufbau einer »neuen Wehrmacht« im Rahmen einer europäischen Armee und der NATO lehnte im März 1950 eine knappe Mehrheit (52  %) der Männer und Frauen in der Bundesrepublik ab, ein Drittel der Befragten befürwortete die Wiederbewaffnung, 15 Prozent hatten keine Meinung. Als sich das Szenario Anfang 1952 konkretisierte und die Forderungen der Westmächte nach einer Beteiligung der Bundesdeutschen an einer »europäischen Verteidigungsarmee« laut wurden, lag die Quote der Ablehnung noch bei 40 Prozent (März 1953: 44 %), während der Anteil der Unentschlossenen auf 25 Prozent (März 1953: 23 %) gestiegen war. Weiterhin machten die Befürworter etwa ein Drittel (35  %, März 1953: 33  %) aus2. »Die Wiederbewaffnung Deutschlands hemmt den Wiederaufbau und außerdem haben wir von Kriegen endgültig genug« – diese Formulierung drückte im September 1951 die Meinung von 36 Prozent der befragten Bundesbürger aus.Fast ebenso viele verknüpften freilich Staatlichkeit und Militär miteinander. Kein Staat ohne eine eigene Armee: Nach diesem Grundsatz war die Wiederbewaffnung Deutschlands notwendig3. Und trotz der Kriegsfurcht, von der gleich die Rede sein wird, hielten es nur ein Viertel der Befragten auf lange Sicht für besser, sich im Falle eines Angriffs überrollen zu lassen. 45  Prozent befürworteten eine Verteidigung, 29  Prozent waren unentschieden4. Schaut man auf die Entwicklung zwischen Juli 1950 und Juli 1954, bewegte sich die Zustimmung zur »Teilnahme deutscher Truppen an einer westeuropäischen Armee« zwischen dem Höchstwert von 50 Pro­zent im Sommer 1951 und dem Tiefstwert von 33  Prozent zwei Jahre später, mit Spitzen von 45 Prozent bzw. 43 Prozent im Oktober 1952 und März 1953 und ei­nem leichten Anstieg auf 36 Prozent Mitte 1954. Im selben Zeitraum stieg die Zahl 1Vgl. zum politischen Hintergrund: Höfner, Die Aufrüstung Westdeutschlands; Krieger, Adenauer und die Wiederbewaffnung; Schubert, Wiederbewaffnung und Westintegration; Herbst, Stil und Handlungsspielräume; Steininger, Wiederbewaffnung; Zwischen Kaltem Krieg und Entspannung; Anfänge westdeutscher Sicherheitspolitik, Bd 3 (Beitrag Thoß), bes. S. 154177.2Jahrbuch der Öffentlichen Meinung 19471955, S. 357 f.3Ebd., S. 359.4Ebd., S. 355.
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