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Rationales Wollen – Über das Verhältnis von Kategorischem Imperativ und Goldener Regel

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Philosophie nach Kant
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JochenBojanowskiRationalesWol lenÜberdas VerhältnisvonKategorischemImperativ undGoldenerRegelIn dentraditionellenMoraltheorienhatmansichdarumbemüht, Prinzipienzuetablieren,vondenenunserebesonderenmor alischenUrteileabgeleitetwerdenkönnen.DiegoldeneRegel kannalseinsolchesMoralprinzipverstandenwerden.Manfindetsiein denchinesischen,jüdischen,christlichengenausowiein isla-mischenEthiken.Deshalb wirdsieauchalsempirischesArgumentgeg endenmoralischenRelativismusangeführt(Höffe6200 2, S. 118).KanthatimAnschlussanPufendorfdiegoldeneRegel kritisiert(Pufendorf1672,II, 3, § 13),ihrdenStatusalshöchstesMoralprinzipabgesprochen,anihreStelledenKategorischenIm-perativ gesetztundzudemvonihrbehauptet, dasssieaus diesemableitbarsei(AAIV, 430).KantsKritik istoftdahingehendmissverstanden worden,alswolleer dieGoldeneRegel generellzurückweisen. Aberindemer erklärt, siekönneausdemKategorischenImperativ (obzwarmit verschiedenenEinschränkungen)abge-leitetwerden,stuft er sielediglichauf einrelatives,silbernesPrinzipherab.DieimeigentlichenSinneGoldeneRegel, so kannmanKants Kritikverstehen,ist dagegenderKategorische Imperativ. Hätte KantmitseinerKritikRecht, dannwärenicht diesogenannte GoldeneRegel,sondernderKategorischeImperativ daseigentlicheuniverselleundkulturübergreifende Moralprinzip.WenndieVertretervonGoldenen-Regel-Ar gumentenbereitwären,KantsGrundlegungderGoldenenRegel unddamitihrenderivativenStatusanzuer-kennen,stehensiealsMoraltheoretikernichtnotwendig vorderAlternativeKategorischer ImperativoderGoldeneRegel. VielmehrwärenGoldene-Regel-Argumentemit Kants Ethikkompatibel.SiehättenfreilichdaseigentlicheFun-damentalprinzipderEthikverkannt, ab er insoferndieGoldeneRegel ausdemKategorischenImperativ ab geleitetwerdenkann,sindsieauchmitdiesemver -einbar. So gareinkulturellerBrückenschlagzwischen KantianismusundKonfu-zianismuserscheintmöglich(vgl.z. B. Roetz 20063, S. 112f.).Dabeihängtletztlichallesdavonab,wiewirjeneEinschränkungenzu verstehenhaben,unterdenendieGoldeneRegel ausdemKategorischenImperativ ab geleitetwerdenkann.Deshalb möchteichhierzunächst KantsKritik,wieer siein derGrundlegungzurMetaphysikderSittenandeutet, explizieren.DieseKritik orientiertsichaneinem,wieiches nenne,subjektivenModellderGoldenenRegel,das tatsächlich nichtgeeignetist, denGrundmoralischerVerbindlichkeitzu erklären.In einemzweitenSchrittmöchteichzeigen,wieKantsMoraltheoriealsderVersuchverstanden

JochenBojanowskiRationalesWol lenÜberdas VerhältnisvonKategorischemImperativ undGoldenerRegelIn dentraditionellenMoraltheorienhatmansichdarumbemüht, Prinzipienzuetablieren,vondenenunserebesonderenmor alischenUrteileabgeleitetwerdenkönnen.DiegoldeneRegel kannalseinsolchesMoralprinzipverstandenwerden.Manfindetsiein denchinesischen,jüdischen,christlichengenausowiein isla-mischenEthiken.Deshalb wirdsieauchalsempirischesArgumentgeg endenmoralischenRelativismusangeführt(Höffe6200 2, S. 118).KanthatimAnschlussanPufendorfdiegoldeneRegel kritisiert(Pufendorf1672,II, 3, § 13),ihrdenStatusalshöchstesMoralprinzipabgesprochen,anihreStelledenKategorischenIm-perativ gesetztundzudemvonihrbehauptet, dasssieaus diesemableitbarsei(AAIV, 430).KantsKritik istoftdahingehendmissverstanden worden,alswolleer dieGoldeneRegel generellzurückweisen. Aberindemer erklärt, siekönneausdemKategorischenImperativ (obzwarmit verschiedenenEinschränkungen)abge-leitetwerden,stuft er sielediglichauf einrelatives,silbernesPrinzipherab.DieimeigentlichenSinneGoldeneRegel, so kannmanKants Kritikverstehen,ist dagegenderKategorische Imperativ. Hätte KantmitseinerKritikRecht, dannwärenicht diesogenannte GoldeneRegel,sondernderKategorischeImperativ daseigentlicheuniverselleundkulturübergreifende Moralprinzip.WenndieVertretervonGoldenen-Regel-Ar gumentenbereitwären,KantsGrundlegungderGoldenenRegel unddamitihrenderivativenStatusanzuer-kennen,stehensiealsMoraltheoretikernichtnotwendig vorderAlternativeKategorischer ImperativoderGoldeneRegel. VielmehrwärenGoldene-Regel-Argumentemit Kants Ethikkompatibel.SiehättenfreilichdaseigentlicheFun-damentalprinzipderEthikverkannt, ab er insoferndieGoldeneRegel ausdemKategorischenImperativ ab geleitetwerdenkann,sindsieauchmitdiesemver -einbar. So gareinkulturellerBrückenschlagzwischen KantianismusundKonfu-zianismuserscheintmöglich(vgl.z. B. Roetz 20063, S. 112f.).Dabeihängtletztlichallesdavonab,wiewirjeneEinschränkungenzu verstehenhaben,unterdenendieGoldeneRegel ausdemKategorischenImperativ ab geleitetwerdenkann.Deshalb möchteichhierzunächst KantsKritik,wieer siein derGrundlegungzurMetaphysikderSittenandeutet, explizieren.DieseKritik orientiertsichaneinem,wieiches nenne,subjektivenModellderGoldenenRegel,das tatsächlich nichtgeeignetist, denGrundmoralischerVerbindlichkeitzu erklären.In einemzweitenSchrittmöchteichzeigen,wieKantsMoraltheoriealsderVersuchverstanden

Chapters in this book

  1. Frontmatter i
  2. Inhalt ix
  3. Siglen xiii
  4. Einleitung 1
  5. I. Kants Transzendentalphilosophie
  6. Können Dispositionen das Realismusproblem des transzendentalen Idealismus lösen? 15
  7. Zeit und Freiheit bei Kant – Zu Kants Begründung der praktischen Philosophie 37
  8. Wie Kants kognitive Semantik Newtons Regel 4 der Experimentalphilosophie untermauert und van Fraassens konstruktiven Empirismus entkräftet 55
  9. Revisiting Judgments of Perception 71
  10. Aeternitas, necessitas phaenomenon – Das Schema der Kategorie von Notwendigkeit-Zufälligkeit 87
  11. L’être de l’ombre 107
  12. Zur argumentativen Rekonstruktion der Theorie der Einbildungskraft in Kants Kritik der reinen Vernunft 127
  13. Illusions of Imagination and Adventures of Reason in Kant’s first Critique 141
  14. II. Kants Moralphilosophie
  15. Die Formeln des kategorischen Imperativs in der Grundlegung – Eine Kritik der Interpretation von Klaus Reich und Julius Ebbinghaus 191
  16. Rationales Wollen – Über das Verhältnis von Kategorischem Imperativ und Goldener Regel 211
  17. Moral und Gefühl – Konstellationen von Rationalität und Emotionalität in Kants Moralphilosophie 223
  18. Squire Allworthy’s Inclinations and Acting from Duty: The Problem of Moral Worth in Kant’s Criticism of Sentimentalist Ethics 251
  19. Kants Philosophie des Gewissens – Skizze für eine kommentarische Interpretation 279
  20. Kants Kulturtheorie 313
  21. Libertas civilis – Zur politischen Prägung von Freiheit und Autonomie bei Kant 329
  22. III. Vorgänger und Zeitgenossen von Kant
  23. Platonismus im Werk Kants und danach 341
  24. Substanz vor und nach Kant 357
  25. Johannes Keplers Entfernung von der modernen Wissenschaft 383
  26. Rousseau und Kant als Friedenstheoretiker: Eine kurze vergleichende Analyse 403
  27. D’Holbachs Système de la nature – Bemerkungen zur Aufklärung über die Philosophie des französischen Materialismus 425
  28. Republikaner ohne Republik – Eine Konstellation um 1800 457
  29. Dieser „große Künstler von Blendwerken“ – Kants Kritik an Herder 473
  30. Geschichtsphilosophie oder Theorie der Geschichtswissenschaft? 499
  31. IV. Philosophie nach Kant
  32. The Inescapability of Contingency: The Form and Content of Freedom in Kant and Hegel 523
  33. Hegel’s Critique of Kant in the Introduction to the Phenomenology of Spirit (§§73–80) 547
  34. Kant und die hegelsche Moralität 571
  35. Race in Hegel: Text and Context 591
  36. Primat des Praktischen – Hermann Cohen – Paul Natorp – Wolfgang Cramer 625
  37. Von der Vernunftkritik zur Kulturkritik – Ernst Cassirers Kant 641
  38. Nicolai Hartmanns Umkehrung von Kants kopernikanischer Tat 655
  39. Freiheit bei Sartre und bei Kant – eine grundlegungstheoretische Affinität 673
  40. A historical dogma in Two Dogmas of Empiricism – Some Reflections Concerning Kant and Quine 693
  41. Im logischen Raum der Gründe: Kant zum Verhältnis zwischen kausaler Erklärung und rationaler Rechtfertigung 705
  42. Autorenliste 723
  43. Personenregister 733
Downloaded on 10.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783110344110.211/html?licenseType=restricted&srsltid=AfmBOopGuyx6k1lMqB404n546zyzvvCDq-uNZ6mw-ZSrpXviQpM-0wRM
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