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Lübeck

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Manfred EickhölterLübeckAm Beginn der Frühen Neuzeit erscheint die führende Hansestadt noch immer in vollemGlanz. Was als späte Neugründung Mitte des 12. Jahrhunderts begann, hatte sich schonnach 150 Jahren zum Wirtschafts-, und bis 1400 zu einem Machtzentrum entfaltet. Lü-beck übte im Ostseeraum keine direkte Herrschaft aus, war aber sehr wohl in der Lage,seine starken handelspolitischen Interessen im Norden (Norwegen/Schweden) und imOsten mit diplomatischen Mitteln und mit Hilfe seiner Flotten militärisch durchzusetzen.Zwischen 1400 und 1500 schließlich entwickelte sich die Stadt auch zum kulturellenZentrum: Die für Besucher wie aus einem Guss wirkendeschöneStadt [Jaritz2001,473] war das eine, ihre bildenden Künstler, die Maßstab setzend die Märkte in Nord-europa bis zur Reformation bedienten, das andere; ferner der frühe Buchdruck, der ab1473/74als fünfter Druckort im Reichseinen Ausgang Richtung Norden von der Stadtan der Trave nahm. Und schließlich, was nicht weniger, sondern womöglich dasHauptgewicht hat: Das Lübische Recht, mit dem etwa 100 Städte im Ostseeraum weitüber die Grenzen des Alten Reichs hinaus bewidmet waren, hatte seine Oberinstanz beimRat der Stadt. Vertraut man sich den Kriterien des Stadtsoziologen Richard Münch an,dann besaß Lübeck mit dem kombinierten Auftreten der drei Funktionen Wirtschafts-,Herrschafts- und Bedeutungszentrum um 1500 faktisch den Status einer Metropole[Münch1991].Der Zeitraum zwischen 1500 und 1800 ist geprägt durch den historischen Wandelvom Status einer nordeuropäischen Metropole hin zu einer freien, immerhin noch großenReichsstadt, jedoch mit stark abnehmenden Potenzialen, um auf regionale und über-regionale Dynamiken in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kunst noch entscheidendenEinfluss nehmen zu können. Die auf Lübeck bezogene Geschichtsforschung orientiert sichan den TerminiWahrung des Erreichten,Niedergangund/oderÜbergang[Grass-mann1988a;Kretzschmar1926;Grassmann1998a]. Nach dem Ende des Dreißig-jährigen Krieges war Hamburg wirtschaftlich die führende Stadt im Norden Deutsch-lands. Die internationalen Wirtschaftsströme und -entwicklungen umgingen Lübeck undnahmen keinerlei Rücksicht auf althergebrachte, durch Privilegien verbriefte Ansprüche.Mit dem letzten Hansetag 1669 verblieben Bremen, Hamburg und Lübeck als hansea-tische Nachlassverwalter und Rechtsnachfolger, ohne dass sich daraus bedeutendeSteuerungspotenziale auf die internationale Politik im Norden ergeben hätten. Imna-tionalenRahmen gelingt es Lübeck immerhin, über den Zeitpunkt 1800 hinaus seineanerkannte historische Bedeutung in ehrenvollen Aufgaben für die hanseatische Rest-gemeinschaft gewürdigt zu wissen. Ein Beleg dafür ist das um 1820 in Lübeck etablierteOberappellationsgericht der vier freien Städte Frankfurt am Main, Bremen, Hamburgund Lübeck.Mit der militärischen Eroberung der Stadt am 6. November 1806 durch napoleoni-sche Truppen, mehrtägigen Plünderungen und schließlich der Einverleibung in dasfranzösische Kaiserreich bis 1813 kam es zu einem starken wirtschaftlichen Niedergang

Manfred EickhölterLübeckAm Beginn der Frühen Neuzeit erscheint die führende Hansestadt noch immer in vollemGlanz. Was als späte Neugründung Mitte des 12. Jahrhunderts begann, hatte sich schonnach 150 Jahren zum Wirtschafts-, und bis 1400 zu einem Machtzentrum entfaltet. Lü-beck übte im Ostseeraum keine direkte Herrschaft aus, war aber sehr wohl in der Lage,seine starken handelspolitischen Interessen im Norden (Norwegen/Schweden) und imOsten mit diplomatischen Mitteln und mit Hilfe seiner Flotten militärisch durchzusetzen.Zwischen 1400 und 1500 schließlich entwickelte sich die Stadt auch zum kulturellenZentrum: Die für Besucher wie aus einem Guss wirkendeschöneStadt [Jaritz2001,473] war das eine, ihre bildenden Künstler, die Maßstab setzend die Märkte in Nord-europa bis zur Reformation bedienten, das andere; ferner der frühe Buchdruck, der ab1473/74als fünfter Druckort im Reichseinen Ausgang Richtung Norden von der Stadtan der Trave nahm. Und schließlich, was nicht weniger, sondern womöglich dasHauptgewicht hat: Das Lübische Recht, mit dem etwa 100 Städte im Ostseeraum weitüber die Grenzen des Alten Reichs hinaus bewidmet waren, hatte seine Oberinstanz beimRat der Stadt. Vertraut man sich den Kriterien des Stadtsoziologen Richard Münch an,dann besaß Lübeck mit dem kombinierten Auftreten der drei Funktionen Wirtschafts-,Herrschafts- und Bedeutungszentrum um 1500 faktisch den Status einer Metropole[Münch1991].Der Zeitraum zwischen 1500 und 1800 ist geprägt durch den historischen Wandelvom Status einer nordeuropäischen Metropole hin zu einer freien, immerhin noch großenReichsstadt, jedoch mit stark abnehmenden Potenzialen, um auf regionale und über-regionale Dynamiken in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kunst noch entscheidendenEinfluss nehmen zu können. Die auf Lübeck bezogene Geschichtsforschung orientiert sichan den TerminiWahrung des Erreichten,Niedergangund/oderÜbergang[Grass-mann1988a;Kretzschmar1926;Grassmann1998a]. Nach dem Ende des Dreißig-jährigen Krieges war Hamburg wirtschaftlich die führende Stadt im Norden Deutsch-lands. Die internationalen Wirtschaftsströme und -entwicklungen umgingen Lübeck undnahmen keinerlei Rücksicht auf althergebrachte, durch Privilegien verbriefte Ansprüche.Mit dem letzten Hansetag 1669 verblieben Bremen, Hamburg und Lübeck als hansea-tische Nachlassverwalter und Rechtsnachfolger, ohne dass sich daraus bedeutendeSteuerungspotenziale auf die internationale Politik im Norden ergeben hätten. Imna-tionalenRahmen gelingt es Lübeck immerhin, über den Zeitpunkt 1800 hinaus seineanerkannte historische Bedeutung in ehrenvollen Aufgaben für die hanseatische Rest-gemeinschaft gewürdigt zu wissen. Ein Beleg dafür ist das um 1820 in Lübeck etablierteOberappellationsgericht der vier freien Städte Frankfurt am Main, Bremen, Hamburgund Lübeck.Mit der militärischen Eroberung der Stadt am 6. November 1806 durch napoleoni-sche Truppen, mehrtägigen Plünderungen und schließlich der Einverleibung in dasfranzösische Kaiserreich bis 1813 kam es zu einem starken wirtschaftlichen Niedergang
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