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Auf den Marmorklippen: (k)ein Schlüsselroman?

Opfertheologische und -politische Bemerkungen am Beispiel der Rezeption durch Julius Evola
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Totalität als Faszination
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Gabriele GuerraAuf den Marmorklippen: (k)ein Schlüsselroman?Opfertheologische und -politische Bemerkungen am Beispiel der Rezeption durch Julius Evola1Im Mythos ist das Opfer unfreiwillig; im Mysterium ist es freiwillig2Am 15. November 1942 merkt Ernst Jünger in seinen Strahlungen etwas Merkwür-diges an, das sich lohnt, näher zu betrachten: Lektüre der Zeitschrift »Zalmoxis«, die sich nach einem von Herodot erwähnten skythi-schen Herakles benennt. Ich las darin zwei Aufsätze, einen über die Bräuche, unter denen die Wurzel der Mandragora ausgegraben und verwendet wird, und einen zweiten über den »Symbolisme Aquatique«, der die Beziehungen zwischen dem Monde, den Frauen und dem Meer bespricht. Beide stammen von Mircea Eliade, dem Herausgeber, über den, sowie über seinen Meister René Guénon, Carl Schmitt mir Näheres berichtete.3Dies ist Jüngers erste Eintragung, in der er den bekannten rumänischen Religions-wissenschaftler erwähnt. Aber die Anmerkung ist nicht nur deswegen wichtig, son-dern auch, weil er hier Eliade überraschenderweise als Schüler von René Guénon vorstellt. Diese Stilisierung des wissenschaftlichen Werdegangs Eliades ist ziemlich gewagt und verkürzend, aber nicht falsch;4 und sie vermag so manche damalige geistige, politische und kulturelle Konstellation zu erklären: vor allem eine gei-stespolitische Stimmung, die aus einem in Krieg versunkenen und »verdunkelten Dahlem« – so Jünger weiter in dieser Anmerkung – herausragt: 1 Anlass für diesen Aufsatz sind die Studien, die der verstorbene italienische Religionswis-senschaftler Cristiano Grottanelli dem Thema des Opfers bei Jünger, Evola und Mircea Eliade u.  a. gewidmet hatte und mir somit Raum für dessen literaturwissenschaftliche und geistesgeschichtliche Vertiefung bietet. Vgl. Cristiano Grottanelli, Il sacrificio, Ro-ma-Bari 1999 (Biblioteca essenziale 24), bes. S. 104–107; Cristiano Grottanelli, Mircea Eliade, Carl Schmitt, René Guenon, 1942. In: Revue de l’historie des religions, Bd. 219, H. 3, 2002, S. 325–356; Cristiano Grottanelli, Fruitful death: Mircea Eliade and Ernst Jünger on human sacrifice, 1937–1945. In: Numen, Bd. 52, H. 1, 2005, S. 116–145, und Cristiano Grottanelli, War-time Connections: Dumézil and Eliade, Eliade and Schmitt, Schmitt and Evola, Drieu La Rochelle and Dumézil. In: The Study of Religion under the impact of the Fascism, hg. von Horst Junginger, Leiden 2008, S. 303–313. 2 Dmitri Mereschkowski, Die Geheimnisse des Ostens, Berlin 1924, S. 218.3 Ernst Jünger, Strahlungen I [1949]. In: ders.: Sämtliche Werke. 18 Bde. u. vier Supple-mentbände, Bd. 2: Tagebücher II. Strahlungen I, Stuttgart 1979, S. 414.4 René Guénon ist tatsächlich wichtig für den jungen Eliade gewesen; dennoch hat Er-sterer kaum, wenn doch nur kritische, Spuren im späteren Werk des Zweiten hinterlas-sen. Vgl. dazu Enrico Montanari, Eliade e Guénon. In: Studi e materiali di storia delle religioni n.s. XIX, H. 1, 1995, S. 131–149.https://doi.org/10.1515/9783110279795-007
© 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

Gabriele GuerraAuf den Marmorklippen: (k)ein Schlüsselroman?Opfertheologische und -politische Bemerkungen am Beispiel der Rezeption durch Julius Evola1Im Mythos ist das Opfer unfreiwillig; im Mysterium ist es freiwillig2Am 15. November 1942 merkt Ernst Jünger in seinen Strahlungen etwas Merkwür-diges an, das sich lohnt, näher zu betrachten: Lektüre der Zeitschrift »Zalmoxis«, die sich nach einem von Herodot erwähnten skythi-schen Herakles benennt. Ich las darin zwei Aufsätze, einen über die Bräuche, unter denen die Wurzel der Mandragora ausgegraben und verwendet wird, und einen zweiten über den »Symbolisme Aquatique«, der die Beziehungen zwischen dem Monde, den Frauen und dem Meer bespricht. Beide stammen von Mircea Eliade, dem Herausgeber, über den, sowie über seinen Meister René Guénon, Carl Schmitt mir Näheres berichtete.3Dies ist Jüngers erste Eintragung, in der er den bekannten rumänischen Religions-wissenschaftler erwähnt. Aber die Anmerkung ist nicht nur deswegen wichtig, son-dern auch, weil er hier Eliade überraschenderweise als Schüler von René Guénon vorstellt. Diese Stilisierung des wissenschaftlichen Werdegangs Eliades ist ziemlich gewagt und verkürzend, aber nicht falsch;4 und sie vermag so manche damalige geistige, politische und kulturelle Konstellation zu erklären: vor allem eine gei-stespolitische Stimmung, die aus einem in Krieg versunkenen und »verdunkelten Dahlem« – so Jünger weiter in dieser Anmerkung – herausragt: 1 Anlass für diesen Aufsatz sind die Studien, die der verstorbene italienische Religionswis-senschaftler Cristiano Grottanelli dem Thema des Opfers bei Jünger, Evola und Mircea Eliade u.  a. gewidmet hatte und mir somit Raum für dessen literaturwissenschaftliche und geistesgeschichtliche Vertiefung bietet. Vgl. Cristiano Grottanelli, Il sacrificio, Ro-ma-Bari 1999 (Biblioteca essenziale 24), bes. S. 104–107; Cristiano Grottanelli, Mircea Eliade, Carl Schmitt, René Guenon, 1942. In: Revue de l’historie des religions, Bd. 219, H. 3, 2002, S. 325–356; Cristiano Grottanelli, Fruitful death: Mircea Eliade and Ernst Jünger on human sacrifice, 1937–1945. In: Numen, Bd. 52, H. 1, 2005, S. 116–145, und Cristiano Grottanelli, War-time Connections: Dumézil and Eliade, Eliade and Schmitt, Schmitt and Evola, Drieu La Rochelle and Dumézil. In: The Study of Religion under the impact of the Fascism, hg. von Horst Junginger, Leiden 2008, S. 303–313. 2 Dmitri Mereschkowski, Die Geheimnisse des Ostens, Berlin 1924, S. 218.3 Ernst Jünger, Strahlungen I [1949]. In: ders.: Sämtliche Werke. 18 Bde. u. vier Supple-mentbände, Bd. 2: Tagebücher II. Strahlungen I, Stuttgart 1979, S. 414.4 René Guénon ist tatsächlich wichtig für den jungen Eliade gewesen; dennoch hat Er-sterer kaum, wenn doch nur kritische, Spuren im späteren Werk des Zweiten hinterlas-sen. Vgl. dazu Enrico Montanari, Eliade e Guénon. In: Studi e materiali di storia delle religioni n.s. XIX, H. 1, 1995, S. 131–149.https://doi.org/10.1515/9783110279795-007
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