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Forschungsmethoden der kombinierten Längs- und Querschnittstudie MILA

Forschungsmethoden der kombinierten Längs- und Querschnittstudie MILA1Angela Grimm & Petra Schulz 1.Einleitung Eine oder mehrere Sprachen zu erwerben stellt eine der grundlegendsten kindlichen Fähigkeiten dar. Scheinbar mühelos gelingt es Kindern, ohne explizite Unterweisung aus dem naturgemäß defizitären Input die Regeln und Prinzipien der Zielsprache abzuleiten (Chomsky 1986). Um mutter-sprachliche Kompetenz zu erwerben, ist aus generativer Sichtweise ein qualitativ und quantitativ ausreichender sprachlicher Input notwendig, so dass Kinder Hypothesen über die Struktur der Zielsprache ableiten können, sowie ein Erwerbsbeginn innerhalb einer kritischen Periode (Clahsen 1988; Tracy 1991; Meisel 2004, 2009; Rothweiler 2006). Vor diesem Hintergrund eröffnet der frühe Zweitspracherwerb ein ide-ales Untersuchungsfeld, um Altersbeschränkungen und Mechanismen für den Erwerb grammatischer Kompetenzen zu untersuchen (Unsworth 2005). Obgleich eine umfassende Klassifikation des kindlichen Zweitspracher-werbs noch aussteht, wird häufig angenommmen, dass ein Erwerb einer weiteren Sprache zwischen dem zweiten und vierten Geburtstag ein früher Zweitspracherwerb ist, während ein Erwerb vor dem zweiten Geburtstag noch als simultan bilingualer Erwerb und ein Erwerb deutlich nach dem vierten Geburtstag als später kindlicher Zweitspracherwerb gelten (Tracy 2008; Meisel 2009; Rothweiler 2009). Frühe Zweitsprachlerner können einerseits auf bereits erworbenes Wissen aus der Erstsprache zurückgreifen, während andererseits die Erwerbsmechanismen, die den Erstspracherwerb ermöglichen, noch aktiv zu sein scheinen (Unsworth 2005; Meisel 2009). Einzelfallstudien zum Erwerb der Morphosyntax belegen, dass die Erwerbswege bei einem Erwerbsbeginn um den dritten Geburtstag denen monolingualer Kinder gleichen, und dass bedingt durch das bereits vor-1 DieserBeitrag wurde im Rahmen des Center for Individual Development and Adaptive Education of Children at Risk (IDeA) verfasst, gefördert durch die LOEWE-Initiative der Hessischen Landesregierung. Wir danken allen teilnehmenden Kindern und deren Eltern, den beteiligten Institutionen sowie den studentischen und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen von MILA für die Unterstützung.

Forschungsmethoden der kombinierten Längs- und Querschnittstudie MILA1Angela Grimm & Petra Schulz 1.Einleitung Eine oder mehrere Sprachen zu erwerben stellt eine der grundlegendsten kindlichen Fähigkeiten dar. Scheinbar mühelos gelingt es Kindern, ohne explizite Unterweisung aus dem naturgemäß defizitären Input die Regeln und Prinzipien der Zielsprache abzuleiten (Chomsky 1986). Um mutter-sprachliche Kompetenz zu erwerben, ist aus generativer Sichtweise ein qualitativ und quantitativ ausreichender sprachlicher Input notwendig, so dass Kinder Hypothesen über die Struktur der Zielsprache ableiten können, sowie ein Erwerbsbeginn innerhalb einer kritischen Periode (Clahsen 1988; Tracy 1991; Meisel 2004, 2009; Rothweiler 2006). Vor diesem Hintergrund eröffnet der frühe Zweitspracherwerb ein ide-ales Untersuchungsfeld, um Altersbeschränkungen und Mechanismen für den Erwerb grammatischer Kompetenzen zu untersuchen (Unsworth 2005). Obgleich eine umfassende Klassifikation des kindlichen Zweitspracher-werbs noch aussteht, wird häufig angenommmen, dass ein Erwerb einer weiteren Sprache zwischen dem zweiten und vierten Geburtstag ein früher Zweitspracherwerb ist, während ein Erwerb vor dem zweiten Geburtstag noch als simultan bilingualer Erwerb und ein Erwerb deutlich nach dem vierten Geburtstag als später kindlicher Zweitspracherwerb gelten (Tracy 2008; Meisel 2009; Rothweiler 2009). Frühe Zweitsprachlerner können einerseits auf bereits erworbenes Wissen aus der Erstsprache zurückgreifen, während andererseits die Erwerbsmechanismen, die den Erstspracherwerb ermöglichen, noch aktiv zu sein scheinen (Unsworth 2005; Meisel 2009). Einzelfallstudien zum Erwerb der Morphosyntax belegen, dass die Erwerbswege bei einem Erwerbsbeginn um den dritten Geburtstag denen monolingualer Kinder gleichen, und dass bedingt durch das bereits vor-1 DieserBeitrag wurde im Rahmen des Center for Individual Development and Adaptive Education of Children at Risk (IDeA) verfasst, gefördert durch die LOEWE-Initiative der Hessischen Landesregierung. Wir danken allen teilnehmenden Kindern und deren Eltern, den beteiligten Institutionen sowie den studentischen und wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen von MILA für die Unterstützung.

Chapters in this book

  1. Frontmatter i
  2. Inhaltsverzeichnis v
  3. Methodische Verfahren der Zweitspracherwerbsforschung – zur Einführung 1
  4. Konzeptorientierte Ansätze: Der Ausdruck von Raum 27
  5. Language production under time pressure: insights into grammaticalisation of aspect (Dutch, Italian) and language processing in bilinguals (Dutch-German) 49
  6. Videoclips zur Elizitation von Erzählungen: Methodische Überlegungen und einige Ergebnisse am Beispiel der „Finite Story“ 77
  7. Das Projekt „P-MoLL“. Die Erlernung modaler Konzepte des Deutschen als Zweitsprache: Eine gattungsdifferenzierende und mehrebenenspezifische Längsschnittstudie 99
  8. Eye-Tracking in der Zweitspracherwerbsforschung: Am Beispiel anaphorischer Bezüge 123
  9. Das Erkenntnispotenzial experimenteller Studien zur Untersuchung der Wirksamkeit von Sprachfördermaßnahmen 145
  10. Die Profilanalyse 173
  11. Forschungsmethoden der kombinierten Längs- und Querschnittstudie MILA 195
  12. Videographie als Methode zur Aufzeichnung und Analyse sprachlicher Lehr- und Lernsituationen. Vorschläge zur Systematisierung am Beispiel (vor-) schulischer Sprachförderung 219
  13. Forschungsmethodologische Überlegungen zur Untersuchung der Sprachentwicklung von Aussiedern am Beispiel morphologischer Analysen 237
  14. Zweitsprachenerwerb als Erfahrung: Narrationsanalytische Rekonstruktionen biographischer Verstrickungen von Erwerbsprozessen 261
  15. Evaluation von Sprachförderkonzepten 285
  16. Selbstgesteuertes Hören und Bildauswahlaufgaben in der Zweitspracherwerbsforschung 303
  17. Möglichkeiten und Grenzen der Prüfung konvergenter Validität sprachstandsdiagnostischer Verfahren 325
  18. Die Untersuchung von Wechselwirkungen zwischen interkultureller Interaktion und Integration in der InterMig-Studie 349
  19. Register 371
Downloaded on 23.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783110267822.195/html?srsltid=AfmBOorGnCCumSKyHOXAAOrBQycru1RcMr9C1EmB2XDi_GCmGDA3t0pS
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