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4. Kapitel: Besondere strafrechtliche Risiken

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Praxishandbuch Insolvenzstrafrecht
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§ 24 Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters|1105Joecks 4. Kapitel: Besondere strafrechtliche Risiken 4. Kapitel: Besondere strafrechtliche Risiken§ 24 Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters Joecks§ 24 Rechte und Pflichten des InsolvenzverwaltersI. Überblick Mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat das Insolvenzgericht alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine für die Gläubiger nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 Abs 1 InsO). Zu diesen vorläufigen Sicherungsmaßnahmen gehört neben der Auferlegung eines allgemeinen Verfügungsverbots (§ 21 Abs 2 Nr 2 InsO) die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs 2 Nr 1 InsO). Kommt es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ernennt das Insolvenzgericht einen endgültigen Insolvenzverwalter (§ 27 Abs 1 S 1 InsO). Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters bestimmen sich dann nach der ihm vom Gericht eingeräumten Rechtsposition. Der endgültige Insolvenzverwalter tritt – untechnisch betrachtet – an die Stelle des Gemeinschuldners. Im Insolvenzrecht wird eine Reihe von Auffassungen vertreten, die diesen Vorgang theoretisch einordnen. So behandelt die „Schuldnervertretertheorie“ den Verwalter als gesetzlichen Vertreter des Schuldners mit einer auf die Masse beschränkten Vertretungsmacht.1 Nach der „Organ-theorie“ ist die Masse rechtlich verselbstständigtes Rechtssubjekt, der Verwalter ihr Or-gan.2 Nach der herrschenden „Amtstheorie“ übt der Verwalter kraft des ihm übertrage-nen privaten Amtes die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im eigenen Namen aus, er ist „Partei kraft Amtes“.3Ungeachtet dieses zivilrechtlichen Streits geht man in der strafrechtlichen Literatur überwiegend davon aus, die strafrechtliche Verantwortung des Schuldners werde auf den Insolvenzverwalter nach § 14 Abs 1 Nr 3 StGB („gesetzlicher Vertreter“) übergeleitet.4Ein anderes Modell besteht darin, die im Zivilrecht herrschende „Amtstheorie“ anzuwen- den und die strafrechtliche Verantwortung aus § 14 Abs 2 Nr 1 StGB abzuleiten: Der In-solvenzverwalter ist dann „von einem sonst dazu Befugten ... beauftragt, den Betrieb zu leiten ...“. Er tritt insofern in die (strafbewehrten) Pflichten des Gemeinschuldners ein. Ist der Insolvenzverwalter nur vorläufig eingesetzt, gilt das Gleiche, wenn es sich um einen sog „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter handelt.5 Diese Form der Insol-venzverwaltung liegt dann vor, wenn das Gericht nach § 21 Abs 2 Nr 2 InsO dem Schuld-ner ein allg Verfügungsverbot auferlegt hat (§ 21 Abs 2 Nr 2, 1. Alt InsO). Dann greift das Programm des § 22 Abs 1 S 1 InsO und die Verwaltungs- und die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners geht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über.6_____1 Vgl Heinze KTS 1980, 1; K Schmidt KTS 1984, 345ff; ders KTS 1988, 1, 9ff und 211ff; Schulz KTS 1986, 389. 2 Hanisch S 275ff; Stürner ZZP 94 (1981), 263, 286ff. 3 RGZ 29, 29f; BGHZ 35, 180ff; 51, 125, 128ff; Jaeger/Henckel Rn 165ff zu § 6 KO; Kübler/Prütting/LükeRn 38 zu § 80 InsO; HeiK-InsO/Eickmann Rn 40 zu § 56 InsO; K Schmidt Rn 36ff zu § 80 InsO; T/K/LooseRn 36 zu § 251 AO. 4 Vgl S/S/Perron Rn 24 zu § 14 StGB. 5 Vgl Klein/Rüsken Rn 23 zu § 34 AO; MK/Haarmeyer Rn 24 zu § 22 InsO; s aber Schäferhoff/Gerster ZIP 2001, 905, 906ff, die im Hinblick auf § 266a StGB jedenfalls eine Rechtfertigung des Nichtzahlens erwä- gen. 6 Zugleich wird der bisherige Geschäftsführer einer GmbH aus seiner Position „verdrängt“; vgl BGH wistra 1997, 146. 1 2 34
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§ 24 Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters|1105Joecks 4. Kapitel: Besondere strafrechtliche Risiken 4. Kapitel: Besondere strafrechtliche Risiken§ 24 Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters Joecks§ 24 Rechte und Pflichten des InsolvenzverwaltersI. Überblick Mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat das Insolvenzgericht alle Maßnahmen zu treffen, die erforderlich erscheinen, um bis zur Entscheidung über den Antrag eine für die Gläubiger nachteilige Veränderung in der Vermögenslage des Schuldners zu verhüten (§ 21 Abs 1 InsO). Zu diesen vorläufigen Sicherungsmaßnahmen gehört neben der Auferlegung eines allgemeinen Verfügungsverbots (§ 21 Abs 2 Nr 2 InsO) die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters (§ 21 Abs 2 Nr 1 InsO). Kommt es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens, so ernennt das Insolvenzgericht einen endgültigen Insolvenzverwalter (§ 27 Abs 1 S 1 InsO). Rechte und Pflichten des Insolvenzverwalters bestimmen sich dann nach der ihm vom Gericht eingeräumten Rechtsposition. Der endgültige Insolvenzverwalter tritt – untechnisch betrachtet – an die Stelle des Gemeinschuldners. Im Insolvenzrecht wird eine Reihe von Auffassungen vertreten, die diesen Vorgang theoretisch einordnen. So behandelt die „Schuldnervertretertheorie“ den Verwalter als gesetzlichen Vertreter des Schuldners mit einer auf die Masse beschränkten Vertretungsmacht.1 Nach der „Organ-theorie“ ist die Masse rechtlich verselbstständigtes Rechtssubjekt, der Verwalter ihr Or-gan.2 Nach der herrschenden „Amtstheorie“ übt der Verwalter kraft des ihm übertrage-nen privaten Amtes die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis im eigenen Namen aus, er ist „Partei kraft Amtes“.3Ungeachtet dieses zivilrechtlichen Streits geht man in der strafrechtlichen Literatur überwiegend davon aus, die strafrechtliche Verantwortung des Schuldners werde auf den Insolvenzverwalter nach § 14 Abs 1 Nr 3 StGB („gesetzlicher Vertreter“) übergeleitet.4Ein anderes Modell besteht darin, die im Zivilrecht herrschende „Amtstheorie“ anzuwen- den und die strafrechtliche Verantwortung aus § 14 Abs 2 Nr 1 StGB abzuleiten: Der In-solvenzverwalter ist dann „von einem sonst dazu Befugten ... beauftragt, den Betrieb zu leiten ...“. Er tritt insofern in die (strafbewehrten) Pflichten des Gemeinschuldners ein. Ist der Insolvenzverwalter nur vorläufig eingesetzt, gilt das Gleiche, wenn es sich um einen sog „starken“ vorläufigen Insolvenzverwalter handelt.5 Diese Form der Insol-venzverwaltung liegt dann vor, wenn das Gericht nach § 21 Abs 2 Nr 2 InsO dem Schuld-ner ein allg Verfügungsverbot auferlegt hat (§ 21 Abs 2 Nr 2, 1. Alt InsO). Dann greift das Programm des § 22 Abs 1 S 1 InsO und die Verwaltungs- und die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners geht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über.6_____1 Vgl Heinze KTS 1980, 1; K Schmidt KTS 1984, 345ff; ders KTS 1988, 1, 9ff und 211ff; Schulz KTS 1986, 389. 2 Hanisch S 275ff; Stürner ZZP 94 (1981), 263, 286ff. 3 RGZ 29, 29f; BGHZ 35, 180ff; 51, 125, 128ff; Jaeger/Henckel Rn 165ff zu § 6 KO; Kübler/Prütting/LükeRn 38 zu § 80 InsO; HeiK-InsO/Eickmann Rn 40 zu § 56 InsO; K Schmidt Rn 36ff zu § 80 InsO; T/K/LooseRn 36 zu § 251 AO. 4 Vgl S/S/Perron Rn 24 zu § 14 StGB. 5 Vgl Klein/Rüsken Rn 23 zu § 34 AO; MK/Haarmeyer Rn 24 zu § 22 InsO; s aber Schäferhoff/Gerster ZIP 2001, 905, 906ff, die im Hinblick auf § 266a StGB jedenfalls eine Rechtfertigung des Nichtzahlens erwä- gen. 6 Zugleich wird der bisherige Geschäftsführer einer GmbH aus seiner Position „verdrängt“; vgl BGH wistra 1997, 146. 1 2 34
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