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C. Abakomantische oder aktive Divinationssysteme

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182C. Abakomantische oder aktive DivinationssystemeEs handelt sich im Wesentlichen um Weissagungen, deren überlieferte Bezugs-tafeln356 die Interpretation festlegen. Verschiedene niedere Formen der klero-mantischen Verfahren gehören zu dieser Kategorie, in der Intuition keine Rolle spielt, sind daher erlernbare Techniken, die mit vom Menschen aktiv herbeige-führten Zeichen Erkenntnisse erlangen wollen. 1. Die Alectryomantie Bei der Aectryomantie , einer bis heute im Orient beliebten Methode, pickt ein Hahn Körner auf, die über ein Alphabet verstreut sind. Die dabei notier-ten Buchstaben sollen Namen und Wörter ergeben. Der Kaiser VALENS wollte mithilfe dieser Technik den Namen seines Nachfolgers erfahren. Der Hahn pickte THEOD, der Kaiser ließ THEODORUS und alle ähnlichen Namens in seiner Umgebung töten. Sein Nachfolger hieß THEODOSIUS.357 Ob diese Kunst im Mittelalter auch geübt wurde, darüber kann nur spekuliert werden, da sie die Gewährsleute wie HARTLIEB , VINTLER oder BEHEIM nicht erwähnen. BOEHMlistet einige in der Andreasnacht praktizierte Bräuche, die der antiken Praxis sehr nahe kommen.2. Sieborakel und Schlüsseldrehen Und daz ein îp ein sib tribeSunder vleisch und sunder ribe,dâ niht imme wære,daz sint allez gelogniu mære STRICKER (VV. 29–32)358Das Sieborakel wurde vom Frühmittelalter an bis vermutlich bis in die Moder-ne verwendet, wichtig dabei war, dass ein „Erbsieb“, also von den Vorfahren weitergegebenes Sieb benutzt wurde. Die Methode funktionierte nach Art der Wünschelrute : Wies es auf den Verdächtigen, so fi ng es an zu schwingen. Oder man steckte es auf eine (Erb-)Schere und drehte es. Meist wandte man das Siebdrehen an, um Diebe zu entdecken, aber auch jene, die bei einem Aufl auf wunden geschlagen haben.359356 Orakelbefragung mittels Ziehen bestimmter Tafeln nennt Naether „Ticket-Orakel“, vgl. Naether, Sortes Astrampsychi (2010) S. 27, 47 (bzgl. Dodona) u.ö.357 Vgl. Boehm, Art. Alektryomantie (1932/1987) Sp. 255–256.358 Ibid. Verszählung von mir S. 876.359 Grimm, Deutsche Mythologie (1870/1968) S. 927ff. V. Mittelalterliche mantische Einzelkünste

182C. Abakomantische oder aktive DivinationssystemeEs handelt sich im Wesentlichen um Weissagungen, deren überlieferte Bezugs-tafeln356 die Interpretation festlegen. Verschiedene niedere Formen der klero-mantischen Verfahren gehören zu dieser Kategorie, in der Intuition keine Rolle spielt, sind daher erlernbare Techniken, die mit vom Menschen aktiv herbeige-führten Zeichen Erkenntnisse erlangen wollen. 1. Die Alectryomantie Bei der Aectryomantie , einer bis heute im Orient beliebten Methode, pickt ein Hahn Körner auf, die über ein Alphabet verstreut sind. Die dabei notier-ten Buchstaben sollen Namen und Wörter ergeben. Der Kaiser VALENS wollte mithilfe dieser Technik den Namen seines Nachfolgers erfahren. Der Hahn pickte THEOD, der Kaiser ließ THEODORUS und alle ähnlichen Namens in seiner Umgebung töten. Sein Nachfolger hieß THEODOSIUS.357 Ob diese Kunst im Mittelalter auch geübt wurde, darüber kann nur spekuliert werden, da sie die Gewährsleute wie HARTLIEB , VINTLER oder BEHEIM nicht erwähnen. BOEHMlistet einige in der Andreasnacht praktizierte Bräuche, die der antiken Praxis sehr nahe kommen.2. Sieborakel und Schlüsseldrehen Und daz ein îp ein sib tribeSunder vleisch und sunder ribe,dâ niht imme wære,daz sint allez gelogniu mære STRICKER (VV. 29–32)358Das Sieborakel wurde vom Frühmittelalter an bis vermutlich bis in die Moder-ne verwendet, wichtig dabei war, dass ein „Erbsieb“, also von den Vorfahren weitergegebenes Sieb benutzt wurde. Die Methode funktionierte nach Art der Wünschelrute : Wies es auf den Verdächtigen, so fi ng es an zu schwingen. Oder man steckte es auf eine (Erb-)Schere und drehte es. Meist wandte man das Siebdrehen an, um Diebe zu entdecken, aber auch jene, die bei einem Aufl auf wunden geschlagen haben.359356 Orakelbefragung mittels Ziehen bestimmter Tafeln nennt Naether „Ticket-Orakel“, vgl. Naether, Sortes Astrampsychi (2010) S. 27, 47 (bzgl. Dodona) u.ö.357 Vgl. Boehm, Art. Alektryomantie (1932/1987) Sp. 255–256.358 Ibid. Verszählung von mir S. 876.359 Grimm, Deutsche Mythologie (1870/1968) S. 927ff. V. Mittelalterliche mantische Einzelkünste
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