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VI. Ausblick: Die Rezeption der Rezeption

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Die Inszenierung eines Mythos
This chapter is in the book Die Inszenierung eines Mythos
192VI.Ausblick: Die Rezeption der RezeptionLe Corbusier als Katalysator von Auguste Choisys Akropolis-RezeptionNach Le Corbusiers Tod wurde laut Jerzey Soltan, einem ehemaligen Mitarbeiter Le Corbusiers, „any void, any hole [...] glorified as INEFFABLE SPACE“1. Und nicht nur das, es gab auch die Tendenz, alle Volumen, die über einer Freifläche errichtet wurden, lapidar als Akropolis zu bezeichnen, wobei es sich nicht unbe-dingt um die Akropolis von Athen handeln musste – in der englisch- und franzö-sischsprachigen Literatur durch große Versalien gekennzeichnet  –, sondern auch um die allgemeinere, kleingeschriebene „acropolis“. Le Corbusier war keineswegs der Einzige, der die Akropolis als Denkmodell, als Inspirationsquelle oder sogar als abstraktes Motiv in die Architektur und den Städtebau des 20. Jahrhundert über-trug. Wann immer es darum ging, „heilige Orte“ bzw. Orte mit einer Aura zu kon-struieren, die einer Gemeinschaft oder Idee verpflichtet sind – Regierungs- oder Kulturzentren, Universitäten oder Museen –, bot sich auch im 20.  Jahrhundert noch der Blick nach Athen an.2Die Auseinandersetzung mit Le Corbusier Akropolis-Rezeption setzte keines-wegs erst nach seinem Tod ein, sondern lässt sich früh schon als unmittelbare Reaktion auf „Vers une Architecture“ nachweisen. Einer der Ersten überhaupt, der sich fast zeitgleich mit Le Corbusiers „Vers une Architecture“ auf die Akropolis beruft, ist Moisei Ginzburg in seiner Publikation „Style and Epoch“, die in Kennt-nis von Le Corbusiers „L’Esprit Nouveau“-Artikel entstanden ist (siehe Kapi-tel II.3). Als Indiz für ein gesteigertes Interesse an der Akropolis könnte auch der 1927 ausgeschriebene Wettbewerb für eine Stadtkrone in Halle, die auf dem Leh-manns-Felsen über der Saale entstehen sollte, gelesen werden. Obwohl Bruno Taut 1919 in seiner Publikation „Die Stadtkrone“ ein weites Spektrum von möglichen Vorbildern präsentiert, wählten auffällig viele Architekten die Akropolis als Vorbild. Die meisten Entwürfe für das Verwaltungs- und Kulturzentrum zeigen weite Ram-pen- oder Freitreppenanlagen und auf dem Plateau Gebäudevolumen, die durch Plätze, Höfe, Pergolen miteinander in Beziehung gesetzt werden, wie beispielsweise
© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

192VI.Ausblick: Die Rezeption der RezeptionLe Corbusier als Katalysator von Auguste Choisys Akropolis-RezeptionNach Le Corbusiers Tod wurde laut Jerzey Soltan, einem ehemaligen Mitarbeiter Le Corbusiers, „any void, any hole [...] glorified as INEFFABLE SPACE“1. Und nicht nur das, es gab auch die Tendenz, alle Volumen, die über einer Freifläche errichtet wurden, lapidar als Akropolis zu bezeichnen, wobei es sich nicht unbe-dingt um die Akropolis von Athen handeln musste – in der englisch- und franzö-sischsprachigen Literatur durch große Versalien gekennzeichnet  –, sondern auch um die allgemeinere, kleingeschriebene „acropolis“. Le Corbusier war keineswegs der Einzige, der die Akropolis als Denkmodell, als Inspirationsquelle oder sogar als abstraktes Motiv in die Architektur und den Städtebau des 20. Jahrhundert über-trug. Wann immer es darum ging, „heilige Orte“ bzw. Orte mit einer Aura zu kon-struieren, die einer Gemeinschaft oder Idee verpflichtet sind – Regierungs- oder Kulturzentren, Universitäten oder Museen –, bot sich auch im 20.  Jahrhundert noch der Blick nach Athen an.2Die Auseinandersetzung mit Le Corbusier Akropolis-Rezeption setzte keines-wegs erst nach seinem Tod ein, sondern lässt sich früh schon als unmittelbare Reaktion auf „Vers une Architecture“ nachweisen. Einer der Ersten überhaupt, der sich fast zeitgleich mit Le Corbusiers „Vers une Architecture“ auf die Akropolis beruft, ist Moisei Ginzburg in seiner Publikation „Style and Epoch“, die in Kennt-nis von Le Corbusiers „L’Esprit Nouveau“-Artikel entstanden ist (siehe Kapi-tel II.3). Als Indiz für ein gesteigertes Interesse an der Akropolis könnte auch der 1927 ausgeschriebene Wettbewerb für eine Stadtkrone in Halle, die auf dem Leh-manns-Felsen über der Saale entstehen sollte, gelesen werden. Obwohl Bruno Taut 1919 in seiner Publikation „Die Stadtkrone“ ein weites Spektrum von möglichen Vorbildern präsentiert, wählten auffällig viele Architekten die Akropolis als Vorbild. Die meisten Entwürfe für das Verwaltungs- und Kulturzentrum zeigen weite Ram-pen- oder Freitreppenanlagen und auf dem Plateau Gebäudevolumen, die durch Plätze, Höfe, Pergolen miteinander in Beziehung gesetzt werden, wie beispielsweise
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