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2. Reflexion der Vergangenheit und Geschichtskonzeptionen

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Band 9 Texte zur Wissenskultur
Ein Kapitel aus dem Buch Band 9 Texte zur Wissenskultur
2. Reflexion der Vergangenheit und Geschichtskonzeptionen2.1 EinleitungHans NeumannDie Darstellung und Überlieferung von Vergangenem im Sinne einer eigenständigenGeschichtsschreibung, wie wir sie aus der griechisch-römischen Welt kennen, lassensich in der schriftlichen Quellenüberlieferung des alten Mesopotamien nicht nach-weisen. Allerdings wurde historisches Geschehen durchaus reflektiert, wofür es unter-schiedliche Beweggründe gab. Neben praktischen Bezügen (z. B. in Babylonien dieDatierung von Urkunden durch Jahresnamen historischen Inhalts in der zweitenHälfte des 3. und der ersten Hälfte des 2. Jt. v. Chr.,1)was Teil einer chronographi-schen Texttradition wurde2)) entsprang das Interesse an der Darstellung und Über-lieferung historischer Ereignisse einer spezifischen politischen und/oder religiösenMotivation und verfolgte entsprechende Zielsetzungen für die Gegenwart und Zu-kunft.3)Die Reflexion von Vergangenheit manifestiert sich dabei zum einen in den sog.chronographischen Texten im engeren wie im weiteren Sinn4)(Jahresnamen-, Epo-nymen- und Königslisten,5)Chroniken)6)sowie in epigraphischen Quellen erzählen-den Inhalts (Königsinschriften und Annalen),7)zum anderen in Mythen und Epen8)(einschließlich sog. pseudo-historischer bzw. -autobiographischer Texte9)), Prophe-391.Vgl. die von W. H. Ph. Römer übersetzten Beispiele von Jahresnamen in TUAT I/4 (1984)337-343.2.Vgl. J.-J. Glassner, Mesopotamian Chronicles (SBL Writings from the Ancient World 19),Leiden / Boston 2005.3.Vgl. dazu unlängst S. M. Maul, Rückwärts schauend in die Zukunft: Utopien des AltenOrients, in: A. Archi (Hg.), Tradition and Innovation in the Ancient Near East. Proceedingsof the 57thRencontre Assyriologique Internationale at Rome, 4-8 July 2011, Winona Lake2015, 3-12.4.Zur Begrifflichkeit vgl. J. Renger, Vergangenes Geschehen in der Textüberlieferung des altenMesopotamien, in: H.-J. Gehrke / A. Möller (Hg.), Vergangenheit und Lebenswelt. SozialeKommunikation, Traditionsbildung und historisches Bewußtsein (ScriptOralia 90), Tübin-gen 1996, 13-15.5.Vgl. im vorliegenden Zusammenhang jetzt auch C. Wilcke, Gestaltetes Altertum in antikerGegenwart: Königslisten und Historiographie des älteren Mesopotamien, in: D. Kuhn /H. Stahl (Hg.), Die Gegenwart des Altertums. Formen und Funktionen des Altertumsbezugesin den Hochkulturen der Alten Welt, Heidelberg 2001, 93-116.6.Vgl. dazu bereits die Textvorlagen von R. Borger in TUAT I/4 (1984) 401-404 sowie vonK. Hecker in TUAT.NF 2 (2005) 27-45.7.Vgl. R. Borger in TUAT I/4 (1984) 354-410; K. Hecker in TUAT Ergänzungslieferung (2001)11-20; H. Neumann in TUAT.NF 2 (2005) 9-26 und K. Hecker, ebd. 45-88.8.Ausgewählte Epen und Mythen der mesopotamischen Überlieferung haben W. H. Ph. Römerund D. O. Edzard in TUAT III/3 (1993) 351-559 und W. G. Lambert, K. Hecker, W. von So-den und G. G. W. Müller in TUAT III/4 (1994) 565-801 in Übersetzung vorgelegt; vgl. dar-über hinaus auch C. Mittermayer, P. Attinger, A. Zgoll und K. Hecker in TUAT.NF 8 (2015)3-143.9.Vgl. die entsprechende Überlieferung zu Sargon von Akkade; dazu K. Hecker in TUAT Ergän-zungslieferung (2001) 55-60.
© 2020 Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh

2. Reflexion der Vergangenheit und Geschichtskonzeptionen2.1 EinleitungHans NeumannDie Darstellung und Überlieferung von Vergangenem im Sinne einer eigenständigenGeschichtsschreibung, wie wir sie aus der griechisch-römischen Welt kennen, lassensich in der schriftlichen Quellenüberlieferung des alten Mesopotamien nicht nach-weisen. Allerdings wurde historisches Geschehen durchaus reflektiert, wofür es unter-schiedliche Beweggründe gab. Neben praktischen Bezügen (z. B. in Babylonien dieDatierung von Urkunden durch Jahresnamen historischen Inhalts in der zweitenHälfte des 3. und der ersten Hälfte des 2. Jt. v. Chr.,1)was Teil einer chronographi-schen Texttradition wurde2)) entsprang das Interesse an der Darstellung und Über-lieferung historischer Ereignisse einer spezifischen politischen und/oder religiösenMotivation und verfolgte entsprechende Zielsetzungen für die Gegenwart und Zu-kunft.3)Die Reflexion von Vergangenheit manifestiert sich dabei zum einen in den sog.chronographischen Texten im engeren wie im weiteren Sinn4)(Jahresnamen-, Epo-nymen- und Königslisten,5)Chroniken)6)sowie in epigraphischen Quellen erzählen-den Inhalts (Königsinschriften und Annalen),7)zum anderen in Mythen und Epen8)(einschließlich sog. pseudo-historischer bzw. -autobiographischer Texte9)), Prophe-391.Vgl. die von W. H. Ph. Römer übersetzten Beispiele von Jahresnamen in TUAT I/4 (1984)337-343.2.Vgl. J.-J. Glassner, Mesopotamian Chronicles (SBL Writings from the Ancient World 19),Leiden / Boston 2005.3.Vgl. dazu unlängst S. M. Maul, Rückwärts schauend in die Zukunft: Utopien des AltenOrients, in: A. Archi (Hg.), Tradition and Innovation in the Ancient Near East. Proceedingsof the 57thRencontre Assyriologique Internationale at Rome, 4-8 July 2011, Winona Lake2015, 3-12.4.Zur Begrifflichkeit vgl. J. Renger, Vergangenes Geschehen in der Textüberlieferung des altenMesopotamien, in: H.-J. Gehrke / A. Möller (Hg.), Vergangenheit und Lebenswelt. SozialeKommunikation, Traditionsbildung und historisches Bewußtsein (ScriptOralia 90), Tübin-gen 1996, 13-15.5.Vgl. im vorliegenden Zusammenhang jetzt auch C. Wilcke, Gestaltetes Altertum in antikerGegenwart: Königslisten und Historiographie des älteren Mesopotamien, in: D. Kuhn /H. Stahl (Hg.), Die Gegenwart des Altertums. Formen und Funktionen des Altertumsbezugesin den Hochkulturen der Alten Welt, Heidelberg 2001, 93-116.6.Vgl. dazu bereits die Textvorlagen von R. Borger in TUAT I/4 (1984) 401-404 sowie vonK. Hecker in TUAT.NF 2 (2005) 27-45.7.Vgl. R. Borger in TUAT I/4 (1984) 354-410; K. Hecker in TUAT Ergänzungslieferung (2001)11-20; H. Neumann in TUAT.NF 2 (2005) 9-26 und K. Hecker, ebd. 45-88.8.Ausgewählte Epen und Mythen der mesopotamischen Überlieferung haben W. H. Ph. Römerund D. O. Edzard in TUAT III/3 (1993) 351-559 und W. G. Lambert, K. Hecker, W. von So-den und G. G. W. Müller in TUAT III/4 (1994) 565-801 in Übersetzung vorgelegt; vgl. dar-über hinaus auch C. Mittermayer, P. Attinger, A. Zgoll und K. Hecker in TUAT.NF 8 (2015)3-143.9.Vgl. die entsprechende Überlieferung zu Sargon von Akkade; dazu K. Hecker in TUAT Ergän-zungslieferung (2001) 55-60.
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